Kapitel 14

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Je länger ich alleine war und nachdenken konnte, umso wütender wurde ich. Warum will mich jeder einsperren? Und warum lass ich mir das gefallen? Die Wut überbot sogar die Wiedersehensfreude. Hier bei Alex und Phil und unseren Eltern fühlte ich mich erstaunlich wohl, wenn man überlegt, dass ich sie eigentlich gar nicht kenne. Es ist als gäbe es da dieses Band, was mich schon immer zu ihnen hingezogen hat. Ich kann mich an den Tag erinnern, als ich meiner Mutter ihren Blick beim Certamen Disciplina auf mir brennen spürte. Die Faszination und die Überraschung. Und genau dasselbe ist es auch hier - auch wenn es komisch ist, plötzlich eine Familie zu haben. Aber das habe ich ihnen auch gesagt, also dass ich in dem Glauben aufwuchs, sie wären gestorben, doch nicht mal dieses Glück sie doch noch kennen zu lernen, ließ die Wut schwinden.

Ich war sogar noch sauer als irgendwann abends Alex und Phil mit Essen für mich vorbeischauten und mir Gesellschaft leisteten.

„Was ist dir denn über die Leber gelaufen?" Fragte Phil grinsend als sie mich zeternd vorfanden. „Eure Eltern!" „Erstmal, es sind unsere und was kann so schlimm sein, das du plötzlich so negativ bist?" „Sie wollen mich hier einsperren! Und ich darf nicht mal zurück auf Elima!" Klagte ich. Kurz blieb es still und während beide sich einen Platz zum hinsetzen suchten, tauschten sie bedeutungsschwere Blicke aus. Bei den Göttern ich glaub das nicht! „Ihr teilt ihre Meinung! Was läuft nur falsch in eurem Hirn?!" Fragte ich und fuchtelte wild herum. „Wow, Pippa. Beruhig dich. Wir verstehen sie und haben das selbst durchgemacht." „Ach ja? Wer von uns beiden wird in einem Raum gefangen gehalten? Du oder ich? Ich will gar nicht wissen wo du dich heute überall rumgetrieben hast! Warum wollt ihr mir denn nicht helfen?" „Als wir dachten, du wärst tot - damals - haben Mom und Dad uns nirgends raus gelassen, nur mit gefühlten 500 Mann der Garde. Sie haben einfach nur schreckliche Angst um dich. Die Welt da draußen ist nicht die schönste und sie wollen dich einfach nicht in Gefahr bringen. Außerdem darfst du dich auf dem Schlossgelände frei bewegen. Ist jetzt nicht so, als wären das nur ein paar Meter." Erklärte Phil sachlich, aber das fand kein Gehör bei mir. „Ich will aber nicht. Ich kann mich gut alleine verteidigen!" Eingeschnappt wie ich war reckte ich meine Nase so hoch es im sitzen eben ging und verschränkte die Arme vor meiner Brust. „Das haben wir ja gesehen." Rutschte es Phil heraus und ich schaute ihn entgeistert an. „Was?" Meinte er, es wäre meine Schuld, dass ich entführt wurde? „So mein ich das nicht." „Natürlich meinst du es so. Teilst du seine Meinung Alex?" Fragte ich ihn anklagend, weil er die ganze Zeit schon schwieg. „Du bist nicht Schuld, aber-" „Das ist jetzt nicht euer Ernst, oder?" „Pippa..." „Nicht: Pippa. Ich sag euch mal was: Ich bin durch die Hölle gegangen und mir nun anhören zu müssen, ich wäre selbst daran Schuld, ist...ist grausam. Ihr wisst nicht was dort alles passiert ist. Ihr wisst gar nichts. Also sagt so etwas nie wieder, wenn ihr nicht mal wisst, wie ich diese Hölle überlebt und mich durchgekämpft habe." Ich hab nicht mal gespürt das ich nun weinte, aber jetzt spürte ich die Nässe auf meiner Wange. „Pippa-" „Ich will es nicht hören. Ehrlich. Steckt euch eure Entschuldigungen sonst wo hin. Ich will sie nicht hören. Verschwindet einfach." Als würde sie meine Worte noch unterstützen wollen, knurrte Liv leise auf und betroffen und zögerlich standen meine Brüder auf. Ich hatte nicht mal die Hälfte erzählt, aber gerade hatten sie mich so wütend gemacht, dass ich nicht anders konnte. Es brach einfach aus mir raus.

Beide steuerten geknickt die Tür an und ich starrte einfach nur aus dem Fenster, versuchte meine hektische Atmung unter Kontrolle zu bringen und kraulte Liv. „Pippa, es tut uns so leid. Wir haben das nicht so gemeint." Ich nahm mir eigentlich vor, nicht zu antworten, doch die Wut ließ meine Zunge schneller sein als meine Gedanken. „Davon kann ich mir auch nichts kaufen. Ich dachte Geschwister halten zusammen. Sie gegen den Rest der Welt. So hab ich es mir zumindest immer vorgestellt. Tja, so kann man sich täuschen." „Das ist nicht fair..." meinte Phil verletzt und obwohl ich das wusste und irgendwas in mir auch darauf abzielte, musste ich dem ganzen noch die Kirsche aufsetzen. „Ja, du hast recht. Das Leben ist nicht fair. Wenn euch auch nur das geringste an mir liegt, dann besorgt ihr mir wenigstens meine Sachen aus Elima. Sicher habt ihr meine Sachen vom Wettkampf nicht hier." Ich war wütend, jeglicher Appetit war mir vergangen und als sie endlich außen waren, ließ ich den Tränen freien Lauf, während die Erinnerungen mich zu erdrücken schienen. Liv wich mir nicht von der Seiten, aber nicht mal sie registrierte ich in dieser Dunkelheit.

Die Chroniken der Arcani - Das ÜberlebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt