Ich steigerte meine Leistung von Tag zu Tag, doch so gern ich auch meine Freunde wiedersehen wollte, bekam ich es mit der Angst zu tun, je näher der Tag der Abreise rückte. Meine Koffer waren schon gepackt und Sebastián organisierte die letzten Dinge, doch ich verließ den Trainingsparkour nicht. Ich wusste nicht ob ich bereit war für die Realität außerhalb Lyleijas. Und trotz meiner großen Fortschritte, vertraute ich mir nicht gänzlich was meine Fähigkeiten anging. Statt nur noch jeden 20. Kampf gegen fünf Soldaten zu gewinnen, schaffte ich es mittlerweile jeden 5. zu gewinnen. Ich ging mit mehr Strategie dran und langsam konnte ich mich wieder mehr auf die Stärke meines Elements vertrauen und das Nahkampftraining mit Ramsley und den Soldaten half enorm mich auf Trab zu bringen. Philipp hätte keine Chance mehr gegen mich! Naja, vielleicht doch, wenn er sich anstrengt, aber Ari kann mich nicht fertig machen! Aber nur auf Bogen und Fäuste konnte ich mich ja schlecht verlassen. Jetzt war das Trainingsgelände noch geschützt, da war es was anderes. Aber im Ring zu stehen und gegen andere Hochrangige antreten? Ein Fehltritt und was passiert dann mit mir?
„Was ist wenn ich es doch nicht kann? Was wenn ich plötzlich jemanden unkontrolliert verbrenne oder gar erfriere? Was ist wenn ich das Wasser in deren Körper erfrieren lasse und sie somit töte?" Verzweifelt stocherte ich in dem nahrhaften, aber nicht gutaussehenden Essen in der Mensa rum und schaute zu meinem Meister. „Beruhig dich. Du hast die letzten Wochen großartige Fortschritte gemacht und es ist auch kein Mal etwas passiert, nur am Anfang. Aber du hast es doch wieder so weit geschafft. Du hast deine Angst nun unter Kontrolle bekommen und das war die eigentliche Herausforderung. Das alles andere, das Training, die endlosen Sportstunden und auch die Kämpfe waren nur dafür da dir wieder die Sicherheit zu geben. Du könntest dich sogar im Schlaf beherrschen. Es wird alles gut gehen. Versprochen. Und wir sind immer bei dir und falls etwas passieren würde, können wir einschreiten und dich beschützen." Und das meinte er auch so. Seine Haltung strotzte nur vor Optimismus, auch wenn ich nicht ganz überzeugt war. Aber neben diesen Fragen quälten mich noch andere, die vielleicht noch schwerer auf meiner Seele lagen als die anderen. Wie würden Philipp und Alex reagieren mich wiederzusehen nach so langer Zeit ohne ein Wort voneinander gehört zu haben? Könnte ich Ari und Ellie begegnen? Was wissen sie oder wo glauben sie dass ich die letzten Monate war? Was war mit meinen schulischen Verpflichtungen? Es gab so viel Ungewissheit, dass mir das schon wieder Angst bereitete und ich hätte mich lieber wieder ins Training gestürzt, hier auf Lyleija, weit weg von der Zivilisation und von Menschen, denen ich gefährlich werden konnte oder potentiellen Angreifern. Denn egal wie oft man mir im Schloss sagte, ich wäre sicher, ich kannte dort nicht wirklich jemanden und das schürte die Angst. Jetzt wo ich einmal hier war, den Ablauf kannte und Vertrauen fasste, wollte ich nicht schon wieder hier rausgerissen werden. Vielleicht fühlte ich mich wieder sicherer, weil ich anfing mir zu vertrauen und wusste, dass ich mich verteidigen konnte, wenn es hart auf hart kam. Aber die Welt da draußen... war kein geschützter Übungsplatz.
„Dein letztes Training fangen wir heute mit dem Bogenschießen an. Lord General Derrington stellt uns seine besten Schützen zur Seite und sie werden aus verschiedenen Winkeln auf dich schießen, du weichst ihnen aus, versuchst sie unschädlich zu machen und gleichzeitig auch noch deine Zielscheiben zu treffen. Viel Glück!" Eröffnete mir Galen und nahm auf seiner Trainerkanzel mit den anderen Platz. Das erste Mal befand ich mich nun ganz unten am Fuß des Felsabhangs und in mich gekehrt nahm ich den Bogen, den man mir bereit gelegt hat. Farbbomben waren statt der üblichen Spitzen angebracht und nach einem prüfenden Blick schulterte ich den Köcher auf und positionierte mich in der Mitte des Feldes. „Ich wär dann soweit." Rief ich und keine Sekunde - perfekt zu dem schrillen Startton - wurde schon der erste Pfeil abgefeuert. Ich kugelte herum und versteckte mich hinter einem der großen Hindernisse um meine Umgebung einmal betrachten zu können. Ich lauschte auf meine Gegner, versuchte sie hören oder gar zu sehen, doch das war schlicht unmöglich. Ich musste den ersten Schritt machen und sie aus der Reserve locken. Und so schoss ich auf die Ziele mit perfekten Ergebnissen und dann war es wieder so, als würde mein Geist auf Wanderschaft gehen und sich in jemand anderen einpflanzen. Plötzlich konnte ich mich selbst unten am Boden stehen, sehen und merkte wie sich der Körper anspannte. Sofort schoss mein Blick hoch in die Bäume und auch wenn ich meinen Gegner nicht sah, ich schoss und hörte nur ein dumpfes *Dong*, einer ausgeschaltet. Ich stand unter Beschuss und schaltete den nächsten anhand seiner Schusslinie ab, einmal verfehlte ich zwar knapp, aber innerhalb weniger Sekunden war auch der nächste von der Liste gestrichen und kam Farbbekleckst aus seinem Versteck, so ging es weiter und weiter. Ich erspürte meine Gegner eher, als dass ich sie gesehen hätte. Langsam fragte ich mich nicht mal mehr wieso ich das konnte, also in den Kopf andere zu schauen, vor allem weil es nicht immer und bei jedem funktionierte, aber wie auch den Rest meiner Fähigkeiten akzeptierte es und war gerade froh so meine Gegner aufzuspüren und zu wissen wann sie mich angreifen wollen. Es war zwar irgendwie unheimlich, doch ich schob es schon so lange vor mir her, das ich dieses Problem auch noch später lösen konnte.
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Die Chroniken der Arcani - Das Überleben
FantasyGerade hat sich Philippa an ihr neues Leben gewöhnt und Anschluss in der neuen Welt gefunden, da erschüttert sie ein gelüftetes Geheimnis nach dem anderen und wieder dreht sich Pippas Welt um 180°. Nur dieses Mal war es anders. Sie bezweifelte alle...