Kapitel 38

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Es war ein schwüler Abend und die Luft hatte etwas leichtes an sich. Vielleicht war das aber auch nur, weil eine riesige Last von meinen Schultern gefallen war. Wir hatten gewonnen. Verflixt, wir haben wirklich das Certamen im Bogenschießen gewonnen, trotz Avania, die mich nur sabotieren und töten wollte. Es war ein grandioses Gefühl zu siegen und ich habe nichtmal gemeckert als Sebastian und Anna mich in eine dieser pompösen Abendroben gesteckt haben. Und das musste schon einiges über meinen guten Gemütszustand verraten, weil ansonsten hätte ich dieses Tamtam niemals geduldet. Der Wind der durch die offenen Fenster meines Zimmers zu uns wehte spielte mit meinem Kleid, das in der untergehenden Abendsonne glitzerte. Feine Goldfäden waren in den Tüllrock eingearbeitet, die nun in dem Licht funkeln. Das wunderschöne sonnengelbe Kleid, mit Sonnenblumen am Carmen-Ausschnitt und Beinschlitz, wand sich um meinen Körper und hüllte mich in eine Wolke aus Tüll. Es wog beinahe nichts, obwohl ich anfangs dachte mit dem ganzen Stoff müsste es eine Tonne wiegen. Nur deswegen konnte man mich dazu überreden, sogar noch die passenden High Heels zu tragen. „Wunderschön!" Schwärmte Sebastian und drehte mich einmal im Kreis um mich zu begutachten. „Gute Arbeit, Anna!" Lobte er auch sie und ich stimmte ihm zu. Anna hatte sich mit meiner Frisur selbst übertroffen. Eine geflochtene Haarkrone schlang sich um meinen Kopf, gespickt mit jeglichen Blumen, die sie hier im Palastgarten gefunden hatte und die zu dem Kleid passten. Zarte, gold Ranken unterstützen das florale Design und fanden sich auch in meinem Schmuck wider, den ich nur zu gern stolz präsentierte. „Nicht vergessen, Pippa. Wir sind heute edel und charmant! Keine Aussetzer, kein Aufsehen erregen. Du kannst so viel feiern, wie du willst, aber mit Zurückhaltung!" Erinnerte mich Sebastian ein letztes mal bevor ich raus in den Garten ging und der Spaß endlich beginnen konnte.

Einer der Palastgärten wurde extra für die Siegesfeiern der jeweiligen Kategorie reserviert. Dieses Mal fand die Abschlusszeremonie im westlichen Teil statt, der ein wenig nach einem englischen Garten aussah und sich um einen Teich wand. Rundherum wurden Tanzflächen aufgebaut mit verschiedenen Bühne für den DJ und die Streichquartettes. Alles wurde durch Lichterketten und Feuerfackeln beleuchtet und je später es wurde, desto schöner sah es auch. Als ich den seichten Hügel runter zur Party lief, entdeckte ich sofort meine feiernden Teamkameraden, die mich mit tosenden Applaus in Empfang nahmen. Als erstes war Flori bei mir um mich stürmisch zu umarmen, bevor die anderen ebenfalls uns umringten. „Du hast es geschafft!" Kreischte sie dauernd umher und hüpfte im Kreis um mich. Das vornehme Streichquartett wurde durch unser Gekreische übertönt und ein paar der älteren Gäste musterten uns mit Stirnrunzeln, aber sonst intervenierte keiner. Einige Pagen kamen zu uns her, reichten uns Gläser mit prickelnden Champagner und wir hoben zum Toast die Gläser. „Auf Artemia. Auf unseren Sieg und auf Philippa! Die beste Schützin ganz Luxants!" Schrie einer der Bogenschützen und wir jubelten und tranken fröhlich, bis die restlichen Sonnenstrahlen versiegten und der Mond den Platz der Sonne einnahm. Das war der Startschuss für die formelle Feier und wir mischten uns unters Volk.

„Ich kann es immer noch nicht fassen!" Gestand ich Serena nach den ewigen Reden und Small Talk den wir geführt hatten. „Ich auch nicht. Meine Güte, du bist einfach die beste Schützin. Und obwohl ich das vorher schon wusste, ist es etwas ganz anderes wenn du diesen Titel verliehen bekommst! Ich mein, Avania?! Hallo? Du hast trotz einer so arschigen Partnerin alles abgeräumt und dich von ihrer heimtückischen Ader nicht durcheinanderbringen lassen." „Was wäre mir auch sonst übrig geblieben?" Fragte ich in Retour. „Aufgeben und heulen? Das hätte sicher ich getan. Ein fremder Bogen ist überhaupt nicht meins. Nenn mich abergläubisch, aber ich kann nur mit meinem Bogen schießen, jeder andere Bogen und ich treffe kein einziges Ziel mehr." Über diese Aussage lachte ich und konnte ihr an sich nur zustimmen, aber ich behielt das für mich. Sie hatte recht, ich war selbst ein wenig überrascht wie leicht es mir fiel mit Alexs Geschenk umzugehen. Ich nahm mir eine neue Flöte und betrachtete die feiernde Meute vor uns, bestehend aus allen Teilnehmern des heutigen Wettkampfes, die ebenfalls fröhlich auf der Tanzfläche rum hüpften. Ich sah die beiden Kerle, gegen die Avania und ich verloren haben und sie hoben grüßend ihre Gläser als wir uns erkannten. Es war eine so friedliche Atmosphäre, ohne böses Blut und so herzlich, wie ich es nicht erwartet hätte, nachdem drei Teams heute verloren hatten. Das nannte ich wirklich Sportsgeist! Wäre da nicht Avania, die genau in diesem Moment ebenfalls die Party betrat, wäre wohl der Abend perfekt gewesen. Sie klammerte sich an Robyns Arm und sah etwas wütend aus, als keiner sie grüßte, sondern wenn überhaupt nur tuschelnd die Köpfe zusammensteckte und verstohlen mit dem Finger auf sie zeigte. Trotzdem stolzierte sie in ihrem pinken Glitzerkleid und ihrem langen Fake-Wimpern über den Rasen, als würde die Welt ihr zu Füßen liegen und ihr gehören. Das sie sich überhaupt traute hier aufzutauchen und so verlangend nach Aufmerksamkeit zu sein, fand ich schon mutig. Nach allem was sie sich heute geleistet hatte, hätte sie nicht mal mehr auf der Gästeliste stehen dürfen, aber entweder hatte sie gute Kontakte oder der Name Derrington ihres Verlobten öffnete ihr die Tür auf diese Party. Egal wie, sie zu sehen konnte meiner guten Laune nur einen minimalen Dämpfer verpassen. Gemeinsam lief das schöne Paar durch die Menge und Avania ignorierte jeden Blick und jedes flüsternde Wort das sie aufschnappte, bis sie bei uns ankam und ihre Fassade etwas bröckelte.

Die Chroniken der Arcani - Das ÜberlebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt