Kapitel 43

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Ich wachte in einem dunklen Raum auf. Es war eigenartig still und ich war kurz verwirrt, wo ich war. Seidenweiche Bettlacken schmiegten sich um mich und trotzdem fühlte ich mich durchgeschwitzt, als wäre ich einen Marathon gelaufen oder hätte Fieber. Irgendwas stimmte nicht. Ich kniff die Augen musternd zusammen und mir fiel die gewohnte Umgebung der letzten Wochen auf. Die deckenhohen Fenster waren durch die schweren Vorhänge verdeckt, aber ich erkannte trotzdem die bekannten Umrisse und atmete kurz erleichtert durch. Ich hatte einen so wirren Traum von Excidium, der Göttin Artemis und alles durchmischt mit meiner Familie und den Ereignissen der letzten Stunde, dass ich kaum noch unterscheiden konnte, was real oder surreal war. Ich war in Sicherheit. Dieser Gedanke ließ mich nochmals erleichtert aufatmen. Aber dann kreisten meine Gedanken weiter und wie ein Eimer kaltes Wasser prasselten die Ereignisse mit Avania und meiner Familie wieder auf mich ein. In ihrer gesamten Stärke. „Scheiße." Fluchte ich. Ich war aufgeflogen. „Scheiße, scheiße, scheiße!" Ich raufte mir die Haare und starrte auf die zugezogenen Vorhängen, als die Tür sich leise öffnete und ich in diese Richtung blickte. Anna öffnete mit ihren Ellbogen die Tür und kam rückwärts in das Zimmer herein, ein volles Tablett in beiden Händen balancierend. Sie schloss die Tür und drehte sich dann abrupt um und schaute überrascht zu mir. „Oh, du bist wach." Meinte sie fröhlich und stellte das Tablett auf mein Bett, knickste kurz und zog danach die Vorhänge zur Seite. Ich kniff stöhnend die Augen zusammen, wollte nicht noch mehr mit der Wahrheit konfrontiert werden und rieb mir seufzend den Sand aus den Augen. Ich roch die würzige Suppe auf dem Tablett und fragte Anna irritiert: „Wie spät ist es?"
Es war so hell, dass ich bezweifelte, dass es früh morgens war und das Essen sprach ebenfalls dafür. „Kurz vor eins, Miss." Ich verschluckte mich beinahe anders Suppe und keuchte vor mich hin. „Wie bitte? So spät? Wo sind die anderen?" Ich hustete kurz und schaute dann zu Anna, wie sie durch mein Zimmer wuselte. Sie durchsuchte meinen Kleiderschrank, zog ein schickes Kleid nach dem nächsten heraus und entschied sich letztendlich für ein weißes, fließendes Kleid. „Anna? Was wird das?" Fragte ich nach und stand vom Bett auf um ihr hinterher zu gehen. „Ihre Eltern sind beim Wettkampf ihres Bruders." „Was?" Schrie ich und eilte plötzlich ziellos durch das Zimmer. „Warum hat mich niemand geweckt?" Fragte ich Anna und konnte nur über meine eigene Dummheit denn Kopf schütteln. Wie konnte ich einen so wichtigen Tag für Phil verpassen? „Die Königin meinte, du solltest dich ausruhen und keiner dürfe dich wecken. Es war ein anstrengender Tag gestern. Willst du dich vielleicht noch ein wenig ausruhen?" Fragte sie und schaute mich freundlich an. Entgeistert sah ich zu ihr und schüttelte den Kopf. „Anna, Philipp hat heute seinen finalen Wettkampf. Das werde ich sicher nicht verpassen!" „Prinzessin..." ich sah sie streng an und schüttelte den Kopf. „Damit fangen wir gar nicht erst an, Anna. Ich will zu meinem Bruder und ihn unterstützen. Als noch niemand wusste wer ich war, sind sie immer an meiner Seite gewesen und es ist mir absolut egal was die Leute von mir denken oder was sie über mich sagen, ich werde zu ihm gehen. Komme was wolle. Und niemand kann mich hier festhalten und wenn ich dafür meinen neuen Titel verwenden muss und es befehle. Mir egal wie viele Gardesoldaten ich mitnehmen muss, ich werde dort hin gehen!" Kurz hielt sie inne und reichte mir dann das weiße Kleid. „Ich hatte mir schon gedacht, dass du das sagen wirst. Ich habe es schon geplant. Sicherlich wird die Hölle toben, wenn du dort ankommst. Also zeigen wir jeden, dass du Prinzessin Delia Felicia Dornewill bist. Wir zeigen ihnen was königlich heißt!"

Ich fühlte mich wie in Anna's Beauty-Salon 2.0 und ich bewunderte Anna, wie sie so geschickt und zügig an mir rum werkelte, sodass ich innerhalb einer halben Stunde eine geflochtene Krone auf meinen Kopf hatte, die durch kleine Perlen und Kristalle in meinen Haar im Licht funkelten. Anna war schnell und ehe ich mich versah, hatte sie mich schon in das weiße Kleid gesteckt und ich zog mir römische Sandalen an. Der Stoff war wie immer hier in Winanda leicht und fließend, aber als ich mich im Spiegel sah, fiel mir nur ein Gedanke ein: Ich sah wie Artemis aus. Dieses Kleid war wie die Tuniken aus dem alten Rom, die langen fließenden Kleider mit denen alle Göttinnen portraitiert wurden. Ich fühlte mich stark und der Situation gewappnet. Ich hätte mich selber für eine Prinzessin halten können, gerade mit dieser Krone aus Haar. In seichten Locken fielen mir die restlichen Haare über die Schulter und umrahmten mein leicht geschminktes Gesicht, dass meine blauen Augen zur Geltung brachte. Es war kein Kleid das ich für ein solches Event mir ausgesucht hätte, aber ich verstand was Anna damit bezwecken wollte. Es machte klar, welche Position ich einnehmen würde. Meinen Status. Meine Macht. Und letztlich wollten das doch alle sehen. All diese Partys, wo jeder die Sieger in die Hände kriegen wollte, drehten sich nur um das profilieren und den eigenen Profit aus einer Beziehung zu ziehen. Wir gaben den Leuten das was sie sehen wollten, oder? „Wie seh ich aus?" Fragte ich und drehte mich zu Anna um. „Wie eine Prinzessin." Schwärmte Anna und legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Wie sieht es da draußen aus? Hat man über mich geschrieben?" „Die Nachrichten aller Zeitschriften, Magazine und co sind voll mit deiner Schlagzeile. Nicht nur in Artemia. In ganz Luxant. Jeder spekuliert was passiert ist, analysiert all deine Auftritte. Es wird sicher ein großer medialer Auflauf werden, sobald man weiß, dass du da bist." Ich schluckte hart, richtete mich aber sofort auf und erinnerte mich an all die Lektionen von Sebastián. „Fühlst du dich bereit?" Fragte Anna zaghaft und nach kurzen Zögern nickte ich. Alles in mir sträubte sich so das Rampenlicht zu suchen. Hätte ich es mir aussuchen dürfen, wäre ich ohne das mich jemand sehen würde - unsichtbar wie immer - zum Finale gegangen und hätte meinen Bruder von der Seitenlinie unterstützt. Aber jeder hat es mir gesagt und ich habe es gesehen, bei all diesen Königskindern. Im Schatten bleiben ist mit diesem Titel nicht mehr möglich und gerade jetzt war mir die Aufmerksamkeit eines jeden sicher.
„So bereit wie ich nur sein kann."

Die Chroniken der Arcani - Das ÜberlebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt