Zufall oder Magie? (1. Teil)

26. kapitel - Böse Magie?

Liebe Sam,                                                                                                                                         02.01.2017

wenn du das hier liest, bin ich bereits tot. Dieses Buch soll dir helfen, die Wahrheit zu verstehen, weil ich sie dir nicht mehr erzählen konnte. Die Wahrheit über deine Familie, über mich, über dich und warum die Dinge so gelaufen sind, wie sie nun mal verlaufen mussten.

Egal, was du glaubst zu wissen, wahrscheinlich kennst du nicht einmal die Hälfte der Wahrheit. Aber darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Sicher fragst du dich, warum du von deinen Eltern im Ungewissen gelassen wirst. Ich möchte, dass du eines weißt, deine Eltern wollten und wollen immer nur das Beste für dich. Ich wünsche mir, dass du das nie vergisst. Deine Mutter glaubt, Unwissenheit sei dein bester Schutz. Wenn du die ganze Wahrheit kennst, wirst du sie verstehen. Ich weiß, wie sie ist, ihre harten Worte meint sie nicht so. Sie liebt dich sehr und sie wird alles tun, von dem sie glaubt, dass es dich in Sicherheit bringt.

Nun, ich habe andere Ansichten, als deine Mutter. Ich weiß, dass du die Wahrheit kennen musst. Deshalb habe ich dafür gesorgt, dass du mein Tagebuch bekommst. Das, was mit dir passiert, das ist nichts, wovor du dich fürchten musst. Du wirst lernen, damit umzugehen.

Als es bei mir angefangen hat, habe ich alles darüber aufgeschrieben. Ich denke, das wird dir weiterhelfen. Es tut mir leid, dass ich die letzten Jahre vor meinem Tod nicht mehr bei dir sein konnte und besonders bedaure ich es, dass ich dir nicht persönlich sagen konnte, was mit dir geschieht. Ich hoffe, du kannst mir das eines Tages verzeihen.

Sammy, ich liebe dich von ganzem Herzen,

deine Grandma Edith

Mit nassen Augen starrte ich den Brief an und bekam kein einziges Wort mehr heraus. Es war lange her, dass ich etwas von meiner Grandma gehört hatte. Dieser Brief gab mir zum ersten Mal, seit meiner Ankunft in Richland Springs, etwas, das sich wie Geborgenheit anfühlte.

Ich sah sie vor mir, mit ihren leuchtenden, grünen Augen, dem freundlichen, runden Gesicht und den rosigen, schmalen Lippen. Einen Moment lang konnte ich mich sogar an ihr Parfum erinnern, das nach einer Mischung aus Lavendel und Orangen geduftet hatte.

Ich las den letzten Satz still für mich. Er brachte das angesammelte Wasser in meinen Augen zum Überlaufen. Tränen fielen auf meine Wangen hinab. Ich liebte sie auch und ich war nie wütend auf sie gewesen. Ich wusste, dass es meine Mom gewesen war, die den Kontakt zwischen ihr und mir zum Erliegen gebracht hatte.

„Krass", sagte Maliee erstaunt. Ich blinzelte die Tränen weg und wischte das salzige Wasser von meinen Wangen.

„Ja, das ist es." Meine Stimme klang dünn und kratzig.

„Meinst du, es gibt..."

„Warte mal, da steht noch etwas", unterbrach ich sie und legte meinen Zeigefinger auf die kleingeschriebenen Worte, am untersten Rand des Briefes.

„Sam, eines sollst du noch wissen. Dieses Buch hat dich gefunden. Wenn du es in deinen Händen hältst, bist du für die Wahrheit bereit. Selbst, wenn es sich für dich noch nicht so anfühlt. Und verzweifle bitte nicht, wenn es sich dir nicht gleich offenbart. Es gibt immer nur das preis, für das du tatsächlich bereit bist."

Ich schluckte. Egal, wie sehr ich mich auch sträuben wollte, ich konnte nicht länger leugnen, dass hier etwas Übernatürliches vonstattenging und, dass nicht Maliee der Ursprung dessen war, sondern ausschließlich ich.

„Okay, okay, warte mal ne Sekunde. Habe ich das richtig verstanden? Du kannst in dem Buch nur das lesen, für das du bereit bist?", fragte Maliee tief versunken in der Thematik. Sie musste schon lange begriffen haben, dass wir es hier mit Magie zu tun hatten. Sie hatte es verarbeitet, akzeptiert. Ich hatte das nicht. Ich hatte nur eingesehen, dass es keinen Sinn mehr machte, sich dagegen zu sträuben. Dafür gab es zu viele Beweise. Aber wirklich akzeptiert und angenommen hatte ich diese Sache noch lange nicht.