5. Kapitel - Rätselhafte Worte einer Fremden

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„Fuck", fluchte ich laut, als ich zwei Minuten zu spät kam und dem fahrenden Bus nur noch hinterher sehen konnte. Ich blickte auf den Fahrplan und stellte fest, dass der nächste Bus erst in 30 Minuten kam. Na toll. Aber mit den 30 Minuten hatte ich eigentlich Glück. Ab um neun fuhren die Busse nur noch alle Stunde.

Erschöpft ließ ich mich auf die Sitzbank fallen. Draußen war es wärmer, als gedacht. Heute schien sogar die Sonne. Ich zog meine schwarze Regenjacke aus und legte sie über den beigefarbenen Beutel, in den ich meine Schulsachen gepackt hatte. Schulsachen, das war überhaupt das Stichwort. Immer noch konnte ich nicht ganz begreifen, dass man mich auf eine Schule in diesem Kaff schicken wollte. Es war Donnerstag und ich war gerade mal knapp einen Tag hier. Wie ein aufgeschrecktes Huhn, war ich heute morgen aus dem Bett gefallen, als mein Großvater mich geweckt hatte und mir allen Ernstes hatte erklären wollen, dass ich mich beeilen müsse, um pünktlich an meinem ersten Schultag zu sein. Eigentlich hatte er mich noch gestern Abend vorwarnen wollen. Da ich aber nicht pünktlich zum Abendessen zurück gewesen war, hatte er mich als Bestrafung heute morgen völlig überrumpelt. Immerhin hatte ich gestern Abend nach langer Diskussion etwas zu Essen bekommen. Das muss man sich mal vorstellen. Ich bin 16 Jahre alt, da kann er mich doch nicht mehr mit der Verweigerung von Essen bestrafen. Zumal ich nichts verbrochen hatte. Gegen 19 Uhr war ich rein gegangen, was gerade mal eine Stunde später war, als verabredet. Klar, ich hatte mich vielleicht nicht an seine Anweisungen gehalten, aber deshalb musste er mir doch nicht gleich eine Strafe aufbrummen.

Die erste Nacht in Richland Springs war grausam gewesen. Ich hatte fast die ganze Nacht wachgelegen und mich gefragt, warum ich überhaupt hier war. Ich hatte mich schrecklich einsam und alleine gefühlt. Die Stille des abgelegenen Dorfes hatte mich beinahe aufgefressen und sie hatte die vielen Gedanken in meinem Kopf nur noch verschlimmert. Ungefähr zwei Uhr Nachts hatte ich es dann nicht mehr ausgehalten und war aufgesprungen, um mir die unbekannten Nummern im Telefon anzusehen. Aber kein Name hatte mir etwas gesagt, bis ich auf die Namen Grace Davies und Ethan Davies gestoßen war. Das waren die Namen meiner Eltern. Jemand oder vielleicht sogar sie selbst, mussten ihre Namen dort eingespeichert haben. Ich versuchte es mehrere Male sie zu erreichen, doch nie hatte jemand den Anruf entgegengenommen. Die Nummer meines Bruders tauchte in den gespeicherten Kontakten nicht auf. Wahrscheinlich, weil er selbst kein Handy mehr hatte.

Durch meinen mangelnden Schlaf, war ich eigentlich hundemüde, aber die Aufregung hielt mich wach. Wie ich von meinem Großvater erfuhr, musste meine Mom schon vor Jahren dafür gesorgt haben, dass man meinen Decknamen an der Schule kannte. Statt Sam Evans, sollte ich mich nun mit Maya Wilson vorstellen. Der Name war okay, ich würde mich schon irgendwie damit arrangieren. Trotzdem fühlte es sich seltsam an mit einer falschen Identität durch die Gegend zu streifen. Ich war mir nicht sicher was mir mehr Sorgen machen sollte. Meine Eltern, die verschwunden waren oder die Tatsache, dass sie schon einige Zeit gewusst haben mussten, dass sie mich bald zu meinem Großvater abschieben würden. So wie ich es verstanden hatte, wusste die Schule schon länger über mich Bescheid und so war es wohl ein Leichtes gewesen, mich kurzfristig anzumelden. Eigentlich hatte ich mich wehren wollen. Unter keinen Umständen wollte ich hier zur Schule gehen. Doch leider blieb mir nichts anders übrig. Mein Großvater wusste genau womit er mir drohen musste, damit ich ihm gehorchte. Er hatte mir sein Versprechen gegeben, dass er die Polizei rufen würde, wenn ich mich weigerte. Und ich zweifelte nicht daran, dass er seine Drohungen wahr machte. Es war schon unangenehm genug die Neue in der Klasse zu sein. Da konnte ich getrost drauf verzichten mit einem Polizeiwagen gebracht zu werden. 

Zwanzig Minuten hatte ich gehabt, um mich anzuziehen, meine Sachen zu packen und runter zur Bushaltestelle zu sprinten, dass ich das nicht geschafft hatte, war wirklich nicht verwunderlich gewesen. Ich konnte mir schon jetzt vorstellen, wie sich alle Blicke auf mich richten würden, wenn ich als Neue zu spät käme. Aber wahrscheinlich sollte ich von Glück reden, dass in diesem Kaff überhaupt ein Bus zur Schule fuhr. Die Bushaltestelle lag nicht weit vom Bungalow entfernt, aber gestern war ich in die entgegengesetzte Richtung gelaufen und hatte sie somit gar nicht finden können.

Zufall oder Magie? (1. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt