Bevor mich die zweite Panikattacke überrollen konnte, setzte ich mich endlich wieder in Bewegung und stürmte nach unten. Ich packte Jayden angsterfüllt an der Schulter und wollte ihn mit mir ziehen. Der hatte von meiner Unruhe jedoch noch nichts mitbekommen und kniete tiefenentspannt an einem Haufen verbrannter Sachen.
„Wir müssen los!", keuchte ich aufgeregt und gestikulierte wild in der Gegend herum. Er runzelte die Stirn. Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an, bis er mir endlich etwas Aufmerksamkeit entgegen brachte und zu mir aufsah.
„Entspann dich. Das Haus ist doch stabiler, als es aussieht", sagte er ruhig. Blitzschnell jagte ein Schatten hinter ihm vorbei. Er verfolgte uns. Er verfolgte mich. Wir mussten hier weg. Jetzt!
„Du verstehst nicht, wir müssen raus hier. Sofort!", brüllte ich energisch und zeigte auf die Stufe.
Aber er ließ sich immer noch nicht aus der Ruhe bringen. Sein Blick wanderte an mir runter, bis er an dem Buch hängen blieb.
„Weil du es gefunden hast?", fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen und deutete mit einer Hand auf das Buch.
„Nein, wir müssen einfach weg, jetzt", zischte ich panisch und griff nach seiner Hand, um ihn von dem Haufen Asche wegzuziehen. Perplex ließ er sich einen halben Meter näher an die Treppe ziehen, blieb dann stehen und verschränkte bockig die Arme vor der Brust.
„Ich sehe keinen Grund zu gehen. Ich will mich noch umsehen", erklärte er entschlossen. Ich riss die Augen weit auf, als ich den Schatten erneut entdeckte. Nur dieses Mal huschte er nicht einfach an uns vorbei. Stattdessen war aus dem Schatten, die dunkle Gestalt aus meinem Traum geworden, die nun bedrohlich schnell auf Jayden zukam. Aber er bemerkte sie nicht. Ich ließ kein weiteres Mal mit mir diskutieren, packte ihn erneut am Arm und zog ihn mit der ganzen Kraft, die mein Körper hergab, so dicht an die Treppe ran, dass er zwangsläufig nach unten stolperte. Ein lauter Rums folgte. Aber er kam nicht von Jayden. Stattdessen war ein schwerer Balken vom Dachboden zu Boden gerast und genau dort eingeschlagen, wo Jayden noch eine Sekunde zuvor gestanden hatte. Mein Herz machte einen Aussetzer. Adrenalin schoss durch meinen Körper, schreckte mich auf und brachte mich dazu, endlich auch nach unten zu sprinten. Ich rannte gegen Jayden, der dort regungslos gestanden und nach oben gestarrt hatte. Als ich neben ihm ankam, fielen die nächsten Balken auf uns nieder. Einem Knall folgte der Nächste. Das Haus brach in sich zusammen. Endlich hatte auch Jayden den Ernst der Lage erkannt und folgte mir im schnellen Sprint nach draußen. Dort angekommen rannte ich weiter. Ich musste weg. Weg von diesem Grundstück. So schnell meine Beine mich auch trugen, steuerte ich das Tor an, das Buch fest unter meinen Arm geklemmt. Der Schatten folgte mir. Mit jedem Schritt kam er dichter und saß mir eng im Nacken, als ich das Tor erreicht hatte. Mit ruckartiger Bewegung sprang ich rüber und fiel mit lautem Aufschrei zu Boden, während der Schatten dicht an mir vorbei zog. Eine dicke Gänsehaut der Erleichterung legte sich auf meine Haut. Ich hatte es geschafft. Ich hatte das Buch und ich war lebend wieder daraus gekommen. Moment mal, wo war eigentlich Jay...
Zwei grüne Augen traten vor mein Gesicht und starrten mich besorgt an.
„Alles klar bei dir?", fragte eine tiefe Stimme. Ruckartig setzte ich mich hin und sah zu Jayden auf, der mir seine Hand hin hielt.
„Klar, alles bestens", entgegnete ich, nahm seine Hand entgegen und zog mich hoch. Ich klopfte den Dreck von meinen Sachen und machte Anstalten gehen zu wollen. Doch Jayden hielt mich am Arm zurück und zog mich vor sich, sodass ich gezwungen war in seine misstrauischen Augen zu blicken.
„Was war das eben?", fragte er mit ernster Miene und ernstem Tonfall. Fast vorwurfsvoll stand er mir gegenüber, aber in seinen Augen sah ich ein Funkeln, das mich glauben ließ, er sei ernsthaft besorgt. Besorgt um mich?
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Zufall oder Magie? (1. Teil)
EspiritualBereits in ihrer Kindheit wird Sam von zahlreichen Zufällen verfolgt. Während sie daraus keine große Sache machen will, gerät ihre Mutter mit jedem Zufall mehr und mehr in Panik. Als Sam dann plötzlich aus ihrem gewohnten Leben gerissen wird, verste...