Zufall oder Magie? (1. Teil)

44. Kapitel - Unwetter

Es hatte eine gefühlte Unendlichkeit gedauert, bis ich Jayden richtig wiedersehen konnte. Am Freitagmorgen hatte er mir geschrieben, dass sich seine Mom eine schwere Erkältung zugezogen hatte und er sich die nächsten Tage um seine Schwester Caroline kümmern müsse. Zweisamkeit fiel damit für die nächste Zeit aus.

Ich half Freitag nach der Schule und Samstag fast den ganzen Tag auf dem Hof aus. Jayden war überwiegend damit beschäftigt gewesen, die Dinge so zu organisieren, dass alle Tiere gut versorgt waren. Nebenbei hatte er sich viel um seine Schwester kümmern müssen, die ziemlich anhänglich geworden war. Ich hatte die meiste Zeit nur Befehle entgegengenommen und das getan, was gemacht werden musste.

Obwohl wir zumindest die Abendrunden zusammen gefüttert hatten, war nicht wirklich Zeit gewesen, um sich einander wieder näherzukommen. Wir waren beide von der harten Arbeit erledigt gewesen und hatten uns darauf geeinigt, das nächste richtige Treffen dann nachzuholen, wenn wir beide weniger eingespannt wären.

Heute war es dann endlich so weit. Seine Mom war wieder so fit, dass sie einen Teil der Aufgaben erledigen konnte. Nach der Stallarbeit wollten Jayden und ich wenigstens noch einen Spaziergang machen. Morgen war Montag und die nächste Schulwoche startete wieder. Wir konnten also nicht ewig wach bleiben. Länger als 22:30 Uhr durfte ich von meinem Großvater aus, ja auch ohnehin nicht wegbleiben.

Dadurch, dass ich ihn seit unserem ersten Kuss, jeden Tag gesehen hatte, ging es mit der Aufregung. Er hatte sich ganz normal mir gegenüber verhalten und war nur ein wenig gestresst gewesen.

Auf dem Weg zum Hof spürte ich allerdings doch, wie mich die Aufregung allmählich packte. Ich hatte jeden Abend, kurz bevor ich eingeschlafen war, an unseren Kuss zurückgedacht. Dabei hatte ich mich an seinen Pullover gekuschelt und seinen Duft, der daran haften geblieben war, tief eingeatmet. Jedes Mal hatte ich so breit grinsen müssen, dass mir die Wangen wehgetan hatten.

Ich hatte mir weitere Abende vorgestellt, an denen er mich küssen und wir so kuscheln würden, wie in der Weihnachtsnacht, in der er bei mir geschlafen hatte. Und jedes Mal hatte ich festgestellt, dass ich seine warmen Berührungen vermisste und dass ich ihn vermisste.

Umso aufgeregter war ich, dass wir heute endlich wieder Zeit nur zu zweit haben würden. Doch die kribbelnde Aufregung wandelte sich schnell zu schlechter Laune um. Jayden hatte mir gesagt, dass er heute auch den ganzen Tag auf dem Hof sein würde, doch als ich ankam, musste ich feststellen, dass er nicht da war.

Als ich mit Susann sprach, sagte mir diese, dass sie Jayden in die nächste Stadt geschickt habe, damit er Futter und Medikamente für die Tiere besorgen konnte. Die Vorräte neigten sich nämlich ziemlich dem Ende zu. Gegen späten Nachmittag würde er zurückkommen.

Warum hatte er mir das nicht geschrieben? Seine letzte Nachricht hatte ich gestern Abend bekommen. In der hatte er mir gesagt, dass er sich auf den heutigen Tag freuen würde.

Ich war davon ausgegangen, dass wir die Arbeit zusammen erledigen würden. Das hatte mir die Motivation gegeben, drei Tage in Folge und nun auch noch mit schmerzendem Muskelkater, trotzdem arbeiten zu wollen. Doch aus diesem Plan wurde wohl nichts.

Allein ging mir die Arbeit nur schwer von der Hand. Das Wetter war auch ganz anders, als es angesagt worden war. Eigentlich war von Sonne die Rede gewesen, doch eine Stunde nachdem ich auf dem Hof angekommen war, hatte es zu regnen angefangen. Susann und ich waren seitdem allein auf dem Hof. Bei diesem miesen Wetter verzogen sich alle nach drinnen.

Mir fehlte nun jegliche Motivation, um die Arbeit schnell hinter mich zu bringen. Ich wollte mindestens so lange bleiben, bis Jayden zurückkommen würde. Also arbeitete ich über vier Stunden auf dem Hof, bis ich langsam zum Ende kam. Ich war gerade dabei, eine der letzten Boxen mit Heu zu füllen, als ein greller Blitz den düsteren Wolkenhimmel erhellte.