27. Kapitel - Michelle's Sorgen

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Mit gemischten Gefühlen machte ich mich auf den Weg zur Schule. Ich war hundemüde. Maliee und ich hatten bis drei Uhr morgens versucht herauszufinden, was die Schule des Weißen Ordens sein sollte. Das könnte alles bedeuten. Wir hatten das Internet durchsucht, jedoch keinen einzigen Eintrag dazu gefunden.

Es war verrückt, es schien, als würde es den Weißen Orden gar nicht geben. Doch das wollten wir glauben. Vielleicht hatten wir noch nicht an den richtigen Orten nachgesehen. Ich muss zugeben, langsam fand ich Gefallen daran, mehr über meine Magie herauszufinden. Es lenkte mich vom restlichen, alltäglichen Drama ab und außerdem gefiel mir der Gedanke, ich hätte etwas Magisches an mir.

Maliee wollte sich heute in ihrer Schulbibliothek umsehen und nach der Arbeit noch in der öffentlichen Bibliothek vorbeischauen. Ich wollte es in meiner Schulbibliothek versuchen.

Seitdem ich das Buch in die Finger bekommen hatte, hatten Maliee und ich nur drei Einträge meiner Grandma lesen können. Die restlichen Seiten waren leer, was die Frage in uns aufwarf, was ich tun musste, um sie lesen zu können. Nur leider wussten wir nicht einmal, wo wir ansetzen sollten.

Die anderen zwei Einträge ähnelten dem ersten. Meine Grandma hatte weitere Male einfach nur beschrieben, welche Zufälle ihr passiert waren. Mit dem kleinen Extra, dass sie etwas darüber preisgab, wie sie sich dabei gefühlt hatte. Ganz im Gegensatz zu mir war sie jedes Mal ein Stück weit glücklicher darüber gewesen.

Ich war aufgrund des Einflusses meiner Mom, meist leicht genervt, wenn sich ein Zufall ereignete. Bisher hatte das immer bedeutet, sie würde sich noch mehr Sorgen machen und mich für die nächsten Tage nicht mehr aus den Augen lassen. Es war erleichternd, dass sie nun von meinen Zufällen nichts mehr mitbekam. Ich hatte die letzten Jahre zwar immer versucht, alle Zufälle von ihr fernzuhalten, doch es war mir nicht immer gelungen. Denn es hatte immer wieder Phasen gegeben, in denen ich regelrecht von ihnen verfolgt worden war.

Meine Grandma schrieb, dass sie langsam anfing zu verstehen, was ihre Mutter damit gemeint hatte, die Zufälle würden etwas darüber verraten, wie ihre Magie funktionierte. Ich wusste nicht, was sie damit meinte und vielleicht war das der Grund, warum die weiteren Seiten leer blieben.

Für den heutigen Tag nahm ich mir vor, mich ganz genau mit meinen Zufällen auseinanderzusetzen. Ich wollte herausfinden, was ich dabei fühlte und vielleicht würde ich sogar herausfinden, wie meine Magie funktionierte. Im weitesten Sinne hatten Maliee und ich das ja eigentlich schon längst getan. Schließlich wussten wir, dass wenn wir uns zusammensetzten und den Zauber durchgingen, er dann irgendwann funktionierte.

Klar, den Zehn-Dollar-Schein hatte ich deutlich später erst gefunden, aber ich hatte ihn gefunden und sein Finden hatte sich den ganzen Tag über angekündigt, indem jegliche Personen, mit denen ich zu tun gehabt hatte, alle einen Zusammenhang zu einem Zehn-Dollar-Schein hergestellt hatten. Vielleicht war das auch schon alles und meine Grandma meinte genau so etwas, wenn sie schrieb, sie lernte, wie ihre Magie funktionierte.

Meine Gedanken wurden unterbrochen, als ich sah, wie Michelle in den Bus stieg und sich wenig später schweigend neben mich setzte. Wir hatten Mittwoch und zugegebenermaßen war auch meine Motivation für die Schule, um acht Uhr morgens, nicht gerade überragend, aber Michelle musste noch etwas anderes haben. Sie sah geistesabwesend an mir vorbei und hatte mich nicht einmal, mit einem kleinen „Guten Morgen", begrüßt.

„Alles gut bei dir?" Sie sah flüchtig zu mir und zuckte nur gleichgültig mit den Schultern.

„Ja, bin nur müde", entgegnete sie trocken und rang sich zu einem kleinen Lächeln durch. Ich runzelte die Stirn. Schnell wandte sie den Blick von mir ab und versank in den Tiefen ihres Handys. Ja sie sah müde aus, rote Augen, als hätte sie die ganze Nacht geweint. Dunkle Augenringe und eine ungewöhnlich bedrückte Haltung. Vielleicht kam das alles tatsächlich von einer schlechten Nacht, doch so richtig konnte ich das nicht glauben. Also hakte ich weiter nach:

Zufall oder Magie? (1. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt