29. Kapitel - Gemeinsamer Heimweg

81 11 0
                                    

Mein Herz begann zu rasen. Angestrengt knetete ich meine Hände und zwang mich nicht panisch aufzuspringen und zur Tür zu laufen. Die Türen des Busses waren längst zugegangen. Und bis wir bei der nächsten Station ankämen, würden bestimmt zehn Minuten vergehen. Ich musste also auf meinem Platz bleiben und so tun, als würde ich nicht gerade eine Station zu weit fahren, die mindestens eine halbe Stunde Wegstrecke bedeutete.

Ob er mich jetzt begrüßen würde? Vorsichtig musterte ich ihn. Wo er wohl gewesen war? Ich zuckte leicht zusammen, als sich unsere Blicke unbewusst trafen. Ich lächelte ihm leicht zu, obwohl ich das gar nicht wirklich gewollt hatte. Schon im nächsten Moment bereute ich es. Jayden verzog keine Miene. Natürlich begrüßte er mich nicht. Warum sollte er das plötzlich auch machen? Stumm lief er auf mich zu und setzte sich schließlich stillschweigend in die Reihe vor mich. Ein Schwall von gutem Parfum drang mir in die Nase und ließ mich in Erinnerungen an diesen einen Freitagabend versinken.

„Wo fährst du hin?", fragte Jayden. Er drehte sich nicht zu mir nach hinten um und so hatte ich die Befürchtung, seine Frage hatte nicht mir gegolten. Also schwieg ich und drückte den Stoppknopf, damit ich nicht noch eine Station zu weit fahren musste.

„Maya?", fragte er nun nachdrücklich und sah mir, über seine Schulter hinweg, direkt in die Augen. Der Blickkontakt brachte mein Herz fast zum Explodieren. Meine Hände waren schweißnass und ich spürte, wie sich ein fetter Kloß in meinem Hals zu bilden begann. Kein Wort würde ich jetzt raus bekommen. Hitze stieg mir ins Gesicht.

„Alles klar bei dir?"

„Was?", war alles was ich herausbrachte und schon schwang der nächste Schub Hitze in mein Gesicht. Ich musste mittlerweile so rot wie eine Tomate sein und ich war mir sicher, dass Jayden das sah.

„Wo fährst du hin?"

„Ähm, nach Hause", entgegnete ich heiser und räusperte mich.

„Hättest du dann nicht schon letzte Station aussteigen müssen?" Unsicher nickte ich. Was war nur los mit mir? Den Nachmittag mit ihm hatte ich doch auch ganz normal mit ihm reden können. Warum war ich jetzt nur schon wieder so schrecklich nervös? Wahrscheinlich, weil wir uns eine Weile nicht unterhalten hatten und er mich bis eben ignoriert hatte. Oder es lag daran, dass er ungewöhnlich nett zu mir war. Er hatte noch keinen blöden Spruch gemacht und er spielte sich auch nicht so auf, wie sonst. Trotzdem war ich furchtbar nervös und das hörte man meiner Stimme an. Es war so viel einfacherer gewesen mit ihm zu reden, als ich betrunken gewesen war. Doch jetzt hatte ich permanent das Gefühl, er würde sich gleich über irgendeine Aussage von mir lustig machen. Und ich wusste, dass mich das mehr beeinflussen würde, als es eigentlich sollte.

„Und wieso bist du nicht ausgestiegen?"

„Ich habe die Station verpasst", entgegnete ich knapp.

„Hast du wieder verträumt in der Gegend rumgeschaut?", fragte er und lachte. Ich runzelte die Stirn. Er lachte freundlich, ehrlich. Nicht wie sonst, wenn er mir mit seinem Lachen zeigte, dass er sich über mich lustig machte. Seltsam.

„Nicht ganz, ich habe mit Mason gequatscht und dabei vergessen auszusteigen." Er drehte sich nun auch mit seinem Körper zu mir um und sah sich dann im Bus um.

„Hast du mit ihm telefoniert?" Ich schüttelte den Kopf.

„Er sitzt aber nicht im Bus. Wenn ihr so vertieft im Gespräch gewesen seid, warum bist du nicht mit ausgestiegen?", hakte er mit hochgezogener Augenbraue nach. Die Hitze in meinem Gesicht hatte sich gerade etwas beruhigt, als er mich mit dieser Frage jedoch in Erklärungsnot brachte, schoss sie mir erneut ins Gesicht. Schnell senkte ich meinen Kopf und starrte angestrengt den grauen Boden an. Ich hatte schon eine Antwort auf seine Frage, nur wollte ich ihm ungern erzählen, worüber Mason und ich gesprochen hatten. Also schwieg ich und Jayden akzeptierte das ungewöhnlicher Weise. Er musste mein Unbehagen mitbekommen haben und tat seine Frage mit der Äußerung: „Ist ja auch nicht so wichtig", ab. Daraufhin schwiegen wir. Ungefähr drei Minuten lang, bis der Bus endlich anhielt und ich mich von ihm verabschieden wollte. Aber er stand auch auf und ich erinnerte mich daran, dass er genau eine Station hinter meiner wohnte. Fuck, jetzt würde ich um eine unangenehme Situation mit ihm nicht mehr drum rum kommen. Draußen nieselte es leicht. Ratlos blieb ich vor der Bushaltestelle stehen und wartete darauf, dass sich Jayden von mir verabschieden würde. Mit uns waren zwei Mädchen ausgestiegen. Sie musterten uns kurz und liefen dann tuschelnd einen geraden Sandweg entlang.

Zufall oder Magie? (1. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt