Keine Sorge, hier kommt jetzt kein homophober Mist. Das Kapitel hier ist die angedeutete Fortsetzung aus dem Kapitel über Orions Liebesleben, in dem ich ja schon beschrieben habe, wie eigenartig es kam, dass Orion doch in einer Beziehung ist und anscheinend etwas wie Liebe für andere Menschen (außer sich selbst) empfinden kann. Hier möchte ich aber noch ein weiteres, wesentlich ernsthafteres Problem thematisieren.
Wirklich klargeworden ist mir das erst, als ich irgendwo eine Rezension zu einem der letzten Alea-Bände gelesen hatte (Eine 2-Sterne-Bewertung zu Band 7 auf Amazon). Und zwar, dass Orion viel zu sehr als der „schwule Bösewicht" dargestellt wird.
Das hat mir in vieler Hinsicht die Augen geöffnet, weswegen ich die Beziehung zwischen Jinx und Orion immer so komisch fand. Mit Homophobie hatte das nämlich nichts zu tun. Es ist eher im Gegenteil: Die Darstellung der Beziehung wirkt leicht homophob.
Bevor ihr mich jetzt komplett in Fetzen reißt, da Tanya Stewner natürlich eine der größten Autor-Aktivisten ist, wenn es um LGBTQ+ geht, lasst mich eins sagen: Die Darstellung wirkt unabsichtlich, fast so, als hätte sich Tanya Stewner selbst ein Eigentor geschossen.
Wahrscheinlich lief es so ab: Tanya Stewner dachte sich „Hm, auch böse Leute können Beziehungen führen, nur weil sie clever und sonst eher gefühlskalt sind, heißt das nicht, sie können überhaupt nicht lieben". (Wieder das Stereotyp von wegen gefühlskalt/emotionslos/böse/Genie → asexuell. Ein Stereotyp, unter das so ziemlich 90% aller asexuellen Charaktere fallen, also eines, das Tanya lieber vermeiden will). Dann war der Gedankengang „Hm, ich habe überhaupt noch kein schwules Paar, jetzt habe ich noch eine offene Beziehung und Jinx bietet sich als nahestehender Charakter mit mittelmäßiger Relevanz an". Und dann war es offiziell, Jinx und Orion sind nun wirklich ein Paar. Praktischerweise hat Thea dann auch noch einen zweiten Vater, das löst dieses Problem dann auch.
Nun gibt es aber ein Dilemma: Orion dreht völlig ab. War er vorher noch ganz witzig, so wird er von Buch zu Buch unsympathischer. Irgendwann habe ich ihn auch mal mit Magnus Bane verglichen (bei meinem Review zu Band 5 glaube ich), und das hat sich jetzt irgendwie verändert. Seine charmante und witzige Art, die ihn gleichzeitig sympathisch und gruselig macht, ist in den letzten Bänden etwas abhandengekommen. Seine Angst vor der Magie wurde mit dem Nixenfluch erklärt und seitdem hat auch er seinen Charakter ein wenig verloren. Er ist böse, er ist gerissen und er hat Angst vor Magie. Seine einzigen Charakterzüge. Ich fand ihn vorher eigentlich immer sehr interessant in seinen Gedankengängen, doch jetzt ist er ziemlich langweilig und auch sehr flach als Charakter. Er macht diese grausamen Dinge wie seine Tochter zu kontrollieren und zu genmanipulieren, ein Virus gegen Magische herstellen und Lennox den Herrenschwur verpassen zu wollen, aber er ist jetzt einfach nur böse und hat kaum tiefere Beweggründe.
Im Kontrast dazu kommt dann sein Liebesleben. Was genau daran komisch ist, habe ich jetzt schon mehrmals erklärt, den Schritt überspringen wir also.
Seine Dynamik zu Jinx ist einfach ein wenig eigenartig und von wahrer Liebe merke ich da nichts. Das sind eben zwei Charaktere, die noch niemanden zum rumknutschen hatten, also wurden sie verkuppelt. Eine typische Schwäche in der Jugendliteratur: Jeder braucht einen Partner. Auch, wenn die beiden nicht wirklich Chemie besitzen. Dazu kommt noch, dass Jinx Orion einfach so liebt – nie wurde erklärt, weshalb er bei Orions Plänen mitmacht und was seine Beweggründe sind. Die Landgänger haben halt eine reduzierte Moral, eine Vorliebe fürs organisierte Verbrechen und wollen das Geld, aber Jinx? Wir wissen so gut wie nichts über diesen Mann, außer dass er dünn ist, ein halber Venuit mit Schwimmhäuten, Theas Ziehvater, und Orion liebt. Der Kontrast von unserem Wissen über Orion im Vergleich zu Jinx ist ebenfalls einer der Hauptgründe, weshalb ihre Beziehung so komisch wirkt. Es gäbe kaum Veränderungen, wenn die beiden Freunde wären, Brüder, Kollegen, oder Jinx gar nicht existieren würde und alle seine Taten von einem namenlosen Untergebenen ausgeführt werden würden.Aber nun weniger zu Jinx, sondern mehr zu Orion. Denn was genau lässt seine Darstellung homophob wirken? Erst noch kurz die bereits erwähnten Gründe:
1. Seine Beziehung zu Jinx ist sehr unausgeglichen. Wir wissen über Jinx nicht viel, doch er himmelt Orion förmlich an. Die beiden führen keine Beziehung auf Augenhöhe.
2. Orion ist ziemlich böse. Sein neues Liebesleben ist, abgesehen von seiner Beziehung zu Thea (die auch nicht ganz gesund ist), der einzige Punkt, bei dem man an seine Menschlichkeit glauben soll und ihn „wie einen normalen Menschen" ansehen soll. War vielleicht als guter Punkt gedacht, läuft aber eher auf das Stereotyp des „schwulen Bösewichts"/„bösen Homosexuellen" hinaus.
3. Es gab keinen wirklichen Grund für die Beziehung. Orion wirkt immer noch nicht wie jemand, der eine Person wahrhaftig lieben kann, und ihre Beziehung ist Handlungs-technisch sehr irrelevant. Das läuft wiederum auf Punkt 2 hinaus.
4. Jetzt kommt die Stelle, bei der meine Abneigung erst so richtig entstanden ist: Band 7, ca. Seite 300. Wer jetzt nicht nachschlagen will: Der Herrenschwur.
Bei den Darkonern fand ich es noch okay. Orion veranstaltet eine „Bruderkuss"-Zeremonie (dieses Wort erst xD) für seine „treuen traditionsliebenden Mitstreiter", nur um diese anschließend mit einem Kuss zu versklaven. Kritisch, aber lasst ihn seinen Spaß haben (An der Stelle ignorieren wir mal den Worldbuilding-Fail des Jahrhunderts, bei dem die Darkoner als einziger Meermenschenstamm mit dunkler Haut nun tatsächlich ein Gen besitzen, das sie zu vollständigen Sklaven macht... Es hat was von JK Rowling, muss ich leider sagen). Ein wenig zu viel wird es dann doch, wenn das Ganze an Lennox, einem minderjährigen Jungen versucht wird. Ich möchte der Autorin damit wirklich nichts unterstellen, es ist einfach nur eine Anhäufung an unglücklichen und fragwürdigen Dingen, die zusammen eine sehr kritische Mischung ergeben...
Und jetzt haben wir den Salat. Orion wird sowohl von den Darkonern als auch von Alea, Thea und Lennox als absolut Irrer beschrieben, als er den Herrenschwur an Lennox versucht hat, aka versucht hat, ihn zu Küssen. Dazu kommt noch seine Sexualität, die am Anfang des Buches als „große Wendung" preisgegeben wurde, und damit unweigerlich mit dieser Herrenschwur-Szene verknüpft wird. Und schon ist Orion nicht mehr nur der böse schwule Mann, sondern auch der böse pädophile schwule Mann. Na super.
Dass ich mich darüber aufgeregt habe, ist nun hoffentlich verständlich. Ich habe wirklich nicht mit meinem Community-Post übertrieben als ich meinte, ich würde am liebsten jegliche Erinnerungen an diese Reihe dank dieser Szene auslöschen. Bei mir wurde da deutlich eine Grenze überschritten und ich finde es eigenartig, wie sich bislang nur eine einzige Person außer mir darüber aufgeregt hat.Und bitte, kommt mir jetzt nicht mit „Es war Plot-technisch verständlich". Nein, einfach nur nein. Es könnte mir nicht egaler sein, dass der Herrenschwur eben nur mit einem DNA-Austausch abgeschlossen werden kann, der mit einem Kuss wohl sehr effizient ist. Wenn man als Autor in so eine Situation gerät, in der eine Szene nur mit äußerst fragwürdigen Andeutungen umgesetzt werden kann, dann ändert man die Umstände einfach. Was ist denn mit dem schönen Blutschwur passiert? Ist zwar nicht sehr hygienisch, aber es ist ein weit genug verbreitetes Mittel, um es dem Buch abkaufen zu können. Von all den Dingen, die man hätte tun können! Selbst in My Hero Academia hat der Protagonist ein Haar von dem Typen gegessen, dessen Superkräfte er übernehmen wollte. Eklig, aber wenigstens nicht so fragwürdig.
War der Kuss wirklich die einzige Möglichkeit? Nur, um dann wieder massiven Fanservice zu betreiben, wenn Lennox dann Alea als „letzte Rettung" küssen muss? Urgh.Ich hoffe, ihr könnt mich ein wenig nachvollziehen. Ich finde die ganze Sache nämlich ziemlich zum Kotzen und musste das einfach mal loswerden. Für eine Reihe, die so für Diversität einsteht, ist das einfach ein massives Eigentor. Es ist einfach unglaublich, wie niemand vor der Veröffentlichung dachte, dass das einfach sehr komisch ist. Ich würde Frau Stewner gerne fragen, aber ich weiß nicht so recht, was ich überhaupt sagen sollte....
Jedenfalls, hiermit ist das Kapitel Orions Liebesleben also abgeschlossen. Vorerst zumindest, denn es gibt noch mindestens drei Bände, in denen sich einiges ändern könnte. Lasst mich gerne wissen, was ihr zu dem Thema denkt.
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Alea Aquarius - Gedanken & Theorien
FanfictionIn diesem Buch möchte ich ein paar Theorien, Gedanken, Kritiken etc. zu der Buchreihe Alea Aquarius ansprechen. Gerne können wir darüber diskutieren und Meinungen austauschen. :D (Inhalte in diesem Buch könnten Spoiler zu allen Alea Aquarius Bücher...