Die Situation setzte sich und das Leben pendelte sich langsam in einer neuen Normalität ein. Sirius verbrachte die Tage als Hund im Buchladen, Harry, Jules und Jerry waren begeistert von seiner Anwesenheit, insbesondere als er langsam kräftiger wurde und begann, mit ihnen zu spielen. Eine Woche, nachdem Sirius angekommen war, nahmen sie ihn sogar mit in den Park, auch wenn Mary sie nach zwanzig Minuten wieder nach Hause beorderte, weil sie sich Gedanken um Sirius' gerade heilende Lunge machte, der die Temperaturen um Null zwei Wochen vor Weihnachten sicherlich nicht gut taten.
Nach sieben Tagen, in denen Sirius sich unter ihrem strengen Blick langsam an eine normale Kalorienmenge herangearbeitet hatte, war die ständige Angst, dass sein Metabolismus nicht hinterher kam, gesunken. Mary warnte zwar, dass noch nicht alles geschafft war, aber alles in allem sah es danach aus, dass er wieder okay werden würde.
Er hatte sich ein beachtliches Stück seiner Haare abgeschnitten und war jetzt wieder bei einer Länge bis knapp zur Schulter. Mit Remus' Zauberstab hatte er seine Pflegezauber wieder aufgenommen und würde er noch wieder zunehmen, war er auf einem guten Weg, dass man ihm die letzten sechs Jahre bald nicht mehr äußerlich ansehen konnte.
Anders stand es um seine mentale Verfassung. An manchen Tagen war er kaum von dem Sirius zu unterscheiden, den Remus von vorher in Erinnerung hatte: dann scherzte er mit Remus und Mary abends, wenn die Kinder im Bett waren und Jerry unterwegs oder in seinem Zimmer war, beäugte neugierig Jerrys Make-up-Kollektion im Bad und las strahlend die Briefe von Remus, in denen er Jules' Leben beschrieb.
Aber so schnell wie ein Grinsen auf seinem Gesicht auftauchte, so konnte seine Stimmung auch wieder umschwingen. Dann war er wieder in Askaban, in der Kälte und Dunkelheit. Dann hielt er Remus fest oder verkroch sich als Hund winselnd unter einem Tisch. Dann suchte er Körperkontakt um jeden Preis. Noch schlimmer war es, wenn er ein Mensch war: dann machte er sich Vorwürfe, wie damals alles gelaufen war, dass er etwas hätte anders machen können, dass er hätte da sein müssen. Dann blätterte er wieder und wieder durch die Fotos von Jules und Remus und Mary und Remus konnte sehen, wie er sich mit jeder Faser seines Körpers wünschte, er könnte die Zeit zurückdrehen. Dann verlor er die Kontrolle und wurde wütend, wurde laut und dann still.
Es tat Remus in der Seele weh, seinen Kampf zu sehen und nichts tun zu können, außer ihm gut zuzureden und ihn zu halten, wenn er zusammenbrach.
"Es ist ok", sagte Sirius jedes Mal, wenn er den Tiefpunkt hinter sich gelassen hatte und es wieder besser wurde. "Ich bin ok."
Und Remus nickte dann, obwohl sie beide wussten, dass es nicht stimmte. Es war nicht ok. Vermutlich würde es noch eine ganze Weile dauern, bis es wieder ok war.
"Es ist ok, nicht ok zu sein", flüsterte Remus eines Abends, acht Tage nach Sirius Ankunft. Sirius schüttelte den Kopf.
"Nicht, wenn ich ein Vater für Jules und Harry sein will", sagte er. "Sie haben was besseres verdient, als jemanden, der in Panik verfällt, wenn Metall gegen Metall schlägt, weil es sich ein kleines bisschen so anhört wie die Zellentüren."
Remus musterte ihn.
"Ich glaube, die beiden würden sich in jedem Fall freuen, dich kennen zu lernen", sagte er vorsichtig. "Ich glaube, ihnen ist das egal."
"Aber mir ist es nicht egal!", antwortete Sirius scharf. Remus schwieg.
"Es ist deine Entscheidung", sagte er dann leise. "Aber wann immer du soweit bist, ich stehe hinter dir. Du gibst das Tempo vor."
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Wie sich herausstellte, gab Sirius nicht das Tempo vor. Denn wie Remus auf die harte Tour lernen musste, hatte er vollkommen unterschätzt, wie viel Aufmerksamkeit fürs Detail ein kleiner siebenjähriger Junge hatte, der in einem Haushalt aufgewachsen war, in dem es für ihn extrem wichtig war, auf kleine Details zu achten.
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Der Buchladen im Ligusterweg
FanfictionIm Ligusterweg gibt es einen Buchladen. Harry war nie drin, das hat ihm Tante Petunia verboten, aber er weiß, dass es ihn gibt. Er gehört einer kleinen Familie - der Vater arbeitet im Laden, die Mutter ist Lehrerin an seiner Schule, die Tochter zwei...