𝙲𝙷𝙰𝙿𝚃𝙴𝚁 𝙵𝙸𝚅𝙴𝚃𝙴𝙴𝙽

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~ „Zwei Menschen sind immer zwei Extreme." ~
(Friedrich Hebbel)

𝓝achdem ich eine gefühlte Stunde gefrühstückt hatte und mir überlegte, was ich mit mir anstellen sollte, lief ich durch die Villa.
Ich betrachtete die Kunstwerke in den Fluren und ging nochmals in jeden Raum, in der Hoffnung, irgendetwas zum Zeitvertreib zu finden.
Gerade war ich im oberen Stockwerk und öffnete die Tür zu einem weiteren Schlafzimmer.
Sollten hier irgendwo die Zimmer der Brüder sein, hätte ich nicht gewusst, welches zu wem gehörte. Egal in welches Zimmer ich auch ging, hier war rein gar nichts, was auf die Brüder schließen ließ. Nichtmal Alessandro's Geruch konnte ich in einem der Zimmer aus machen.
Ich schloss die Tür also wieder und sah auf das Kunstwerk neben der Zimmertür.
Van Gogh, laß ich in der unteren Ecke des Bildes.
Da ich mich nicht mit Kunst auskannte, konnte ich nicht sagen, ob das Bild echt war.
Wenn es echt war, mussten die Brüder mehr Geld besitzen als ich dachte.
Dann ging ich weiter den Flur hinauf und blieb vor der Tür stehen, an der Micaela mich gestern aufgehalten hatte.
Ich hielt den Atem an, presste mein Ohr gegen das kühle Holz der Tür und lauschte, ob ich dahinter Stimmen hörte. Da war nichts zu hören.
Zur Sicherheit sah ich durch das schmale Schlüsselloch und konnte auch hier niemanden erkennen. Der Raum war vollkommen leer.
Ich konnte lediglich einen Schreibtisch erkennen.
Vorsichtig drückte ich die Türklinke hinunter und die Tür ließ sich ganz einfach öffnen.
Wenn die Brüder doch nicht wollten, das ich bestimmte Räume betrat, wieso schlossen sie diese dann nicht ab?
Leise schlich ich in den Raum und schloss die Tür hinter mir. Dann sah ich mich um.
Gegenüber von der Eingangstür, an der ich stand, stand ein riesiger Schreibtisch mit einem Stuhl. Auf der Tischplatte waren überall Blätter verteilt, hinter dem Schreibtisch lag ein großes Fenster.
An den seitlichen Wänden stand auf einer Seite eine Couch mit einem Tisch und einer Vitrine mit Alkohol darin. Auf der anderen Seite standen Aktenschränke, die offen standen. In den Schränken standen Unmengen an Ordnern und ein Tresor.
Da drin ist bestimmt mein Handy, dachte ich.
Doch irgendwie interessierte mich das nicht wirklich. Bei wem sollte ich mich auch melden?
Selbst wenn Grace mich wahrscheinlich mit Nachrichten und Anrufen bombardiert hatte, hatte sie keine Antwort verdient.
Sie konnte sich ruhig weiter Sorgen machen.
Ich ging zu dem Schreibtisch rüber und warf einen Blick auf die losen Blätter.
Auf ihnen standen irgendwelche Zahlen, Berichte und Auswertungen. Wahrscheinlich Buchführungskram, also Dinge, die ich nicht verstand.
Ich schob die oberen Blätter etwas beiseite und fand Fotos von irgendwelchen Männern.
Einige von ihnen waren durchgestrichen und mit dem Wort eliminiert versehen.
Plötzlich fühlte sich meine Kehle ziemlich trocken an und ich musste mehrfach schlucken.
Mir war nicht klar, wer diese Männer waren, aber musste man sie direkt töten?
Schnell bedeckte ich die Fotos wieder mit den anderen Dokumenten und sah auf.
Vor Schreck fuhr ich zusammen, als ich Cristiano mit verschränkten Armen an dem Türrahmen gelehnt sah. Wütend funkelte er mich an.
Ich sah ihn zum ersten Mal so und mir fiel auf, das seine Augen genau so dunkel wurden, wenn er sauer war, wie bei den anderen beiden.
Fluchtartig ging ich einige Schritte von dem Schreibtisch zurück und stolperte fast über meine eigenen Füße.
„Wie lange stehst du da schon?", stotterte ich.
„Lange genug um zu wissen, das du rumgeschnüffelt hast.", seine Stimme war ruhig, zu ruhig.
„Ich...", meine Stimme brach.
„Es gibt zwei Räume in diesem Haus, die du nicht betreten solltest, Sonnenschein. Das ist einer davon.", mit großen Schritten kam er auf mich zu und blieb vor dem Schreibtisch stehen.
Ich war dankbar dafür, das der Tisch mir zumindest etwas Schutz gab, er sah nämlich so aus, als würde er mich gleich anspringen wollen.
„Also? Was willst du hier?", fragte er dann.
Als ich nicht reagierte, schlug er mit den flachen Händen auf die Tischplatte und lehnte sich über sie. Es knallte so laut in meinen Ohren, das ich wieder zusammen zuckte. So wütend hatte ich Cristiano bis jetzt noch nicht erlebt.
Am Anfang machte er mir eher den ruhigen und verständnisvollen Eindruck, aber da hatte ich mich wohl geirrt.
Plötzlich wurde ich wütend.
Wieso ließ ich mich von ihm einschüchtern?
Es war doch nicht mein Fehler, das der Raum offen war.
Jetzt drückte ich meine Schultern durch, ging wieder auf den Schreibtisch zu und lehnte mich auch darüber.
Nun standen wir Nase an Nase voreinander und funkelten uns gegenseitig wütend an: „Wieso habt ihr dann nicht abgeschlossen?"
Cristiano fing an zu lächeln, er wusste genau worauf ich hinaus wollte: „Weil es reicht, wenn wir sagen, was du zu tun und zu lassen hast."
„Pfft.", machte ich und verdrehte die Augen: „Anscheinend nicht. Ich lasse mir von euch nichts sagen."
Sein Lächeln wurde breiter: „Fragt sich nur, wie lange noch, Sonnenschein."
Ich stelle mich wieder gerade hin und verschränkte die Arme vor meiner Brust.
Dabei zog ich eine Augenbraue in die Höhe: „Aha, willst du mich jetzt bestrafen?"
In seinen Augen blitzte etwas auf, was zu schnell wieder verschwunden war, um es zu benennen.
Dann richtete auch er sich wieder auf und ging langsam um den Schreibtisch.
Wie ein Löwe der seine Beute jagte, ließ er mich nicht aus den Augen. Innerlich fing ich an zu zittern und wusste nicht, ob vor Angst oder vor Aufregung. Jedenfalls wollte ich es mir nicht anmerken lassen und blieb einfach stehen.
„Vielleicht.", raunte er, kurz bevor er mich erreicht hatte.
Um ihn zu provozieren, fing ich an zu lachen: „Ich habe keine Angst vor dir."
So sicher war ich mir da jedoch nicht.
Seid er den Raum betreten hatte, konnte ich Cristiano überhaupt nicht mehr einschätzen.
Diese Art und Weise an ihm, hätte ich ihm niemals zugetraut. Dennoch brannte etwas tief in mir darauf zu erfahren, was denn nun diese Bestrafung sein sollte.
Genau das war doch der Grund, warum ich versuchte, die Brüder zu provozieren.
Als er direkt vor mir stand, baute er sich auf.
Ich musste meinen Kopf leicht in den Nacken legen, um den Blickkontakt nicht zu unterbrechen. Würde ich das tun, hätte ich verloren und würde ihm damit zeigen, das ich schwach war.
Während er mir tief in die Augen sah, leckte er sich über die Lippen.
Sofort reagierte mein Körper mit einem Kribbeln darauf und mir fiel es schwer, ruhig zu atmen.
Das war kein Angstgefühl, ganz im Gegenteil.
Ich wollte das er mich nahm, mit genau dieser Wut die in ihm war.
Erstaunt von mir selbst, schüttelte ich leicht den Kopf. Was war denn bloß los mit mir?
Direkt fiel Cristiano meine kurze Unsicherheit auf und sein Grinsen wurde noch breiter: „Du hast gedacht, ich wäre der Ruhige von uns Dreien. Der sentimentale und gefühlvolle kleine Bruder. Habe ich recht? Du hast dich verschätzt, Sonnenschein. Ich bin das Feuer."
Das Kribbeln in mir wurde intensiver und nahm mir fast den Verstand.
„Du willst das Feuer sein?", der Drang ihn noch mehr zu provozieren war einfach zu groß.
Ich lächelte: „Dann zeig es mir."
Die Luft um uns fühlte sich wie elektrisiert an.
Mein Körper vibrierte förmlich vor Anspannung, was nun passieren würde. Cristiano's Augen wurden noch dunkler und dann erkannte ich auch, was eben in ihnen aufgeblitzt war.
Es war Begierde.
Die feinen Härchen auf meiner Haut richteten sich auf. Bevor ich wusste was jetzt passierte, packte Cristiano nach meinen Händen.
Blitzschnell drehte er mich, fixierte meine Arme wie bei einer Polizeifestnahme hinter meinem Rücken und drückte mich mit meinem Becken gegen die Tischplatte.
Kurz baute sich ein dumpfer Schmerz in meinen Hüften auf, der sich aber umgehend in etwas verwandelte, das mich nur noch mehr anspornte.
„Du willst bestraft werden? Das kannst du gerne haben, Sonnenschein.", raunte er in mein Ohr.

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