xxxvii. tempel der melitele

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»Melitele«, flüstert Ciri und klingt dabei bedächtig.

»Göttin der Fruchtbarkeit und Ernte.«

Kalea kommt aus dem Staunen nicht heraus, als sie den Tempel erreicht haben. Es ist, als wäre sie in ein anderes Jahrhundert gelangt. Sie würde den Tempel fast schon als einen Palast bezeichnen.

Riesig hat er sich hinter dem Hügel erstreckt, den sie zu dritt erklommen haben, nachdem Geralt das Monster, das ihm Plötze genommen hat, getötet hat. In diesem Moment war Geralt der, von dem alle sprechen. Der weiße Wolf. Der Schlächter der Blaviken. Und dennoch hatte Kalea keine Angst.

Sie weiß, dass die drei in den vielen Stunden, die sie in Kaer Morhen verbracht haben, sie durch die endlosen Wälder gestreift sind und sie dem Tod ins Auge gesehen haben, zu einer Familie geworden sind.

So fühlt es sich für Kalea an, wenn sie zwischen Geralt und Ciri läuft. Wie eine Familie. Eine, die sie in ihrer Welt nie hatte. Irgendwann auf ihrer verrückten Reise, ist sie zu einem Bewohner des Kontinents geworden und es ist ihr egal, wem oder was sie es zu verdanken hat, dass sie hier gelandet ist.

Hier kann sie das erste Mal, sie selbst sein. Kalea hat sich auf der Erde gefühlt, wie ein Löwe im Zoo. Eingesperrt, einsam und mit dem Wissen, dass sie dort nicht hingehört.

Der Tempel strahlt in einem freundlichen Beigeton, während bunte Gläser, wie die in Kirchen, Licht hineinlassen. Kalea lässt den Blick über die Statue der Göttin Melelite schweifen. Wenn sie es nicht besser wüsste, dann würde sie denken, dass sie sich im alten Griechenland befindet.

Ihr Blick gleitet vorbei an der Statue zu Frauen die in orangenen Gewändern an ihnen vorbeilaufen, dem Trio aber keinem Blick schenken.

»Ist das hier sowas wie eine Sekte?«, murmelt sie leise und starrt einer der Frauen hinterher, die stumm hinter einer Ecke verschwindet und sie sich nun alleine vor der Statue befinden.

»Eine Sekte?«, fragt Geralt verwirrt. Seine buschigen Augenbrauen heben sich nach oben.

»So nennt man eine religiöse, politische oder philosophische Richtung und ihre Anhänger. Es ist ziemlich krass und ist alles eigentlich nur Manipulation«, versucht sie es so einfach wie möglich zu erklären.

»Oh, die Melitele sind keine Sekte – denke ich. Es ist eine Tempelschule. Die meisten Absolventen der Tempelschule werden meistens Hebammen, Historiker, Heiler-« »Oder Hexer«, unterbricht Geralt die jüngere Frau und überrascht blickt Kalea zu Geralt.

»Hexer?«, echot sie und Geralt nickt ganz leicht.

»Vesemir hat mich hierher geschickt, als ich in Ciris Alter war. Hier lernten wir die Hexerzeichen.«

Kalea geht nur ein Gedanke durch den Kopf und als Geralt sie lesen könnte, zucken seine Mundwinkel. »Ja, früher war ich auch ein Kind.« Mit diesen Worten lässt er die beiden Frauen stehen.

Kurz darauf werfen sie sich einen Blick zu, der wohl das gleiche sagt. Dann folgen sie dem großgewachsenen Hexer durch den Tempel.

Sie folgen dem langen Gang und kurz zuckt Kalea erschrocken zusammen, als aus einer Ecke sich eine brünette Frau löst, die das gleiche orange Gewand wie die anderen anhat. Geralt neigt leicht seinen Kopf vor ihr, bevor er seine geliebte Waffe in ihre Hände legt und sie damit verschwindet.

Kalea fällt es nicht leicht, sich in dieser fremden Umgebung zu entspannen, doch wenn Geralt keine Gefahr wittert, dann scheinen sie wirklich in Sicherheit zu sein.

Neugierig wandert ihr Blick umher, während Geralt wieder etwas über den Tempel erzählt. Aber auch Ciri sieht sich begeistert um, als sich eine ältere Frau sich zu den dreien gesellt und Kalea sich ein weiteres Mal erschreckt.

another world- geralt von rivaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt