ii. kikimora

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»Wo reiten wir hin?«, durchbricht Kalea irgendwann die Stille.

Sie weiß nicht wie lange sie schon unterwegs sind, auf jeden Fall bewundert sie, dass Geralt so eine Ausdauer besitzt – erstens, hat er kein weiteres Wort gesagt und zweitens, scheint er nicht annähernd Müde zu sein.

Im Gegensatz zu Kalea. Sie spürt, wie die Müdigkeit ihren Körper emporkriecht und das sachte Schaukeln ihr Übriges dazu beiträgt. Doch sie will es sich nicht anmerken lassen.

»Dorthin, wo der Weg uns bringt«, ist seine Antwort und Kalea seufzt leise auf. Selbst ein Stein wäre gesprächiger und würde ihr mehr beantworten als Geralt. Doch sie will ihn nicht verurteilen.

Ein Blick in seine Augen hat gereicht und sie hat bemerkt, dass er Dinge gesehen haben muss, die für sie unbegreifbar sind. Welche, die sie nicht mal aus ihren schlimmsten Albträumen kennt.

»Ist es nicht einsam so alleine?«, redet sie weiter.

Geralt ist diese Stille bestimmt gewohnt, er sieht nicht so aus, wie einer, der gerne in Begleitung reist; doch Kalea würde in dieser ständigen Einsamkeit verrückt werden.

Doch sie ist es auch nicht gewohnt. Sie sind seit Stunden unterwegs und bis auf die Spinne und Geralt, hat sie hier keine andere Seele gesehen.

Vielleicht noch den ein oder anderen Vogel oder einen Schmetterling, der in so bunten Farben gestrahlt hat, dass Kalea ihn mit offenem Mund angestarrt hat.

Hier, wo auch immer das ist, ist alles so anders.

Vollkommen anders, selbst der Wald kommt ihr so seltsam vor. Wobei es ein normaler Wald ist, doch während sie durch die Bäume reitet, kommt es ihr vor, als würden die Bäume miteinander reden; als würden sie ihr und Geralt Geschichten aus längst vergangener Zeit erzählen.

Kalea hat in einer Großstadt gewohnt, war ständig von Menschen umgeben. Sie kannte zwar die meisten nicht, doch im physischen Sinne war sie niemals allein. Im Psychischen dafür umso mehr, doch das war ihre Schuld.

Sie hatte eine beste Freundin, Luna. Sie haben wirklich alles zusammen erlebt; ihren ersten Schultag, der erste Tag auf der weiterführenden Schule, die ersten festen Freunde. An keinem der wichtigsten Tage im Leben eines Mädchens waren sie alleine gewesen.

Sie haben sich alles erzählt, über andere Personen gelästert, den neuesten Tratsch ausgetauscht, über süße Jungs geredet.

Doch wie es oft ist, hält eine Freundschaft nicht lange. Sie haben es sich geschworen; Freunde für immer. Egal, was kommt, sie bleiben zusammen.

Spoilerwarnung: Das Leben läuft nie so.

Leute kommen, Leute gehen. Freundschaften entstehen, Freundschaften zerbrechen.

»Ich bin nicht einsam«, sagt er und streicht kurz den Hals seiner braunen Stute.

Klar, er hat Plötze.

»Aber sie antwortet nicht? Ich meine, Pferde sind toll, schon klar. Früher bin ich auch gerne geritten, doch sie können niemals einen Menschen ersetzen«, redet Kalea einfach weiter.

»Hm«, brummt Geralt und läuft einfach weiter.

»Du machst es mir echt nicht einfach.«

Kalea spielt verträumt mit der Mähne von Plötze, während sie wieder ihren Gedanken nachhängt.

»Aber du bist wohl nicht der Mann der vielen Worte...«, murmelt sie leise.

Gibt es hier auch etwas anderes, als diesen gottverdammten Wald?

Immerhin muss doch irgendwann mal etwas anderes kommen. Vielleicht eine andere Zivilisation, oder irgendetwas. So langsam kann sie die Bäume nicht mehr sehen, Kalea ist sich sicher, in den Letzten paar Stunden hat sie mehr Bäume gesehen, als bisher in ihren Leben.

another world- geralt von rivaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt