xl. epilog

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›Willkommen zurück.‹

Willkommen. Zurück. Willkommen zurück... Sollte man sich über diese Worte nicht freuen? Sollte man nicht die Erleichterung, die die Venen emporkriecht, spüren, wenn man aufgewacht ist?

Aufgewacht aus dem Koma. Alles das, was sich so echt angefühlt hat, war eine einfache Lüge. Wobei es keine Lüge war, keine von Menschen erzählte Lüge. Kaleas Verstand hat ihr einen Streich gespielt, hat sie durch die Hölle gehen lassen, damit sie das findet, nachdem sie sich schon so lange sehnt: eine Familie.

Eine Familie, die sie sich selbst erträumt hat. Eine, die nicht echt ist und es niemals war. Aber wieso hat sich das alles so real angefühlt?

Als hätte Geralt sie wirklich so berührt. Warum spürt sie immer noch diese mütterliche Liebe, wenn sie an Ciri denkt? Ist es wahr, dass ihr Körper ihr so einen bittersüßen Streich gespielt hat, der ihr gezeigt hat, was ihre sehnlichsten Wünsche sind, nur um ihr auf schmerzhafteste Art zu zeigen, dass sie die nicht kriegen kann.

Dass sie alleine ist. Niemand hat. Niemanden bis auf Luna, die besorgt auf sie herabblickt, während Kalea starr an die weiße Wand sieht.

Wie konnte ihr eigener Körper sie so verraten?

»Kalea, ich weiß, du warst einige Zeit im Koma, aber du machst mir wirklich Angst«, murmelt ihre beste Freundin.

Seit drei Tagen ist Kalea aus dem Koma erwacht. Seit drei Tagen spricht sie kein einziges Wort, starrt stumm an die weiße Wand, als hätte sie die Hoffnung, die Wand würde sich aufmachen und sie könnte zurück auf den Kontinent flüchten.

Der Kontinent...

Seit wann hat sie so eine blühende Fantasie, dass sie sich die ganzen Monster ausdenken konnte? Der Schmerz, den sie gefühlt hat, als die Kikimora ihre Zähne in ihr Fleisch gegraben hat, ihr Herz, das noch nie so geschmerzt hat, als Yennefer Geralt geküsst hat, kann das alles eine Täuschung gewesen sein?

Der Koma kam ihr lebendiger vor als ihr ganzes Leben.

»Ich war so oft da wie es ging, habe mit dir gesprochen, so wie ich es jetzt tue... Es gab Augenblicke, in denen ich gedacht habe, dass du mich hören kannst. Auch die Ärzte haben von Komapatienten berichtet, denen es möglich war zu verstehen, was man ihnen gesagt hat...«

Luna redet und redet. Kalea hört die vertraute Stimme ihrer besten Freundin zu, ohne darauf zu reagieren. Sie spürt eine innere Leere, die nicht einmal die fröhliche Luna füllen kann.

»Hast du mich verstanden?«

Immer noch antwortet Kalea nicht. Sie ist in ihrer eigenen Welt... In einer Welt ohne Geralt und Ciri.

Sie existieren nicht. Wie soll sie das verstehen, dass das alles, was sich so richtig angefühlt hat, einfach nicht echt war?

Ob sie verrückt wird?

»Ich habe mir versucht vorzustellen, wie es ist, im Koma zu liegen. Wie ein endloser Traum, der einfach nicht aufhören will... Ich dachte vielleicht, du würdest dich langweilen, also habe ich mein iPad mitgenommen und mit dir the Witcher geschaut – du weißt, die Serie mit Henry Cavill, die ich dir schon so lange zeigen wollt-«

Kalea dreht hektisch ihren Kopf um. Die plötzliche Bewegung schmerzt und zieht durch ihren gesamten Körper, bis zu ihrem Kopf.

»T-the Witcher?« Ihre Stimme ist heiser, krächzend, als hätte sie sie lange nicht mehr benutzt, was der Wahrheit entspricht.

Lunas Augen glänzen, als Kalea sich das erste Mal richtig bewegt, sie sich aufmerksam macht. Dass sie dabei nur interessiert über die Serie ist, die sie Tag für Tag neben Kalea laufen lassen hat, ist ihr irrelevant.

another world- geralt von rivaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt