xi. vermeidung

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Das erste, was Kalea spürt, als sie das nächste Mal ihre Augen öffnet, ist Erleichterung. Darüber das sie gerettet worden war, dass sie zwar gegen ihren Willen berührt wurde, doch dass Geralt kam und sie vor dem schlimmsten bewahrt hatte. Kalea fühlt sich eklig, überall auf ihrem Körper spürt sie Fendirs Hände. Wie sie sich um ihre Brust schließen, sie hart kneten, wie seine Spitze über ihren Hintern streicht, er ihr immer näher kommt. Wie Kalea verzweifelt versucht hat, sich zu wehren. Ihr Herz rast in ihrer Brust, als wäre sie gerade einen Marathon gerannt und hätte den ersten Platz belegt. Die panische Angst steht ihr in den Augen geschrieben.

»Hey, Kalea. Alles gut«, murmelt eine bekannte Stimme, Kalea hebt ihren Kopf und ihr Blick fällt auf Geralt, der besorgt auf sie hinunter sieht. Plötzlich macht er einen vorsichtigen Schritt auf sie zu, kniet sich neben sie und stützt sich mit seinem einen Arm an der Pritsche ab, auf der sie liegt. Bevor er seine Finger über ihre Wange gleiten lässt, Kalea zuckt über die plötzliche Bewegung zusammen, doch dann entspannt sie sich, während er sanft ihre Tränen wegwischt. Kalea hat nicht bemerkt, wie sie angefangen hat zu weinen.

Doch in dem Moment, als sie es bemerkt, laufen ihr die Tränen hemmungslos übers Gesicht. Ihr ganzer Körper zittert und ihr ist so endlos kalt, obwohl im Raum der Kamin brennt und eine angenehme Wärme spendet.

Geralt seufzt leise. Er hat es geahnt, beinahe kommen sehen. Kalea ist eben manchmal dieses naive Mädchen, das stets an das gute im Menschen glaubt. Doch Menschen sind grausam. Grausamer als Monster.

»Er wird dich nicht mehr berühren«, murmelt er leise. Plötzlich spricht er sie nicht mehr förmlich an, es ist ihm automatisch über die Lippen geglitten. Doch sie haben so viel erlebt, es ist nicht mehr nötig, sich auf irgendwelche Höflichkeiten zu versteifen. Er ist überfordert mit der Situation. Kalea liegt schluchzend vor ihm, krallt sich an ihm fest und nässt sein Oberteil.

Da kommt ihm eine Erkenntnis, er will sie beschützen. Vor jedem einzelnen Monster, vor jedem schmierigen Blick, die sie oft zu spüren bekommt. Irgendwas hat die blonde, zierliche Frau mit den großen, strahlend blauen Augen in ihm berührt und sein eiskaltes Herz zum Schmelzen gebracht - ohne es geahnt zu haben, hat sie den Hexer zu Gefühlen verleitet - zu denen er eigentlich nicht imstande sein sollte.

»Du hattest Recht...« Geralt schließt seine Augen. Ja. Er hatte Recht. Er hat es kommen sehen, das weiß sie, das weiß er. Es ihr so zu sagen, wäre unfair. Viel lieber will er wieder ihr schönes Lächeln sehen, in ihre unschuldigen Augen schauen und nicht diesen verdammten Schmerz sehen müssen, den Fendir ihr zugefügt hat.

»Kalea, nicht...«, die Art wie er ihren Namen sagt, erinnert Kalea an ein liebliches Frühlingsgedicht. So als wäre zwischen ihnen etwas neu erblüht, was zuvor schon dagewesen war, doch nur unter der Oberfläche geschlummert hat.

Kalea fühlt sich dreckig. Während sie sich an Geralt klammert, seine Muskeln spürt, kommt immer wieder der Ekel in ihr auf. Sie will das nicht. Sie will sich nicht so schrecklich fühlen.

Aber warum fühlt sie sich so scheiße? Warum nicht Fendir? Warum geben sich immer die Frauen die Schuld, wenn sie vergewaltigt werden oder dem gerade so  entkommen?

»Geralt?«, haucht sie leise. Ihre Tränen sind versiegt, ihre Augen brennen und sie weiß, wie schrecklich verheult sie aussehen muss, doch Geralt sieht sie immer noch an, als wäre sie sein größter Schatz. Seine letzte Hoffnung, die ihn vor sich selbst rettet.

»Kalea?«, sagt er ruhig seinen Atem.

Immer noch ruht seine Hand leicht auf ihrer Wange. Mit großen Augen sieht sie ihn an, ihre Lippe zittert leicht. Kalea fühlte sich schmutzig, benutzt, allein und doch nicht allein gelassen, Geralt war da. Er hatte sie gerettet. Vor einem Weg ohne Wiederkehr bewahrt.  Sie will die ekelhaften Berührungen von Fendir vergessen und sich einfach wieder gut fühlen. Bevor sie über ihre nächste Handlung überhaupt nachdenken kann, hat sie sich schon nach vorne gebeugt.

another world- geralt von rivaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt