Eddie sah mich besorgt an, ehe er sich zu mir aufs Sofa setzte und meine Hand nahm. „Ava, er sitzt im Knast. Es kann unmöglich Billy gewesen sein." versuchte er mich zu beruhigen. Meine Tränen versiegten langsam, aber ich konnte nicht aufhören zu zittern, ich hatte definitiv etwas gesehen. „Was wenn nicht? Was, wenn er abgehauen ist?" sagte ich, mit zitternder Stimme. Eddie drückte meine Hand fester und sah mich nachdenklich an, bis er aufsprang und nach dem Telefon griff. „Was hast du vor?" fragte ich verwirrt. „Ich rufe Hopper an." Nach einem kurzen Gespräch mit ihm, stellte sich heraus, dass Billy ganz sicher noch in seiner Zelle saß.
Hatte ich mir das tatsächlich nur eingebildet? Das konnte nicht sein, ich wusste, was ich gesehen hatte. Lange lag ich in Eddies Armen auf dem Sofa, bis ich endlich aufhörte zu zittern. „Es tut mir leid." sagte ich kleinlaut. „Was tut dir leid?" fragte er. „Das ich den Abend versaut habe, mit meiner blühenden Fantasie." „Mach dir darüber keine Gedanken Babe. In Forest Hills gibt es einige Spinner. Vielleicht hat tatsächlich jemand durchs Fenster geschaut. Irgendein perverses Schwein, der sich an dir aufgeilen wollte und der sah Billy vielleicht einfach ähnlich. Es tut mir leid, dass ich die Vorhänge nicht zugezogen hab. Wenn ich das Schwein erwische, bekommt er, was er verdient." ich spürte, wie er sich vor Wut anspannte. „Schon gut Eddie, es ist nicht deine Schuld. Ich hab dich doch überfallen. Über Vorhänge hab ich auch nicht nachgedacht." wir lachten nun beide und unsere Stimmung lockerte sich. „Vielleicht hast du Recht, wahrscheinlich drehe ich einfach durch, wegen der Verhandlung. Es fühlt sich so an, als ob ich langsam verrückt werde." „Bist du das nicht schon lange? Immerhin bist du mit dem größten Freak der Stadt zusammen." neckte er mich. „Naja, da ich selbst ein Freak bin, ist das schon okay denke ich." und wieder mal schaffte er es, mich aus meinen dunkelsten Gedanken zurück ins Licht zu holen.
Wahrscheinlich hatte Eddie recht und es war tatsächlich nur ein Schatten oder ein Perversling, der uns beobachtet hatte. Auch wenn diese Vorstellung widerlich war, war es immer noch besser als Billy. Es war schon recht spät und nach all der Aufregung, wollte ich nur noch ins Bett. Wir kuschelten uns gemeinsam in die Decke und lauschten leise der Musik von Metallica. In dieser Nacht wurde ich immer wieder von Alpträumen und Erinnerungen an Billy geweckt, doch jedes Mal konnte mich Eddies Herzschlag, den ich an meiner Brust spürte, weil er mich von hinten fest in seinem Arm hielt, wieder beruhigen.
Völlig übermüdet stand ich auf, als die ersten Sonnenstrahlen, durch die Vorhänge auf mein Gesicht trafen. Eddie war heute anscheinend schneller als ich, denn er lag nicht mehr neben mir. Ich zog mich an und ging in die Küche und unmittelbar hob sich meine Laune. Eddie stand am Herd und machte Pancakes. Ich hätte nie gedacht, dass er jemand wäre, der sich freiwillig in die Küche stellte, doch er schaffte es immer wieder mich zu überraschen. Ich setze mich lächelnd an die Theke und sofort stellte er mir eine Tasse Kaffee hin. „Guten Morgen, Prinzessin." er beugte sich über die Theke und drückte mir einen flüchtigen Kuss auf, ehe er sich wieder der Pfanne widmete. „Guten Morgen. Was machst du da?" fragte ich und merkte sofort, wie dämlich diese Frage ist. Es war ja offensichtlich, was er tat. „Ich wollte dich überraschen, ich hatte gehofft du schläfst etwas länger." Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Die einzige Person, die so etwas je für mich getan hatte, war meine Mum. Kleinlaut, aber mehr als gerührt antworte ich „Danke." und lächelte ihn an.
Wir aßen gemeinsam und den Rest des Tages verbrachten wir im Bett. Schauten Filme, hörten Musik, zwischenzeitlich spielte Eddie mir etwas auf seiner Gitarre vor, liebten uns und zum ersten Mal seit langem rauchten wir auch wieder einen Joint. Wir lachten und redeten viel. Ich war überzeugt, dass nach der Verhandlung und mit Eddie an meiner Seite, mein Leben endlich beginnen könnte. Wir könnten, als den Mist, der letzten Monate vergessen, all den Schmerz hinter uns lassen und in Ruhe unsere Trauer verarbeiten. Miteinander. Glücklich und ohne meine dauernde Angst, Billy wieder zu begegnen.
Auch die ersten zwei Schultage verliefen ruhig und zum Glück ohne Panikattacken, auch wenn alle mich anstarrten, als wäre ich eine Außerirdische, aber das war ja zum Glück nichts neues für mich. Eine Außenseiterin war ich schon immer. Libby wich mir kaum von der Seite und es war schön, endlich wieder mit ihr reden zu können. Sie lenkte mich ab, in dem sie sich mit mir über normale Sachen unterhielt, zwar interessierten mich ihre Eroberungen der neusten Mode nicht sonderlich viel, aber es tat gut Zeit mit ihr zu verbringen. Eddie ließ mich keine Sekunde aus den Augen und wenn wir keinen gemeinsamen Unterricht hatten, wartete er beim Klingeln bereits vor meinem Klassenzimmer auf mich. Alles in allem fühlte ich mich gut. Aber Dienstagabend kam die ganze Anspannung zurück. Nur noch weniger Stunden und ich würde meinem Peiniger wieder gegenüberstehen.
Meine Eltern würden uns morgen früh abholen und zum Gericht fahren und sie alle würden die ganze Zeit bei mir sein, doch das half nicht wirklich. In dieser Nacht tat ich kein Auge zu und auch Eddie blieb wach. Ich versuchte ihn fast die ganze Nacht zu überreden, dass er wenigstens ein paar Stunden schlafen sollte, doch er wollte mich nicht mit meiner Angst alleine lassen. Und wieder zeigte sich, dass er perfekt war. Wir redeten kaum und auch am Morgen, als ich meine frisch gebügelte Bluse und eine Jeans ohne Löcher anzog, die wir gestern noch bei mir abgeholt hatten, war ich nicht in der Lage viel zu sprechen. Eddie akzeptierte das und versuchte erst gar nicht, dass Gespräch zu suchen.
Nervös zupfte ich an meiner Bluse herum, als wir auf der Rückbank im Auto meiner Eltern saßen, Eddies Hand ruhte auf meinen Oberschenkel und streichelte sanft mit dem Daumen darüber, doch auch das half diesmal nicht. Im Gericht wurden wir vorerst in einen Vorraum gebracht und mussten dort darauf warten, dass ich aufgerufen werden würde. Meine Eltern setzten sich bereits ins Publikum, damit wir nicht mit 4 Leuten in den Gerichtssaal laufen müssten. Die Stunden vergingen nur langsam und meine Angst wuchs mit jeder Minute. Ich wollte es einfach hinter mich bringen.
Nach fast fünf Stunden wurde ich aufgerufen und mein Herz bleib beinahe stehen, als ich meinen Namen hörte. Eine junge Frau, ich würde schätzen etwa 30 Jahre alt, stand im Türrahmen. Offensichtlich arbeitete sie hier und war sowas wie eine Sekretärin. Als sie meinen Namen erneut sagte, weil ich nicht reagiert hatte, lächelte sie mich verständnisvoll an. Ich drückte noch einmal Eddies Hand, die ich die ganze Zeit festhielt und stand dann langsam auf. Ich merkte, wie meine Beine zitterten. Eddie nahm mich in den Arm und küsste liebevoll meine Stirn. „Du schaffst das Baby, denk dran. Ich bin die ganze Zeit bei dir." flüsterte er mir ins Ohr. Nun gab es kein Zurück mehr. Nervös klammerte ich mich noch immer an Eddies Hand fest, während wir der Dame bis zum Gerichtssaal folgten. Vor der Tür ließen Eddie und ich uns los. Ich atmete tief durch und im selben Moment, öffnete sie die Tür für uns. Eddie setzte sich sofort neben meine Eltern ins Publikum und zu meiner Freude, musste ich feststellen, dass Wayne auch dort saß. Libby und Dustin wollten auch kommen, doch ich hatte sie gebeten weg zu bleiben. Ich brauchte nicht noch zwei weitere Leute in meinem Leben, die jedes Detail, von dem was mir widerfahren ist, wussten.
Langsam betrat ich den Gerichtssaal und unmittelbar entdeckte ich ihn. Ich versuchte ihn nicht anzusehen, doch als ich sein widerliches, herablassendes Grinsen bemerkte, konnte ich nicht anders, als ihn wütend anzustarren. Ich erstarrte förmlich und blieb mitten im Gang stehen. Billys Grinsen wurde immer breiter. „Na hast du deinen Freak als Wachhund mitgebracht?" es lief mir eiskalt den Rücken herunter, als ich seine Stimme hörte. „Mr. Hargrove. Das ist meine letzte Warnung. Beim nächsten Zwischenruf wandern Sie direkt wieder in Ihre Zelle und bleiben dort, bis zum Ende der Verhandlung." ermahnte ihn der Richter, den ich erst jetzt wahrnahm. Er war ein älterer Mann, mit einem kugelrunden Bauch und die letzten Haare auf seinem Kopf, waren schneeweiß. Er schaute zornig zu Billy, denn offensichtlich war das nicht seine erste Störung. Ich drehte mich um und sah, wie Wayne Eddie auf der Bank hielt, denn scheinbar war er stinksauer und wäre am liebsten auf Billy losgegangen. So einen Blick hatte ich bei ihm noch nie gesehen.
Der Richter lächelte mich freundlich an und deutete mir auf dem Podest neben sich Platz zu nehmen. Ich nahm all meinen Mut zusammen, atmete tief durch und ging so selbstbewusst wie es mir möglich war an Billy und seiner Anwältin vorbei, ohne ihm auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen.
„Schön, dass Sie zu uns gefunden haben, Ms. Montgomery." sagte der Richter und machte dabei einen freundlichen Eindruck. Als hätte ich eine andere Wahl gehabt. Meine Nervosität wuchs immer weiter, denn ich hatte keine Ahnung wie so eine Verhandlung ablaufen würde und was nun auf mich zu kommen würde. Ich suchte Blickkontakt mit Eddie und das schien tatsächlich das einzige zu sein, was mir half, meine Nervosität nicht all zu sehr zu zeigen.
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Freaks like us
Fanfiction"...und hey, ich kann gar nicht sterben, ich bin wie eine Katze. Elegant, flauschiges Fell..." er warf seine braunen Locken über die Schulter zurück, „...und ich hab' sieben Leben. Also keine Sorge." Ava ist 17, als sie mit ihrer Familie in die kle...