Kapitel 25

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„Wie geht's dir?" Eddie sah erstaunt über meine Schulter zu mir runter. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich ihn das fragen würde. Doch es interessierte mich wirklich. Er hatte sich all das angehört, weil er nicht gehen wollte. Und ich konnte mir vorstellen, dass es für ihn nicht einfach war. Er setzte sich auf, so dass ich mich ebenfalls hinsetzten musste, immer noch lagen seine Arme von hinten um meinen Körper und hielten mich ganz fest. Er fuhr sich verzweifelt mit der rechten Hand durch seine braunen Locken, ehe er antwortete. „Beschissen." gab er ehrlich zu. „Ich hatte keine Vorstellung davon, was diese Dreckssau dir angetan hat, Babe. Es tut mir so leid." Eddie legte seinen Kopf von hinten auf meine Schulter und ich spürte, wie er den Geruch meiner Haare in sich aufsog. Wobei sie vermutlich stanken, denn eine Dusche hatte ich schon ewig nicht gesehen. Obwohl ich nun am gesamten Körper nach Verbänden und Salben roch.

Unter Schmerzen drehte ich mich zu ihm um, so dass ich ihm direkt in die Augen sehen konnte. „Mir tut es leid, ich wollte nicht, dass du das alles hörst. Ich will nur noch vergessen." ich lehnte mich nach vorn an seine Brust, doch unvermittelt, griff er nach meinem Kinn und küsste mich sanft. Es war, als würde ich urplötzlich in eine andere Dimension geschleudert werden. Jedes Mal, wenn er mich küsste oder berührte, hörte die Welt um uns herum sich auf zu drehen. Ich konnte mir ein schmunzeln einfach nicht verkneifen. „Was ist?" fragte er belustigt. „Du machst mir nur so glücklich." antwortete ich schulterzuckend. Nun lächelte auch er und seine Hand wanderte runter zu meinem Bauch. Er streichelte ihn, ehe er innehielt. Mit strahlendend braunen Augen sah er mich glücklich an. Ich zog eine Augenbraue hoch. „Als du gelegen hast, ist mir das gar nicht aufgefallen... Du bekommst ja schon eine richtige kleine Kugel." sagte er stolz und zog mein Krankenhaushemd leicht hoch, als müsste er sich vergewissern, dass er recht hatte. „Ja, vor etwa zwei Wochen, schätze ich, ist er angefangen zu wachsen." kicherte ich. Erneut küsste er mich und ich spürte, wie glücklich ihn das machte. Das bestärkte mich nur in meinem Glauben, dass wir es schaffen würden.

Es klopfte an der Tür und ohne auf eine Antwort zu warteten, traten meine Eltern wieder ein. Augenblicklich löste sich Eddie von mir und nahm etwas Abstand, doch er hielt nun wieder meine Hand. „Alles okay Schatz? Wir haben gesehen, dass Hopper gegangen ist." „Ja Mum alles gut. Ich hab ihm gesagt, woran ich mich erinnern konnte. Mal sehen, was nun passiert." „Ach Liebling. Hopper ist ein guter Polizist, er wird alles tun, das Billy seine gerechte Strafe bekommt." sagte sie mit einem verzweifeltem Lächeln auf den Lippen. „Gerecht wäre es, wenn ich nur fünf Minuten mit ihm alleine bekomme." warf Eddie ein. Mein Dad nickte zustimmend und Mum verdrehte kopfschüttelnd die Augen. „Ach Eddie, das ist doch auch keine Lösung. Er gehört ins Gefängnis und dafür wird Hopper schon sorgen. Selbstjustiz ist nicht das Richtige." sagte sie ermahnend. „Vielleicht nicht, aber verdient hat er mehr als einen Gefängnisaufenthalt." antwortete Eddie an Mum gewandt. Sie schüttelte erneut den Kopf und haute leicht gegen Eddies Schulter. Er rieb sich die Schulter, als hätte er gerade höllische Schmerzen und wir alle begannen zu lachen. Er schaffte es einfach jedes Mal, die Stimmung zu lockern, egal wie schlecht diese gerade war.

„Ava mein Schatz. Wir machen uns nun auf den Heimweg. Dein Vater muss morgen sehr früh in den OP. Wie kommst du heim?" wandte sie sich erst an mich und dann an Eddie. „Ich werde heute Nacht hierbleiben. Ich habe vorhin mit einer Schwester gesprochen und für heute Nacht ist das in Ordnung. Ich bekomme später eine Decke für das Sofa." antworte er, während ich ihn erstaunt ansah. Obwohl ich mir eigentlich hätte denken können, dass er nicht gehen wird. Meine Eltern verabschiedeten sich und ich bekam erneut eine der äußerst seltenen Umarmungen meines Vaters, die ich sehr genoss. Auch Mum umarmte mich und Eddie, ehe sie mich auf die Stirn küsste und beide den Raum verließen.

Es war bereits zehn Uhr, doch ich spürte keine Müdigkeit. Ich wollte nicht schlafen, ich wollte einfach die Zweisamkeit mit Eddie genießen, die mir die letzten zwei Monate so fehlte. Wir legten uns beide auf die Seite. Er hinter mich, umschloss er meinen Körper mit seinem, darauf bedacht, mir nicht wehzutun und legte seine Hand auf meinen Bauch und streichelte mit seinem Daumen darüber. Irgendwann hörte er auf und ich spürte, wie sein gesamter Körper sich entspannte, er war eingeschlafen. Ich kuschelte mich näher an ihn heran und schloss ebenfalls die Augen. Einige Minuten später öffnete sich erneut die Tür und eine Schwester kam mit Decke und Kissen für Eddie herein. Als sie uns gemeinsam im Bett liegen sah, schüttelte sie lächelnd den Kopf, legte die Sachen auf der Couch ab und verschwand wieder. Eddie brummte und zog mich erneut an sich heran.

Ich lag noch einige Zeit wach da und dachte über die letzten Monate nach, ehe auch ich irgendwann einschlief.

Ich wurde wach, als die Tür sich abermals langsam öffnete. Ich setzte mich auf und sah mich um. Eddie schlief tief und fest und schnarchte leicht. Grinsend wanderte mein Blick wieder Richtung Tür, doch im Zimmer war es stockfinster, so dass ich nichts erkennen konnte. Die Person schloss die Tür hinter sich und ein dunkler Schatten trat näher ans Bett heran. Mit blutverschmierter Nase und grinsend stand Billy vor mir. Er kam näher und beugte sich langsam zu mir runter. „Glaubst du wirklich, dass alles ist jetzt vorbei du kleine Schlampe? Ich werde nicht lockerlassen, bis ich es zu Ende gebracht habe." drohte er mir mit hervorgepresster Stimme. Ich war wie erstarrt vor Angst und sah ihn nur an, ohne ein Wort zu sagen. Abermals kam er näher und wollte nach meinem Gesicht greifen, als ich plötzlich meine Stimme wiederfand und laut anfing zu schreien.

Ich spürte Eddies Hände, wie sie an meinen Schultern rüttelten. „Babe wach auf. Bitte." ich öffnete meine Augen und setzte mich ruckartig auf, so dass der Schmerz meiner Wunden, meinen ganzen Körper durchzog. Ich sah mich im Zimmer um, doch außer Eddie und mir, war niemand da. Ich hatte offenbar geträumt. Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich schlug die Hände vors Gesicht, während Eddie mich in seine Arme zog. Minutenlang saßen wir so da, bis ich all meine Tränen vergossen hatte. Ich hob meinen Kopf und sah Eddie an, ehe ich ihn verzweifelt küsste. Zunächst erwiderte er meinen Kuss, doch nach kurzer Zeit drückte er mich sanft nach hinten, so dass ich ihn ansehen musste, seine Hand ruhte auf meiner Wange. „Alles okay? Willst du darüber reden?" fragte er vorsichtig, doch dass wollte ich nicht. Ich war einfach froh, dass es nur ein Traum war und Eddie bei mir war. Kopfschüttelnd legte ich meinen Kopf an seine Brust und er ließ sich wieder nach hinten sinken.

Am nächsten Morgen brachte eine Schwester uns Frühstück, ehe die Untersuchungen losgingen. Blutdruck, Ultraschall, Röntgen. Nach etwa drei Stunden hatte ich alles hinter mir und zurück auf dem Zimmer konnte ich Eddie überreden, nach Hause zu fahren, um sich ein paar Sachen zu holen. Er wollte mich nur widerwillig alleine lassen, doch irgendwann stimmte er zu. Als ich alleine war ging ich mit Hilfe einer Krankenschwester das erste Mal seit langem wieder duschen. Sie half mir, mich auszuziehen und setzte mich auf einen Duschstuhl, da mein gebrochenes Bein es nicht zuließ, dass ich alleine stehen konnte.

Mindestens zwanzig Minuten ließ ich den heißen Wasserstrahl über meinen mitgenommenen Körper laufen. Es linderte die Schmerzen nicht, aber ich hatte das Gefühl, den ganzen Schmutz und das ganze Leid, dass mein Körper die letzten zwei Monate erfahren hatte, würden weggespült. Ich entspannte mich langsam und genoss jeden einzelnen Wassertropfen, der mich berührte. Erneut liefen mir die Tränen, doch dieses Mal vor Erleichterung. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich diesen Alptraum tatsächlich überstanden hatte. Ich war Billy entkommen, unserem Baby ging es gut und ich konnte Eddie endlich wieder in die Arme schließen. Unwillkürlich musste ich lächeln, während ich hemmungslos weinte.

Nach weiteren fünfzehn Minuten war ich fertig und die Schwester half mir, mich anzuziehen. Mum hatte mir meine Lieblingsjogginghose und mein Metallica Shirt eingepackt. Als ich es anzog kamen Erinnerungen an den ersten Abend mit Eddie hoch, an dem ich dieses Shirt ebenfalls trug. Nie wieder könnte ich mir ein Leben ohne ihn vorstellen. 

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