Das letzte – verkackte – Schuljahr. Nicht mal Jahr, sondern eher die letzten Schulmonate.
Das einzig spannende sind nur noch die Prüfungen und ich Volldepp nehme auch noch Biologie als Hauptfach. Am liebsten würde ich meinem sechzehnjährigen Ich dafür eine reinknallen.
Während ich zwei Fahrradfahrern Vorfahrt gebe, schaue ich nachdenklich die Fassade des abgekommen Wohnhauses nach oben.
Das Leben soll also wirklich für mich beginnen. So richtig.
Verdammte Scheiße, ich fühle mich noch wie ein fünfzehnjähriger Volltrottel und nicht wie frische achtzehn.Wie soll ich Steuererklärungen hinbekommen, wenn ich nicht mal richtig das deutsche Politiksystem verstehe.
Mit den Kopfhörern auf den Ohren wechsle ich die Straßenseite, natürlich nicht, ohne mehrmals nach rechts und links zu schauen. Safety first, you know.
Die automatischen Türen des Kiosks gleiten auseinander und offenbaren nicht nur einen süßlichen Geruch, sondern auch einen genervten Verkäufer, welcher bei den reduzierten Lebensmitteln eine blaue Pfütze wegwischt. Powerade, vermute ich stark.
Meine Beine lenken mich direkt zur Getränkeabteilung, wo ich mir nicht nur zwei Energys, sondern auch eine Flasche Puschkin Wodka Nougat unter den Arm klemme. Im Takt wippend mache ich mich zurück zur Kasse, lege alles Sachen auf das Band und ziehe mir die Kurzfingerhandschuhe unhygienisch mit dem Mund aus.
Ein Räuspern lässt mich nach oben schauen. Der blonde, vielleicht Mitte vierzig alte Mann, hebt auffordernd die Brauen.
»Ich war doch dabei.«, sage ich zischend mit einem entschuldigenden Unterton und zücke meinen Perso.
Er nickt knapp, scannt den Barcode des Wodkas grimmig ein.
Tja.»13,45«
Stumm reiche ich ihm die zwei Scheine, lasse das Restgeld in meinen Beutel purzeln und klemme mir meine Artikel wieder unter den Arm.
»Tschüss.«
»Tschö.«, erwidere ich, nicke vorbildlich und verlasse den Kiosk wieder.Berlin.
Bis zu meinem elften Lebensjahr existierte meine Wenigkeit nämlich auf dem Land. Ein Kuhdorf irgendwo in Brandenburg, bis ich einfach von heute auf morgen beschlossen hatte, dass ich auf diese Schreibschule in Berlin will. Somit kam ich in ein Internat, verkackte die Fächer aufgrund meiner Angst und landete somit auf dem Barnim-Gymnasium. Was habe ich gelernt? Dass ich überall Dinge finde, die mich glücklich machen können.
Hier sind es meine Freunde.Irgendwo tief in meinem Beutel vergraben, beginnt mein Telefon zu vibrieren. Fluchend schalte ich die Bluetooth-Kopfhörer ab, denn sonst funktioniert hier gar nichts mehr und drücke auf den grünen Hörer.
»Gelee. (Meine Art „Chill" zu sagen), ich bin bereits auf dem Weg.«
»Carlos fragt, ob du ihm nochmal ne Packung Marlboro mitbringen kannst.«, höre ich Matteo an der anderen Seite der Leitung sagen. Stöhnend schultere ich wieder den Beutel, werde jedoch langsamer.
»Nö ey, der schuldet mir immer noch zehn Euro von den letzten Malen.«
»Bitte, Tilda!« Carlos. Irgendwo im Hintergrund.
»Na gut.« Mit einem Grummeln drehe ich mich wieder um. »Rot oder Gold?«
»Du bist ein Schatz, ey. Ist mir egal.«
»Mh, ich weiß.«, sage ich, dann lege ich wieder auf und betrete den Kiosk. Erneut.
Blondie hinter der Kasse hebt kurz den Blick. Auch als ich direkt vor ihm zum Stehen komme, wirkt er unbeeindruckt.
DU LIEST GERADE
MELANCHOLIE ᵈʳᵘᶜᵏ
Fanfic"stop stressing over shitty people. or your shitty overthinking." credit; thelakeisfullofblood 2022