mit verknoteten Fingern im Schoß, blicke ich wieder in Hendriks Richtung. Er hat meinen Schreibtischstuhl so zum Bett gedreht, dass wir uns direkt gegenübersitzen, trotzdem jedoch eine neutrale Entfernung herrscht. Die Luft im Gegensatz dazu ist voll von prickelnder Nervosität.
»Laut ausgesprochen klingt es irgendwie schlimmer, als es eigentlich ist.«, hänge ich flüsternd noch an meinen letzten Satz. Hendrik schnaubt spöttisch.
Ich habe verkackt. Er wird mich dumm anstarren, die Wohnung verlassen und allen erzählen, wie traurig mein Leben doch sei. Deswegen will ich nicht über meine Probleme reden.
Jetzt hat er etwas gegen mich in den Händen und...
»Wow.«Mein Blick hebt sich wieder.
»Aber wie kam es zu all diesen Ängsten? Ich meine, klar, jeder Schüler hat Angst vor dem Abitur oder Angst davor eine Beziehung zu beginnen, aber...«
»Es ist nicht das Abitur, sondern die Reaktion meiner Familie. Ich möchte auch etwas vorzeigen können, um nur ein einziges Mal ein „Ich bin stolz auf dich" zu bekommen. Sogar ein beschissenes Schulterklopfen reicht mir.«
»Tilda. Du bist nicht so dumm, wie du vielleicht glaubst. Schau dich um.«Er nickt zu den ganzen Zetteln auf meinem Schreibtisch. »Du wirst dieses Abitur sowas von bestehen. Nicht einmal ich hatte so viel gelernt.«
Mit einem frustrierten Stöhnen fahre ich mir über das Gesicht. »Aber ich will nicht nur bestehen, dass ist ja die Scheiße.«Es knarzt, als sich Hendrik nach vorne lehnt und die Ellenbogen auf die Knie stützt.
»Willst du wissen, mit was ich bestanden habe? 3,1. Ich könnte nie glücklicher sein, denn endlich kann ich sagen: Ich habe verdammt nochmal Deutschlands beste Bildungsstufe in der Tasche. Es juckt niemanden – wirklich überhaupt niemanden – welche Zahlen danebenstehen.«
»Leider juckt es mich.«
Er seufzt. Seit fast drei Stunden geht es bereits so.
Ich sage etwas, er will mich aufmuntern, ich zerschlage es rücksichtslos.Und obwohl ich bereits so viel geredet habe, fühlt es sich immer noch komisch in meinem Kopf an. Vielleicht aber auch nur, weil ich es dieser Person erzähle und niemanden, den ich wirklich kenne.
»Okay, lassen wir es erstmal dabei. Wenn du dein Abi hast, werde ich dir erneut eintrichtern, dass du zumindest an diesem Tag der glücklichste Mensch auf Erden sein kannst.«
Er geht davon aus, dass wir bis dahin Freunde sind.
Ich schmunzle.»Wie kann es sein, dass dich davon überhaupt nichts juckt?«, frage ich schließlich.
Hendrik zuckt mit den Schultern, sieht nachdenklich durch das Zimmer, welches nur schwach von meiner Stehlampe in der Ecke beleuchtet wird.
»Ich denke allgemein nicht zu viel nach.«
»Vielleicht liegt da dein Fehler.«, murmle ich mit einem neckenden Unterton.
»Vielleicht liegt dabei aber auch mein Vorteil.«
Ich nicke betroffen. »Touché.«Als sich seine Mundwinkel bei meinem Anblick immer weiter auseinanderziehen, dreht er sich halb um und streckt die Arme über den Kopf.
»Ach, hey!«
Der Stuhl steht für wenige Sekunden nur auf den hinteren Beinen, doch ehe ich meine Bedenken aussprechen kann, ist alles wieder auf festem Grund. Schmunzelnd hält Hendrik den Joint in den Händen. Dann hebt er ihn wie auf dem Hinterhof des Restaurants mit einer fragenden Miene zwischen Daume und Zeigefinger.»Wenn ich jetzt schon hier bin...«
»Ich habe noch nie gekifft.«
Theatralisch reißt er den Mund auf. »Das habe ich jetzt aber nicht gehört, oder? Los geht's.«Aus seiner Hosentasche zaubert der Junge ein Feuerzeug, während ich mit innerlichen Protesten ihn dabei zuschaue, wie er die Tüte anzündet und die Spitze qualmend erglimmt.
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MELANCHOLIE ᵈʳᵘᶜᵏ
Fanfic"stop stressing over shitty people. or your shitty overthinking." credit; thelakeisfullofblood 2022