Verdammter Samu

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Samuele beugte sich vom oberen Etagenbett zu mir runter. Wir waren allein im Zimmer. Blöd für mich. Bis zum Wochenende hatte er mich in Ruhe gelassen, weil immer jemand dabei war. Jedoch hatte ich gewusst, dass er es nicht auf sich beruhigen lassen würde.

Ich streckte ihm mein Fuß ins Gesicht. „Verpiss dich, Samu."

„Iih Käsefuß!" Er schob ihn von sich und baumelte weiter gefährlich von dort oben runter.

Ich versuchte ihn zu ignorieren und konzentrierte mich auf meine Skizzen. Es war nichts besonderes. Ständig kritzelte ich irgendwelche Ideen hinein. Entwürfe für neue Kostüme. Das war nicht mein Job, aber ich tat es trotzdem. Als Hobby.

Mein Bruder kam etwas unelegant nach unten und warf sich einfach zu mir aufs Bett. Ihn runterzuschubsen würde zwecklos sein. Also ließ ich es bleiben.

„Was malst du da?" Er griff sich meinen Zeichenblock und blätterte darin herum. „Für die Arbeit?"

„Nur so."

Er nickte und sah mich an. Es war merkwürdig, weil er direkt neben mir saß. „Willst du mir irgendwas sagen?"

„Nee?" Ich nahm ihm meinen Block aus der Hand.

„Ganz sicher?"

„Ja."

„Hm." Er verschränkte die Arme vor der Brust und ließ seinen Blick schweifen.

Es war mir unangenehm, dass er mir so auf die Pelle rückte. „Hau ab."

„Wieso?"

„Du nervst."

Samu legte seinen Arm um mich und glotzte mich wieder so komisch an. „Raus mit der Sprache, kleiner Lügner." Die Aussage ergab wenig Sinn. Ich war größer als er, obwohl er ein Jahr älter war.

„Was willst du von mir?"

„Die Wahrheit."

„Welche Wahrheit?"

„Stell dich nicht dumm."

Schnaubend lief ich meinen Kopf in den Nacken fallen. Oder eher auf den Arm, der um meine Schultern lag.

„Ich hab's doch gesehen."

„Keine Ahnung, wovon du sprichst." Freiwillig würde ich ihm gar nichts sagen.

„Du hast ihn angestarrt. Dachtest du, du wärst unauffällig? Du gaffst ihn ständig an. Immer, wenn er hier ist. Die anderen sind vielleicht blind. Aber ich nicht."

„Du laberst."

Samu packte meinen Unterkiefer. Es tat weh. „Hör auf damit", stieß er hervor.

Da er mich so festhielt, konnte ich ihm nur einen fragenden Blick zuwerfen.

„Streich dir das. Mein kleiner Bruder ist kein Schwanzlutscher, verstanden?"

Die Zimmertür ging auf, weshalb er seinen Griff lockerte. Ich nutzte das und biss ihm in die Hand. Er zog sie weg. „Hast du mich verstanden?!"

„Verpiss dich, Mann!" Ich stieß Samu von meinem Bett.

Er wusste es. War es denn so offensichtlich gewesen? Samuele hatte schon immer das Talent, meine Gedanken zu lesen. Vor allem die, von denen keiner etwas wissen durfte. So kam es mir jedenfalls vor. Und es gefiel mir nicht.

Ich versank in meinem Bett und zog den Vorhang zu, den ich irgendwann montiert hatte, um zumindest ein wenig meine Ruhe zu haben. Es funktionierte nicht wirklich. Aber so sah wenigstens niemand meine Tränen.

Stumme Tränen, die über meine Wangen liefen. Ich war ein verdammtes Weichei. Wütend presste ich die Hände auf mein Gesicht. Heulen war etwas für kleine Kinder. Ich war keines mehr, also durfte ich auch nicht mehr heulen.

Dumme Gefühle! Dumme Angst! Verdammter Samu!

Wolke null [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt