Mutter und Sohn

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Zusammen mit Alex saß ich in dem Café, wo ich mich mit Camilla treffen wollte. Ich hatte mich nicht getraut, allein zu kommen und war meinem besten Freund unendlich dankbar, dass er mich begleitete. Seit ich ihn am Bahnhof getroffen hatte, konnte ich kaum meinen Blick von ihm abwenden. Alex war wahrscheinlich der schönste Mensch auf dem Planeten. So oder so. Heute hatte er sich richtig rausgeputzt. Heute war er definitiv eine Königin. Und wieder einmal wünschte ich mir, dass ich mich in ihn verlieben würde. Oder eher in sie. Alex war einfach unglaublich.

Meine beste Freundin strich sich eine blonde Strähne hinter das Ohr. Sie trug einen hohen Zopf, der irgendwie unordentlich und trotzdem perfekt aussah. Einzelne kürzere Strähnen fielen ihr ins Gesicht. In dieses wunderschöne Gesicht.

Wir beide hatten erst angefangen unsere Arbeit zu lernen. Aber Alex war offensichtlich ein Naturtalent. Ihr Make-Up sah wirklich toll aus. Es passte perfekt zu ihr.

Alex nippte an ihrem Kaffee und sah mich etwas verlegen an. „Was ist denn?"

Ich seufzte nur, stützte meinen Kopf ab. „Hab ich dir schon gesagt, wie unglaublich wunderschön du heute aussiehst?"

Alex wurde rot, was sie noch viel süßer machte. „Hör auf damit!"

„Du bist eine Königin. Ohne Witz!"

„Sei still!" Alex schob meinen Kopf von meiner Hand, damit ich sie nicht mehr so anglotzte. „Oh! Ist sie das? Camilla?" Sie zeigte nach draußen. „Irgendwie hat die Lady so eine Ausstrahlung."

Ich folgte Alex' Blick. Tatsächlich stieg die alte Frau gerade aus einem kleinen roten Fiat aus. In ihrer Hand baumelte ein passender roter Puschel herum. Wahrscheinlich der Autoschlüssel. Camilla Marchetti trug einen schwarzen Mantel und einen langen kuscheligen Schal. Dabei war es gar nicht so kalt draußen. Sie sah toll aus. Dafür, dass sie nicht mehr die jüngste war, lief sie auf ihren Pumps wie ein Model.

„Scheiße, ist die cool!", flüsterte Alex mir zu, als die Lady den Laden betrat.

Ich gab ihr Recht. Diese Frau war der Wahnsinn...

Camilla Marchetti kam auf uns zu. „Raffaele?"

Ich erhob mich und streckte ihr meine Hand hin. „Hallo!"

Statt meine Hand zu ergreifen, kam sie um den Tisch herum und begrüßte mich mit Wangenküssen. Sie roch nach Chanel N° 5. Das erkannte ich, weil Alex und ich uns beim Bummeln öfter den Spaß machten, uns durch die Parfümerie im Einkaufszentrum zu schnuppern.

„Ciao, mein lieber Raffaele!" Sie stöckelte auf die andere Seite und begrüßte Alex auf die gleiche Art. Ein Kuss an die rechte Wange, dann an die linke. „Wie ich sehe, hast du deine Freundin mitgebracht."

Eine solche Herzlichkeit hatte ich nicht erwartet. Immerhin war unsere erste Begegnung nichts weiter als ein merkwürdiges Starren gewesen und der Anfang unseres Telefonates war auch nicht so prickelnd gelaufen.

„Ja! Das ist Alex", stellte ich ihr meine beste Freundin vor.

Ich sah Alex an, dass es sie glücklich machte, als meine Freundin identifiziert worden zu sein. So musste sie nicht ihren Look erklären und sich mit Vorurteilen herumschlagen. „Freut mich, Sie kennenzulernen."

„Ach, ihr Hübschen. Sagt doch Camilla zu mir. Ich bitte euch!" Sie zog ihren Mantel aus. Sie trug ein elegantes Kostüm. Rot. Genau wie ihr Lippenstift. Sie passte perfekt zu ihrem Auto.

Ich fühlte mich etwas underdressed mit meinem weißen Shirt und der verwaschenen Jeans. Da riss mich die Lederjacke, die neben mir auf der Bank lag, auch nicht mehr raus.

Camilla hatte auf dem Stuhl gegenüber von uns Platz genommen. Sie musterte uns lächelnd. „Entschuldigt meine Direktheit." Sie hielt sich ihre Hand vors Gesicht. „Seid ihr zwei nur Freunde oder ein Paar?"

Wolke null [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt