Nicht egal

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Als ich als dem Bad kam, zog ich mir frische Boxershorts an und nahm meine Creme aus der Tasche. In den kalten Jahreszeiten bekam ich trockene Haut. Wenn ich mich nicht einrieb, dann würde sie mir in Schuppen vom Leib fallen.

„Kann ich dich etwas fragen?"

Der 19-jährige drücke die Zigarette aus und stellte den Aschenbecher neben sich auf den Boden. Er saß auf der Matratze, die in der Einzimmerwohnung lag. Das war sein Bett. Viel mehr gab es in der Bude auch nicht. Sein Bett. Ein klappriger Schrank und die offene Küche, die nicht einmal einen Backofen hatte. Ihm reichte es. Er hatte gesagt, dass alles besser sei als bei seinen Eltern zu bleiben. Ich glaubte ihm. Schließlich wollte ich selbst so sehr von Zuhause weg.

„Schieß los, Kleiner."

Ich packte die Dose weg und nahm die Tube mit der Gesichtscreme raus. Kurz überlegte ich, ob ich meine Fragerei nicht doch einfach für mich behalten sollte. Ich wollte ihn nicht verärgern. Das mit uns zerstören, weil ich mich kurz gekränkt gefühlt hatte. Aber es lag mir schwer auf dem Herzen. Auf dem Herz, das so heftig für ihn schlug. „Letztens als du bei uns warst..."

Er brummte leise. Wahrscheinlich ahnte er, was ich sagen wollte.

„Wieso bist du trotzdem so fies? Du musst nicht mit mir reden oder so..." Ich schmierte mein Gesicht ein, ehe ich die Tube in meine Tasche warf. „Keine Ahnung. Du musst niemandem zeigen, dass es ein Wir gibt."

„Gibt es denn ein Wir?" Er wollte sich eine nächste Kippe nehmen, legte die Schachtel jedoch wieder weg.

Ich ignorierte seine Worte. Die Worte und den stechenden Schmerz in meiner Brust. Das kurze Piksen. „Ich meine... wieso provozierst du Stress? Mit dem Schwulen-Blabla."

„Ich provoziere Stress seit ich denken kann. Und du bist schwul."

„Aber das weiß keiner." Ich seufzte und wedelte mit der Hand in seine Richtung. „Fast keiner. Vielleicht ahnen sie es, aber ich will es niemandem unter die Nase reiben. Ich will den Stempel nicht."

„Komm her."

Ich verschränkte die Arme vor der Brust, betrachtete Tommy einen Augenblick. Schließlich gab ich auf und tapste zu ihm rüber. „Ich meine, wieso reitest du so auf dem Thema herum? Es gibt keinen Grund mehr meine Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen."

Grinsend zog er mich runter auf seinen Schoß. „Reiten? Klingt gut. Das hast du noch nie gemacht."

Die Hitze stieg mir ins Gesicht. Grimmig boxte ich ihm gegen die nackte Brust. Er war vor mir duschen gewesen und hatte wohl keine Lust gehabt, sich etwas anzuziehen. „Ich meine es ernst", grummelte ich.

„Kleiner... Ich will immer deine Aufmerksamkeit." Er umfasste mein Gesicht mit seinen Händen. Diese unglaublichen Hände...

Ich schloss meine Augen. „Die hast du auch immer", flüsterte ich. So oft wünschte ich mir, dass es nicht so wäre. Dass er mir egal wäre. Einfach nur der Freund meines Bruders. Aber ich war abhängig. Noch vor dem ersten Kuss war ich süchtig gewesen. Ich wollte seine Blicke. Seine Berührungen. Seine Stimme. Seine Hände und den ganzen Rest seines perfekten Körpers. Ich wollte die Narbe in seinem Mundwinkel küssen und seine Haare mit meinen Fingern durchkämmen. Mit ihm schlafen. Nächtelang. Ihn spüren auf jeden nur erdenkliche Weise. „Und ich hasse mich ein bisschen dafür, dass ich dir so verfallen bin", murmelte ich an seine Lippen.

„Raffaele..." Er verwickelte mich in einen innigen Kuss. In einen nächsten. Und übernächsten. „Du... hast nicht wirklich eine Freundin oder...?"

Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Neckisch biss ich in seine Unterlippe. „Wer weiß?"

Er war eifersüchtig. Das ließ mein Herz heftiger hämmern. In mir flatterte es. Es machte mich glücklich. Denn das bedeutete, dass ich ihm nicht egal war. Das tat es doch, oder?

Wolke null [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt