Kennenlernen

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Meine Mutter hatte doch tatsächlich darauf bestanden, dass ich meine Freundin zu uns zum Essen einladen sollte. Da auch mein Vater dafür war, blieb mir nichts anderes übrig, als Alex davon zu berichten, welcher natürlich sofort zusagte. Ich wusste nicht, was ich diesem Idioten getan hatte, dass er mir so in den Rücken fallen musste. Wahrscheinlich wollte er nur einen Blick auf meine Brüder erhaschen. Einen richtigen Grund hatte er mir nicht genannt.

„Du schuldest mir etwas", brummte ich, als ich meine Alibi-Freundin vom Bahnhof abholte. Es war Samstag. Mir fiel besseres ein, als mit meinen Eltern und Alex zusammen zu essen. Tommy zum Beispiel. Tommy fiel mir ein.

„Eigentlich schuldest du mir etwas. Schließlich spiele ich deine Freundin und nicht umgekehrt." Wie immer sah Alex zum anbeißen aus, weshalb ich ihr nicht wirklich böse sein konnte. Außerdem hatte sie ja Recht. Dank ihr würde das mit Tommy nicht auffliegen.

„Tut mir leid. Ich bin etwas angespannt." Ich hielt der Schönheit meinen Arm hin, damit sie sich einhaken konnte.

„Schon okay. Ich würde es auch nicht so toll finden, jemanden meinen Eltern vorzustellen."

„Wieso hast du die Einladung dann angenommen?"

„Weil ich Manieren habe." Alex boxte mich, hakte sich dann jedoch ein. „Es wäre unhöflich gewesen."

Ich grummelte nur leise vor mich hin und führte sie durch das Viertel, in dem ich bereits mein ganzes Leben lang wohnte. Wahrscheinlich war meine beste Freundin noch nie hier gewesen. Ich wusste, dass ihre Familie ziemlich gut dastand mit Geld und Haus und allem, was dazu gehörte. Und wenn es nach Camilla ginge, dann müssten wir auch nicht hier wohnen. Aber mein Vater war stur und wollte keine finanzielle Unterstützung von seiner Mutter annehmen.

Als wir am Hochhaus ankamen, angelte ich meinen Schlüssel aus der Lederjacke und schloss die Eingangstür auf. Damit meine Freundin auch im sechsten Stock noch vorzeigbar aussah, nahmen wir den Fahrstuhl. Dabei hätte ich mir gern noch etwas mehr Zeit gelassen, bevor wir zusammen vor meine Eltern traten.

Ich wusste nicht genau, wie lang wir vor der Wohnungstür standen. Alex nahm meine Hand und drückte sie sanft. „Ich kann auch wieder gehen, wenn dir das lieber ist", flüsterte sie mir zu und spielte an ihrem Ohrring.

„Nein." Ich schenkte ihr ein Lächeln. „Wir ziehen das jetzt durch. Sonst hast du dich ja umsonst so rausgeputzt."

Meine beste Freundin grinste mich an.

Ich schloss die Tür auf, ehe wir gemeinsam hineingingen. Es roch nach Essen. Nach Mammas Essen.

„Gott, riecht das lecker!"

Ich musste ein wenig lachen, nahm Alex ihren Mantel ab, um ihn aufzuhängen.

„Soll ich die Schuhe ausziehen?"

„Wie du willst. Wir nehmen das nicht so genau", meinte ich und ließ meine an, da ich sie immer erst in meinem Zimmer abstellte.

Alex zog ihre Schuhe aus und ließ sich von mir vor in die Küche schieben. „Mamma?"

Keine Reaktion.

„Mamma...?"

Sie war so vertieft in ihre Arbeit, dass sie mich gar nicht hörte. Es war wohl klar, von wem ich das hatte. Auch Alex schien das aufzufallen, denn sie grinste mich nur blöd an.

Ich umrundete die Theke und gab meiner Mutter einen Kuss auf die Wange. „Ich möchte dir jemanden vorstellen, Mamma."

Sie sah kurz erschrocken zu mir auf. „Ich hab dich gar nicht reinkommen hören, tesoro."

Wolke null [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt