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Es ist wieder Montag. Wieder mal zur Schule gehen, aber egal nicht mehr lange und ich hab es endlich hinter mir.
Eine Woche Schule noch und danach sind schon die Abiturprüfungen.
Mit Ömer und Sara rede ich seit Samstag kein Wort mehr. Sara hat mich auch überall entfernt und blockiert und Ömer hat sich gar nicht die Mühe gemacht mir irgendwas zu schreiben. So schnell können wohl Freundschaften wegen der Liebe enden. Dann ist es eben so.
Grade hatte ich Mathe und Ömer saß verzweifelt an seinen Aufgaben. Ich schrieb ihm die Lösung auf ein Blatt und schob es ihm rüber ohne ihn anzuschauen. Er nahm das Blatt und bedankte sich leise.
Danach drehte sich Ates plötzlich auch zu mir um. "Kannst du mir auch helfen?" Normalerweise würde mein Herz wie verrückt schlagen, aber ich bin noch so verletzt, dass ich ihm einfach mein Heft gab und mich nach hinten lehnte.
"Ich brauche trotzdem Hilfe. Kannst du mir das nicht erklären?"
"Na gut." Ich stand auf und setzte mich auf den freien Platz neben ihm. Ich fing an ihm alles langsam langsam zu erklären und nach zehn Minuten verstand er es endlich. Ich setzte mich wieder auf mein Platz und legte mein Kopf an den Tisch.
Ich bin so demotiviert. Nichts macht mir mehr Spaß. Bin ich wirklich hässlich, wie Sara es gesagt hat? Schon wieder kamen mir Tränen hoch, die ich wieder zurück blinzelte. Danach kam auch der Lehrer wieder mit Kopien zurück und wir verglichen unsere Aufgaben, die ich alle wie immer, richtig hatte. Danach war die letzte Stunde auch vorbei und ich konnte endlich nach Hause gehen.
Ich packte meine Tasche lustlos ein und verließ das Klassenzimmer, um gegen Ates zu laufen. "Tut mir leid." Ich ging an ihn sofort vorbei, weil ich ehrlich keine Lust hatte mit ihm auch noch so eine dumme Diskussion zu haben. Ich brauche Distanz von allem.
Ich nahm meine Kopfhörer raus und öffnete meine Playlist. Passend zur Musik fing es auch schon an zu regnen. Das Universum will mir etwas sagen.
Und wie von alleine steuerten mich meine Füße in Richtung Friedhof. Am muslimischen Friedhof angekommen, lief ich sofort zu ihm, zu meinem Vater. Ich bückte mich zu ihm und schwieg erst mal nur. Ich strich über sein Grabstein und küsste ihn.
"Ach be Baba ich wünschte du wärst der erste Mann gewesen, der mir das Herz gebrochen hätte. Du warst der perfekte Vater und der perfekte Ehemann. Ich vermisse dich so unendlich sehr. Babam benim schon zwei Jahre her, dass du nicht mehr bei mir bist. Schon zwei Jahre her, dass ich dich besucht habe."
Meine Tränen flossen nun automatisch mein Gesicht runter. Mit so viel Schmerz komme auch ich nicht mehr klar.
"Es tut mir so leid, dass ich dich nur besuchen gekommen bin, weil mir keiner mehr zuhört. Ich wünschte, ich wäre eine bessere Tochter für dich gewesen. Ich wünschte du könntest zu mir jetzt sagen, dass du stolz bist, dass ich mein Abitur mit einem sehr guten Schnitt absolvieren werde. Seitdem du weg bist, ist Abi auch weg. Er ruft uns auch gar nicht mehr an. Ich weiß nicht mehr wo mein Bruder lebt Baba. Unsere Familie ist so auseinander gefallen. Anne geht noch mehr arbeiten und ist auch erst zu Hause, wenn ich am schlafen bin. Deine Familie hat uns ebenso ausgeschlossen. Wir waren anscheinend nur ein Teil der Familie, als du am Leben warst."
Ich verstummte und lehnte mein Kopf an den Stein und weinte paar Minuten lang. "Eigentlich bin ich nur wegen etwas anderem hier. Ich weiß es ist sehr egoistisch von mir, aber ich brauche jemanden zum reden." Ich machte eine kurze Pause und schaute auf den Himmel. "Ich habe niemanden mehr, der mich unterstützt Baba. Jeder hat sich von mir abgewendet. Ich hab keine Freunde mehr und wie erwähnt ist unsere Familie genauso auseinander gefallen. Ich will, dass alles wird wie früher. Ich will wieder mein Bruder zurück, meine Mutter und meine Freunde, aber sie haben alle schon mit mir abgeschlossen. Ich habe niemanden mehr, der mich liebt und es schmerzt so sehr"
Vor Verzweiflung fing ich an zu lachen. "Das einzige was ich machen kann ist Abi zu finden und danach Anne aus ihrem tiefen Loch rauszuholen." Wieder mal schwieg ich und ging meinen Gedanken nach, während ich an dem Stein angelehnt war. Ich werde mein Bruder finden und meine Mutter glücklich machen. Wir müssen weiter schauen, auch wenn wir alle durch den Verlust von meinem Vater gebrochen sind. Meine Freunde muss ich wohl aufgeben, genauso wie meine Liebe zu Ates. Es wird Zeit eine unabhängige Frau zu werden. Ja es ist schwer alles von heute auf morgen aufzugeben, aber was bringt es mir, weiter zu machen, wenn jeder mit mir abgeschlossen hat. Ich weiß auch nicht wieso Ömer auf einmal so sauer auf mich war und gemein wurde. Wenn er denkt so ist es richtig, dann soll er doch so weiter machen. Es ist nur schade um unsere langjährige Freundschaft, genau wie bei Sara.
Irgendwann als es dunkel wurde, stand ich auf und klopfte mir den Dreck von meiner Hose weg. Verdammt ich hätte mich nicht auf die nasse Erde setzen sollen. Ich umarmte mein Vater noch einmal und ging mit Tränen in den Augen aus dem Friedhof.
Ich blickte auf mein Handy und siehe da niemand hat mir geschrieben. Ich muss mich wohl dran gewöhnen keine Freunde mehr zu haben.
Auf dem Weg nach Hause knurrte mein Bauch auf einmal und ich entschied vom Supermarkt mir eine Fertigpizza zu kaufen. Ich hab echt keine Lust jetzt noch zu kochen.
Im Supermarkt wurde ich die ganze Zeit von Leuten komisch angeschaut. Ja es tut mir leid, dass ich mich auf die nasse Erde gesetzt und am Grab von meinem Vater geheult habe und mir jetzt was zu essen kaufen möchte.
Schnell nahm ich mir due Pizza aus der Gefriertruhe raus und holte noch eine Flasche Eistee und ging zur Kasse. Die Kassiererin guckte mich auch vorwurfsvoll an. Keine Sorge ich kann das schon bezahlen. Ich verkniff mir mein Augen rollen. Nachdem ich meine Sachen bezahlt hatte ging ich zügig raus und knallte vor der Türe gegen jemanden. Oh nein bitte sei ein lieber Mensch, der mich jetzt nicht dafür fertig macht. Als ich hoch blickte, sah ich Ates. Das kann doch nicht wahr sein. "Tut mir leid.", sagte ich ihm schnell und wollte an ihm vorbei laufen, aber hielt mich fest. "Mit einem einfachen tut mir leid kommst du mir nicht davon. Schau mal wie ich jetzt wegen dir aussehe." "Was soll ich denn sonst machen? Es sauber lecken oder was." "Gib mir das Geld dafür." "Ist das jetzt dein Ernst?" "Ja es ist mein voller ernst." Ich nahm mein Portemonnaie raus und drückte ihm meine letzten 50€, die ich noch hatte, in die Hand. "Ich hoffe das reicht aus." Ohne ihm weiter zu zu hören lief ich weiter und kam auch direkt zu Hause an. Wie immer war niemand in der Wohnung. Es herrscht wie immer eine depressive Stimmung und ich möchte einfach nur schlafen und nie wieder aufstehen. Ich legte die Pizza auf den Tisch und mein Eistee in den Kühlschrank. Wow ist es so kalt und emotionslos hier drinnen.
Als ich noch mit Sara befreundet war, hab ich das alles ausblenden können, aber jetzt hab ich sie auch nicht mehr und es fühlt sich alles noch schlimmer als davor an. Diese Leere, diese Einsamkeit. Ich spüre all das nach zwei Jahren. Ich spüre den Schmerz, dass mein Bruder uns von heute auf morgen verlassen hat, ohne nach hinten zu schauen. Ich spüre den Schmerz, als ich mein Vater auffand, als er einen Herzinfarkt hatte und ich zu aufgebracht war etwas zu tun. Ich spüre den Schmerz, dass ich seitdem Tod meines Vaters keine Liebe mehr von meiner Mutter gespürt habe. Ich spüre den Schmerz verraten geworden zu sein.
Mit Tränen in den Augen lief ich in mein Zimmer, bevor es noch schlimmer wurde.
Dort beruhigte ich mich erst mal und machte mich bereit duschen zu gehen. Ich nahm alles raus, was ich brauchte und ging erschöpft in die Dusche rein. In der Dusche konnte ich mich nicht mehr aufhalten und weinte mir die Seele aus dem Leib. Es tut so weh. Es tut so weh alleine zu sein. Ich will das alles nicht mehr. Ich will wieder glücklich sein. Ist es zu viel verlangt? Wieso ist jeder glücklich und ich leide jeden Tag immer mehr? Wieso verdiene ich es nicht glücklich zu sein? Benim sucum ne? Be naptim ki hic mutlu olamiyorum?
Nachdem ich mit der Dusche fertig war, sammelte ich mich etwas und zog mich sofort an, um mir meine Pizza zu machen. Während ich auf meine Pizza wartete, klingelte es auf einmal an der Tür. In der Hoffnung, dass meine Mutter früher als sonst nach Hause kam, machte ich die Tür auf und sah Ates vor mir. "Was suchst du denn hier?" Er streckte mir die 50€ entgegen. "Ich kann das nicht annehmen. Tut mir leid." Ich nahm das Geld nicht an, aber er nahm meine Hand in seine und zwang mich es anzunehmen. Ich nahm das Geld danach einfach an und wollte die Tür wieder schließen, aber er steckte sein Fuß zwischen die Tür. "Kann ich bitte reinkommen? Es regnet grade und ich hab keine Jacke an." Ohne was zu sagen öffnete ich die Tür und ließ ihn rein. Ich weiß es ist nicht richtig, aber ich fühle mich so allein hier.
Ich zeigte ihm das Wohnzimmer und ging danach in die Küche um meine Pizza rauszuholen. Ich nahm mein Eistee auch raus und ging mit zwei Gläsern und der geschnittenen Pizza wieder ins Wohnzimmer. "Hast du hunger?" "Nein nicht so." Ich legte die Pizza auf den Tisch und schüttelte in unsere Gläser meine kalte Eistee ein. "Wieso redest du nicht mit mir Ilayda?" Ich zuckte mit meinen Schultern und biss von der Pizza ab, die zu heiß war. "Ah fuck fuck fuck zu heiß." Ich wedelte mit meiner Hand gegen meine Lippe und Ates lachte mich aus. "Nicht witzig." Oh man es brennt so.
Ates kriegte sich ein und pustete auf einmal gegen meine Lippen. Verwirrt drehte ich mich zu ihm um. "Yapma." Er hörte sofort auf und es herrschte eine unangenehme Stille zwischen uns. "Ilayda." "Ja bitte?" "Ich weiß schon von Anfang an, dass du mich liebst." "Okay." "Was wie okay?" "Ates was möchtest du von mir hören. Ja ich bin in dich verliebt, seitdem du neu auf unsere Schule kamst, aber keine Sorge ich werde mich nicht zwischen dich und deine Freundin stellen. Außerdem ist deine Liebe zu ihr stärker, als es zu mir je sein könnte." Wir sind nicht mehr zusammen Ilayda." "Ihr seid doch jede Woche getrennt und danach wieder zusammen. Ates wenn du eine Ablenkung für ihre Abwesenheit brauchst, dann geh die anderen Mädchen in der Schule fragen. Sie würden gerne für eine Nacht deine Ablenkung sein." "Nein Ilayda dieses mal ist es wirklich vorbei zwischen uns." "Und das ist mir egal. Ich weiß gar nicht wieso du mit mir darüber redest. Wir haben früher nie miteinander gesprochen und ich will, dass es auch so bleibt. Bitte lass uns nie wieder mehr miteinander reden." Ates stand wütend auf. "Fein Ilayda, fein. Ich wollte uns beiden eine Chance geben, aber dann hast du eben Pech gehabt. Dann heul mich später nicht voll, dass ich dir nie eine Chance geben wollte." Ich stand ebenfalls erschöpft auf und legte meine Hand freundschaftlich auf die Schulter von Ates. Auch wenn alles in mir grade eigentlich vor Freude platzen könnte, hab ich mir etwas versprochen.
"Ates ich weiß nicht woher der Sinneswandel von dir kommt, aber ich weiß, dass du definitiv zurück zu deiner Freundin gehen und mir nur unnötige Hoffnungen machen wirst. Auch wenn es nicht so sein sollte, habe ich in meinem Kopf wichtigere Dinge zu tun, statt eine Beziehung zu führen, die sowieso keine Zukunft mit sich bringt." "Ich verstehe schon." "Lass uns einfach weiter machen wie davor. Ich liebe dich weiterhin aus der Entfernung und du beachtest mich nicht." "Wir könnten es doch wirklich einmal ausprobieren Ilayda." "Nein Ates. Ich weiß, dass es mit uns beiden niemals funktionieren wird. Lia wird irgendwann wieder kommen und danach wirst du ihr verzeihen. Ja seni seviyorum ama yanimda degil, uzakta Ates." "Anladim Ilayda. Es ist besser, wenn ich jetzt gehe." "Finde ich auch." Ates verließ die Wohnung und ich ging  mich erschöpft auf mein Bett legen. Es war heute echt ein anstrengender Tag und ich will einfach nur noch diese Woche hinter mir bringen und diese verdammten Prüfungen schreiben.

Böyle BitmesinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt