Ich wartete ungeduldig, dass der Direktor endlich meinen Namen ausrief, damit ich nach Hause konnte.
Meine Mutter war leider nicht auf meiner Abschlussfeier, deswegen hatte ich auch keine Lust hier zu sein. Ich hatte es ehrlich gesagt auch erahnt. Ich wusste, dass sie nicht kommen wird.
Mein Blick glitt durch die Gegend und ich sah nur glückliche Mitschüler mit ihren Eltern. Sie umarmten sich alle freudig miteinander und hüpfen rum, da sie alle ihr Abitur bestanden haben.
Nun war es so weit. Der Direktor rief mich endlich zur Bühne.
"Jetzt bitten wir die Jahrgangsbeste Ilayda Sener auf die Bühne und bitten um Applaus." Ich stand mit einem fake lächeln auf und die Leute fingen an zu applaudieren. Auf der Bühne wurde mir mein Zeugnis und ein Blumenstrauß übergeben. Ich bedankte mich, ließ ein Foto von mir machen und ging danach wieder auf mein Platz und wartete drauf, dass der Direktor uns erlaubte nach Hause bzw. zur Abschlussfeier im Club zu gehen. Ich werde sowieso nicht dahin gehen, aber egal.
Als der Direktor seine Rede beendet hatte und uns das Zeichen dafür gab, dass wir gehen dürfen, stand ich sofort auf und war die Erste, die die Aula verließ.
Ich wollte mich auf den Weg nach Hause machen, aber wurde aufgehalten von Ates. Er lief mir hinterher und hielt mich am Arm fest.
"Was ist los?" "ich wollte mich von dir verabschieden. Für immer." "Ich dachte wir haben uns schon vor einigen Tagen verabschiedet?" "Ich meine damit, dass ich diese Stadt bzw. dieses Bundesland verlassen werde und nie mehr zurück komme. Ich wollte mich nur bei dir verabschieden und wollte dich als einzige wissen lassen, dass ich für immer gehen werde.
Es wird mit uns beiden nie funktionieren, aber trotzdem hast du irgendwie einen besonderen Platz bei mir, auch wenn wir nie so wirklich etwas miteinander zu tun hatten." "Ich weiß nicht was ich dazu noch sagen soll. Ich wünschte dir auf deinem Weg das Beste. Ich hoffe du wirst sehr erfolgreich und findest irgendwann deinen Nasip. Ruf mich aber zu deiner Hochzeit! Hast du mich verstanden?" Ates lachte und umarmte mich. "Ich wünschte das mit uns beiden hätte irgendwie doch funktioniert." Ich umarmte ihn zurück und atmete das erste und letzte Mal seine Duft ein. "Lass uns bitte nicht wieder darüber reden und den Moment genießen." "Na gut."
Wir umarmten uns etwas fester und ich legte mein Kopf auf seine Brust und er legte seine Hand um mein Kopf. "Ich wünsche dir auch viel Erfolg. Hast ja sowieso das beste Zeugnis von uns allen. Du wirst noch sehr groß raus kommen und dass wünsche ich mir für dich vom ganzen Herzen. Pass gut auf dich auf Ilayda und habe mich gut in Erinnerung, auch wenn ich nie der netteste zu dir war und wir miteinander gesprochen haben, will ich ein Teil deiner guten Erinnerungen bleiben." "Keine Sorge du wirst immer positiv in meinem Kopf bleiben. Ich hoffe du wirst mich auch immer als gute Person in deinem Kopf haben." "Immer doch. Du bist hier auf der Schule die ehrlichste Person gewesen. Dich kann man niemals vergessen." "Danke." "Nichts zu danken."
Wir lösten uns aus der Umarmung und schauten uns das letzte Mal in die Augen. "Lebwohl Ates." "Lebwohl Ilayda." Ich drehte mich um und ließ ihn dort stehen. Ich wünschte es hätte nicht so geendet, aber es bringt jetzt auch nichts mehr, immer wieder darüber nachzudenken. Es sind immer die gleichen Gedanken.
Als ich wieder zu Hause war, lief ich in mein Zimmer und setzte mich wieder an mein Tisch und nahm mir die Notiz zur. die ich am Morgen auf dem Tisch fand.
"Tut mir leid, dass ich auf deiner Abschlussfeier nicht dabei sein kizim. Wir werden definitiv die Tage noch etwas zusammen machen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du einen guten Abschluss hast.
Deine dich liebende Mama"
Seufzend legte ich die Notiz wieder in die Schublade. "Ach be Anne. Ich wünschte du hättest dich in den letzten Jahren mehr um mich gekümmert, dann wüsstest du sogar, dass ich die Jahrgangsbeste geworden bin. Naja ich kann es dir immer noch nicht übel nehmen."
So genug rumgeheult, jetzt geht wieder die Suche nach meinem Bruder weiter.
Bis jetzt weiß ich in welcher Region er wohnt. Ich weiß auch in welcher Umgebung er ungefähr wohnt und zu welcher Zeit sie sich immer treffen. Bald ist es wieder so weit. Es ist wieder der Zeitpunkt, wann sich alle wieder treffen und ich hab mir schon die Tickets gebucht und ein Hotel, wo sie vielleicht übernachten könnten.
Warte ab abi ich werde dich noch finden. Du wirst mir nicht entkommen. Ich freue mich schon die schockierten Gesichter zu sehen und ich freue mich endlich Mama wieder lächeln sehen zu können. Es interessiert mich aber auch wieso du dich von uns abgewendet hast. Kamst du so wenig mit der Trauer klar, dass du uns verlassen hast? Oder hast du uns verlassen, weil du keine Lust mehr auf uns hattest? Nicht mehr lange und ich habe die Antworten zu meinen Fragen. Solange muss ich noch abwarten, auch wenn ich langsam sehr ungeduldig werde.
Nachdem ich mit allem fertig war, stand ich auf und ging in das Zimmer von meiner Mutter.
Dort ließ ich mein Blick über ihr Zimmer gleiten und lehnte mich an die Tür Lehne. Keine Sorge spätestens in einem Monat wirst du wieder lachen, sowie früher.
Als ich mich umdrehen und das Zimmer verlassen wollte, sah ich plötzlich etwas, was meine Interesse weckte.
Der Bilderrahmen an der Wand war schief und es schaute ein anderes Bild heraus. Ich lief dahin und nahm den Bilderrahmen ab. Das andere Bild viel sofort auf den Boden. Sofort hob ich es hoch und drehte es um.
Es war meine Mutter mit meinem Bruder? Von wann ist dieses Bild? Ich drehte das Bild wieder um und schaute auf das Datum. Es wurde letzten Monat geschossen? Was bedeutet das alles jetzt? Was soll das heißen? Was geht hier vor? Was wird mir hier verschwiegen.
Ich atmete einmal tief ein und aus und nachdem ich mich gefasst hatte hängte ich das Bild wieder auf und legte das Bild wieder dahinter. Was geht hier verdammt noch mal vor sich? Warte, wenn meine Mutter ihn auch regelmäßig besuchen geht, dann-.
Ich öffnete den Schrank von meiner Mutter und sah keine einzigen Klamotten drinnen. Mir stiegen sofort die Tränen hoch.
Ist das deren ernst? Während ich hier am Leiden bin, haben sie deren Spaß am Leben und genießen das Leben. Wieso haben sie mich nicht zu sich gerufen? Habe ich sie gestört oder was? Gekränkt lief ich aus dem Zimmer raus und zog mir meine Jacke und Schuhe rüber.
Draußen lief ich durch die Gegend und heulte mir die Seele aus dem Leib.
Ich habe das alles nicht verdient. Hätte ich doch nur gewusst, dass die beiden sich heimlich hinter meinem Rücken miteinander treffen.
Ab heute gibt es für mich keine Familie mehr. Ich werde nach Italien fliegen, aber auch nur um die beiden miteinander zu konfrontieren und danach werde ich mich nie wieder mehr hier blicken lassen. Nie wieder mehr werde ich mit ihnen in Kontakt zu treten. Ab heute habe ich jeden aus meiner Familie begraben. Manche lebendig und manche nicht.
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Böyle Bitmesin
Teen FictionIhr Leben läuft schon seit Jahren nicht perfekt. Familiär nicht, Freundschaften nicht und in der Liebe überhaupt nicht. Verrat ist für sie alltäglich geworden, genau wie der Verlust von wichtigen Menschen. Einsamkeit ist ihr bester Freund, doch irg...