"Wir hätten auch einfach das Auto nehmen können!", motzte Jungsu. "Nein, das ist nicht gut für die Umwelt", belehrte Gunil seinen Freund oder so. Tatsächlich wusste keiner der beiden richtig, wie ihr Beziehungsstatus jetzt war. Vor einigen Wochen hatten sie sich ihre Liebe gestanden, aber seitdem hatten sie rein gar nichts gemacht. Nicht einmal geküsst hatten sie sich! Und wenn Gunil ehrlich mit sich war, fand er diese Tatsache ziemlich schade. Natürlich fand Jungsu es auch sehr bedauernswert, aber im Moment störte ihn mehr die Situation in der er sich jetzt ganz genau gerade befand.
Gunil hatte ihn nämlich vom Sofa gescheucht, auf dem er es sich gerade bequem machen wollte, um den Tag entspannt vor dem Fernseher ausklingen zu lassen, und nun stand er zwischen fremden Menschen in der U-Bahn eingequetscht, weil Gunil unbedingt noch in die Stadt wollte.
"Hey, sieh's positiv, wir können nicht umfallen", lachte Gunil. Jungsu hatte schon öfter darüber nachgedacht, ob... "Nein, ich kann keine Gedanken lesen." Beunruhigend!"Oh, wir müssen hier aussteigen!", rief Gunil plötzlich erschrocken. "Fällt dir ja früh ein!"
Natürlich schafften es die beiden nicht mehr, sich bis zur Tür durch zu boxen.
"Ist doch schön, dass wir jetzt mehr Bewegung und frische Luft abbekommen." Gunil hatte heute definitiv zu viel gute Laune! "Und wir frieren länger!" Als Ausgleich beschloss sich Jungsu dazu, schlechte Laune zu verbreiten."Ach, dir ist kalt! Sag das doch!" Nun war Gunils Stimme besorgt. "Hier!"
Damit drückte Gunil Jungsu seinen linken Handschuh in die Hand, wartete, bis er diesen angezogen hatte, nahm seine rechte Hand und steckte sie zusammen mit seiner eigenen handschuhlosen Hand in seine Jackentasche.
Jungsu hoffte, dass es dunkel genug war, damit Gunil seine roten Wangen nicht sehen konnte. War es, denn er sah auch nicht, wie rot Gunil im Gesicht war.Endlich in der Fußgängerzone angekommen staunte Jungsu nicht schlecht. "Wow", hauchte er ehrfurchtsvoll, "die ganzen Lichter..." "Ja, schön, nicht? Deshalb wollte ich mit dir her", flüsterte Gunil, um den Moment nicht zu zerstören.
Schweigend liefen sie durch die Straßen und betrachteten dir ganzen Lichterketten, Sterne...
Nicht einmal die Bäume waren verschont geblieben: viele Lichterketten schlangen sich um die nackten Kronen, in denen auch große ... Lichterkettenkugeln hingen. 'Lichterkettenkugel' war tatsächlich das einzige, was Jungsu als Bezeichnung einfiel, aber er fand das Wort sehr treffend."Und?", fragte Gunil. "Was und?" "Hättest du den Abend lieber auf dem Sofa verbracht?" Jungsu tat so, als müsste er nachdenken. Er fand es wirklich toll, aber offiziell hatte er noch schlechte Laune.
"Wenn wir zuhause geblieben wären, hätte ich mich nicht in die U-Bahn zu fremden Menschen quetschen müssen." So schlimm hatte er es gar nicht gefunden. Und außerdem war Gunil ja noch bei ihm gewesen. "Das tut mir leid. Ich wusste ja nicht, dass die Bahn so voll wird."
"Und ich wollte den Abend allein verbringen." LÜGE! Jungsu vermisste die gemeinsame Zeit mit Gunil. "Oh..."
"Und mir ist kalt." Das Lächeln, das Gunil kurz verloren hatte, kehrte zurück. "Dagegen kann ich etwas machen. Komm mit!" Mit diesen Worten nahm Gunil seine und Jungsus verschlungene Hände aus der Jackentasche und zog den Jüngeren hinter sich her.
"Was hast du vor?", wollte Jungsu wissen, während er sich alle Mühe gab, nicht zu stolpern.
"Ich kaufe dir einen warmen Punsch, damit du nicht mehr frierst!", rief Gunil absolut überzeugt von seiner Idee. "D-das ist nicht nötig!" "Doch!"Kaum kamen die beiden an einer Bude mit heißem Punsch vorbei, stellte Gunil sich in die Schlange.
Er kam auch recht schnell dran. "Guten Abend! Einen heißen Apfelpunsch bitte!" Sofort bekam Gunil, wonach er verlangte, gab den Becher an Jungsu weiter und bezahlte."Pass auf, ich habe einen heißen Punsch bestellt, deshalb wird er auch heiß sein. Nicht, dass du dich verbrennst!"
"Ich bin kein kleines Kind mehr!", beschwerte sich Jungsu über Gunils Tipp und trank demonstrativ einen kleinen Schluck des Getränks."Scheiße!", fluchte er direkt danach.
"Oh je! Ist alles in Ordnung? Dumme Frage, natürlich nicht! Tut es sehr-"
"Sei still! Ich weiß genau, dass du eigentlich lachen willst. Und jetzt hör gefälligst damit auf, dich über mich lustig zu machen! Und wehe du sagst so etwas in die Richtung 'Pech' oder 'Ich hab's dir doch gesagt'!", meckerte Jungsu.
"Keine Sorge, hatte ich nicht vor", prustete Gunil, "Soll ich pusten?"
"IGITT, NEIN!", rief Jungsu.Nach zehn Minuten war es dann auch möglich, den Punsch zu trinken, ohne sich den Mund zu verbrennen.
Nach weiteren zehn Minuten war der Punsch Geschichte und Gunil brachte schnell den Becher zurück."Und?", fragte er, als er wieder kam. "Was und?"
"Ist dir immernoch kalt?"
"Ja, aber nicht mehr so sehr. Danke übrigens für den Punsch."
"Keine Ursache. Willst du noch meinen zweiten Handschuh?"
"Nein, dann hast du ja keinen mehr.""Oder...", Gunil stockte, "... oder willst du ... doch wieder nach ... nach hause?"
Als Jungsu Gunil so unsicher sah, fühlte er sich schlecht, weil er sich den ganzen Abend so blöd verhalten hatte.
"Nein, also, ähm, eeeeigentlich finde ich es gerade ganz schön mit dir.""Wirklich?", fragte Gunil noch einmal nach und als Jungsu bestätigend nickte, wurde sein Lächeln zu einem breiten Grinsen und in seine Augen trat dieses Glitzern, das Jungsu so liebte.
Es tauchte immer nur auf, wenn Gunil wirklich glücklich war, und wenn Gunil glücklich war, war Jungsu auch glücklich.Einen Momente sahen sich die zwei lächelnd in die Augen. Streng genommen dauerte dieser eine Moment eine Minute und dreiundvierzig Sekunden. Na hoppla.
Die beiden lösten ihre Blicke erst voneinander, als ein vielleicht dreijähriges Mädchen in Gunils Beine lief.
Zum Glück verletzte sich dabei keiner. Und es fiel auch niemand hin. Zumindest, wenn man das Mädchen außer Acht ließ. Es fiel nämlich auf den Po und begann zu weinen. Da kam aber auch schon ihr Vater, hob sie hoch, entschuldigte sich bei Gunil und Jungsu für die Störung bei ihrem Date und lief mit dem weinenden Kind auf dem Arm zur Oma, damit diese ihre Enkelin trösten konnte.Jungsu und Gunil sahen sich an ... und begannen zu lachen.
"Also, ähm ... du hast vorhin gemeint, dir sei noch etwas kalt. Gibt es irgendetwas, was ich tun kann, damit dir wärmer wird?", fragte Gunil ein bisschen bis sehr verlegen.
"Äh ... du kö-önntest mich vielleicht eventuell unter Umständen in den Arm nehmen? A-also natürlich nur, wenn du das willst...", stotterte Jungsu total aufgeregt und starrte auf Gunils Schuhe.
Hierbei muss auch dringend erwähnt werden, dass beide wie diese roten Christbaumkugeln aussahen. Nur halt ohne das Aufhänggedings, das Glitzern und etwas weniger zerbrechlich. Und menschlicher. Aber von der Farbe her.
Nach einer awkwarden Stille, die ganze drei Sekunden anhielt, breitete Gunil seine Arme aus, aber nur ein bisschen, weil das sonst komisch ausgesehen hätte, und machte einen mini Schritt auf Jungsu zu. Dieser löste sich aus seiner siebensekündigen Starre, machte seinerseits einen Schritt auf Gunil zu, sodass sie direkt voreinander standen und legte vorsichtig seine Hände auf den Rücken seines Gegenübers. Dieser umarmte den Jüngeren ebenfalls sanft.
Doch plötzlich ging ein Ruck durch Jungsus Körper und er drückte Gunil fest an sich.
So standen sie acht Minuten lang eng umschlungen in der Fußgängerzone.
Nicht zu vergessen, dass sie dabei sehr ungünstig im Weg rumstanden und alle ihnen ausweichen mussten.Aber niemand sagte etwas, weil das Bild einfach zu schön und friedlich aussah:
Gunil und Jungsu Arm in Arm inmitten vom weihnachtlichen Lichtermehr.
Yay, Montag!
Yay, Schule!
Yay, kein Ausfall!
Yay, eine Arbeit und ein Vokabeltest!
Yay!Einen wunderschönen Start in die Woche.