„Darf ich darauf hinweisen, dass wir uns seit einer Stunde kennen und es geradezu eine Zumutung ist, mich zu zwingen sich mit ihm ein Zimmer zu teilen." So waren Jeongins Worte gewesen, nachdem er erfahren hatte, dass seine Eltern ihn jetzt mit Haarband-Junge Hyunjin in ein Zimmer zu stecken versuchten. Im Inneren empfand er dessen Anwesenheit natürlich nicht als Zumutung, doch Übertreibung würde bei seinen Eltern vielleicht helfen. Doch sie ließen sich nicht umstimmen und meinten, dass noch andere in ihrem Alter bei ihnen seien würden. Das traf nie ein, denn in der gesamten Skigesellschaft war niemand anderes in ihrem Alter. So waren sie gezwungen sich ein Zimmer mit fünf Stockbetten zu teilen. Im Grunde nicht so schlimm, wenn es da nicht ein winziges Problem geben würde. Und das war die Heizung und ihr Funktionstüchtigkeit. Denn sie war kaputt. Hyunjin hatte immer geglaubt, dass die Nächte, die er im Gartenhäuschen seiner Großmutter übernachtet hatte, Prüfung genug gewesen waren. Doch er hatte sich geirrt. Mittlerweile war es Mitternacht und er konnte nicht schlafen. Es war unfassbar kalt, obwohl er unter drei Decken lag. Dazu war es wirklich unfassbar stickig, weil sich ja niemand traute das Fenster zu öffnen. Außerdem hatte er seit einer Stunde seine Haltung nicht verändert, weil es außerhalb des Teils der Decke, den er durch seine Körperwärme aufgewärmt hatte, selbst unter der Decke unfassbar kalt war. Abgesehen von Jeongins und seiner Decke, gab es noch acht weitere Decken. Jeongin hatte sich sieben davon geholt. Drei als zusätzliche Kissen und Kuschelobjekte, die anderen vier lagen über ihm. Hyunjin hatte es geschafft eine der acht Decken vor Jeongins Deckeneroberung zu bewahren. „Es ist so verdammt kalt. Ich wünschte ich wäre zu Hause, ich würde gerne sämtliche Pullis aus meinem Koffer holen, aber das Bett zu verlassen, ist bei dieser Temperatur wahrer Mord. Und dann könnte ich mir gleich auch ein paar Decken von diesem Deckenmonster holen." Murmelte Hyunjin in sein Kissen. In diesem Moment räusperte sich etwas vom anderen Bett. Es war Jeongin, das Deckenmonster, und Hyunjin erschrak sich zu Tode. „Dann gib acht, ich bin wie der Riese mit den tausend Augen namens Argus, aus der griechischen Sage. Ich sehe alles, selbst wenn ich schlafen." Kam es von anderem Bett. Zu Hyunjins großem Entsetzen klang seine Stimme sehr wach, was bedeutete, dass er seinen Monolog mit angehört hatte. „Tz", machte Hyunjin schnippisch, „der Riese wurde am Ende eingeschläfert und dann umgebracht."
„Ach Mist, was hätte ich es einfacher gehabt, wenn du die Sage nicht kennen würdest."
„Tja.", machte Hyunjin und streckte Jeongin die Zunge heraus. „Pfft, du bist so kindisch." Entgegnete Jeongin. „He, wage es nicht, ich bin älter als du." Hyunjin drehte sich gespielt beleidigt weg. „Woher willst du denn jetzt das wissen?", fragte Jeongin. Hyunjin kicherte in sein Kissen. „An deinem Rucksack hängt ein offensichtliches Geburtstagsgeschenk, wo dein Geburtsdatum drauf steht. Damit ist bewiesen, dass ich zehn Monate und und neunzehn Tage älter bin als du." Jeongin fand zwar, dass man ein Psychopath sein müsste, um sich Altersunterschiede so genau auszurechnen, aber er sagte es natürlich nicht. Denn gerade jetzt fragte ihn auch Hyunjin: „Sag mal, warum bist du eigentlich noch wach?"
„Mir ist kalt." Schweigen. Räuspern. Luftholen. „Du, der Deckendieb, willst mir sagen, dass dir mit deinen acht, ich wiederhole ACHT, Decken kalt ist. Willst du wissen, wie sehr ich hier erfriere?" Kurz dachte Jeongin nach, ob das nicht komisch wirken würde, wenn er das fragen würde. Doch dann fragte er trotzdem. „Möchtest du zu mir rüber?", fragte er vorsichtig. Auch Hyunjin dachte kurz nach, ob sich einen Meter tödliche Kälte dafür lohnen würde, doch dann reizten ihn acht Decken doch zu sehr. Doch bevor er sich aus dem Bett, in die Gefahrenzone begab, wickelte er beide seiner Decken fachmännisch um sich und begab sich, fast schon majestätisch, zu Jeongin. Jeongin musste fast grinsen, weil er fand, dass Hyunjin aussah, wie ein niedlicher Borrito. Jeongin hob das doch monströse Gewicht an Decken, um Hyunjin reinzulassen. Dieser rollte sich zu ihm rein und kuschelte sich direkt, mit wirklich wenig Abstand an ihn. „Würdest du nicht deine Eispfoten von Händen an meinem Bauch wärmen."
„Ach komm schon. Jetzt habe ich mich schon extra für dich in den Eissturm begeben, jetzt will ich etwas davon haben."
„Das heißt nicht, dass du mich als deine menschliche Wärmflasche missbrauchen darfst."
„Hmm... doch!" Hyunjin entwickelte sich etwas aus seinen zwei Decken und klammerte sich an Jeongin wie ein Koala. „Du bist so süß, Innie."
„Hey", rief Jeongin empört, „ich habe dir noch nicht gestattet mir Spitznamen zu geben." Hyunjin lachte ins Kissen. „Ach und wann ist es mir gestattet, Herr von und zu Yang." Jeongin machte ein gespielt nachdenkliches Gesicht. „Hmmm, lass mich nachdenken. Ich denke ab jetzt."
„Also hätte ich dreißig Sekunden gewartet, dann hätte ich dich Innie nennen dürfen."
„Ja. Aber nur wenn ich dich Jinnie nenne darf, sonst musst mich nach wie vor Jeongin nennen. Und nein, ich bin nicht adlig. Meine Name hat kein von oder zu."
„Ja ja, glaub ich dir. Und in Ordnung. Ich bin einverstanden, dass ich dich Innie nenne, wenn du mich Jinnie nennst."
Etwa zehn Minuten entstand eine Pause im Gespräch, während sie sich aneinander festklammerten, um nicht zu frieren und gleichzeitig ihre Position veränderten. „Du, mir ist immer noch kalt." Flüsterte Jeongin. Das Flüstern war natürlich vollkommen überflüssig, denn niemand außer ihnen war im Zimmer und Hyunjin war viel zu unruhig, als das er schon schlafen könnte, doch er tat es trotzdem. „Mir auch", begann Hyunjin zu flüstern (sein Flüstern war selbstverständlich nicht weniger überflüssig), „aber weißt du was die auf dem Dach haben. Einen Whirlpool. Und weißt du was da drin ist? Warmes Wasser natürlich." Jeongins Gehirn brauchte, vor lauter Müdigkeit ein wenig um zu verstehen. „Das ist eine sehr dumme Idee." Flüsterte er zurück, doch ihr Flüstern war noch unnötiger geworden, denn mittlerweile war es eher ein Bühnenflüstern. "Ich weiß, aber das ist der wärmste Ort im ganzen Haus." Schweigen, in dem Jeongin sich sicher war, dass Müdigkeit Hyunjin verblödet hatte. Im Gegensatz zu Hyunjin selbst, der das ganze für genial hielt. Das schien es auch zu sein, denn wenige Minuten später bibberten sie sich durch den eiskalten Gang in Richtung Balkon. Dort stand der Whirlpool in all seiner Pracht. Die Lichter im Inneren leuchteten einladen und die rundliche Form sah aus, als wollte das Wasser sie geradezu in die Arme schließen. Doch selbst wenn der Pool weniger einladend gewirkt hätte, wären sie ohne weiteres reingesprungen. Das Gefühl in Klamotten in das heiße Wasser einzutauchen war unbeschreiblich. Es war heiß und der Wasserdampf stieg auf. Es fühlte sich an, als wäre man in etwas warmes, flauschiges eingehüllt. Als sie auftauchten war sich Hyunjin sicher die Sonne aufgehen zu sehen, als er in das strahlende Lächeln Jeongins blickte. Hyunjin strahlte allerdings nicht minder und man könnte meinen, das jede andere Lichtquelle überflüssig geworden wäre. Sie lachten und kicherten, wie wenn man etwas nur so mittel erlaubtes tut. Jeongin schwamm auf Hyunjin zu und wischte ihm mit den Händen die nassen Strähnen, die an seiner Wange klebten aus dem Gesicht. "Du bist hübsch." Meinte Jeongin mit einem breiten Lächeln. "Echt?", fragte Hyunjin und schien fast vergessen zuhaben, dass er ja zehn Monate und neunzehn Tage älter war. "Echt." Bestätigte Jeongin und wäre bessere Beleuchtung gewesen, dann hätte man die Röte auf den Wangen der beiden bemerkt. "Schau mal, dahinter sieht man schon fast den Sonnenaufgang." Hyunjin schwamm etwas zum Rand und zeigte auf den violetten und rosafarbenen Streifen am Horizont. Jeongin Schlangen ihm von hinten die Arme un den Hals. Hyunjins Herz flatterte aufgeregt bei dieser Berührung. Sicherlich wäre ihre Panik kleiner gewesen, wenn er gewusst hätte, dass Jeongins Herz nicht minder schlug. Aber wahrscheinlich hätten beide Herzen doppelt so schnell geschlagen, wenn sie gewusst hätten wer sich an Silvester um Mitternacht, halb versteckt hinterm Weihnachtsbaum, küsste.
The End