Jeder hat einen Weihnachtsbaum, dachte Beomgyu traurig, jeder, nur wir nicht.
Er saß an die kühle Fensterscheibe gelehnt im Auto. Er und sein Freund Taehyun waren gerade auf dem Rückweg von einem Weihnachtskaffeetrinken bei dessen Eltern. Sogar die hatten Deko!
Beomgyu war ein total Weihnachtsfan, seiner Meinung nach konnte man zu Weihnachten gar nicht genug kitschige Deko rumstehen haben. Als Ausgleich war Taehyun der Grinch 2.0, er wollte nichts von Weihnachten hören. Da die beiden zusammen in einer Wohnung lebten und Taehyun jede Diskussion gewann, war bei ihnen nichts weihnachtliches zu sehen. Es sah aus wie sonst auch immer. Um einen weiteren Streit zu vermeiden, hatte Beomgyu sogar seine Weihnachtssocken so weit unten in der Sockenkiste wie nur möglich vergraben.
Taehyun hatte schlechte Laune und meckerte über alles: die Autofahrer verhalten sich unmöglich, warum lässt sie niemand vorbei, warum muss genau dann, wenn sie kommen, jemand über den Zebrastreifen wollen, die roten Ampeln wollen sie nur ärgern...
Das lag wohl daran, dass es bei seinen Eltern so weihnachtlich aussah. Davon bekam Taehyun sehr schnell schlechte Laune.Taehyun bremste und fuhr rechts ran. "Was ist los?", fragte Beomgyu verwirrt.
"Komm!", war das einzige, das Taehyun antwortete, bevor er ausstieg.
Noch immer verwirrt tat es Beomgyu seinem Freund nach.
Taehyun lief schnurstracks zu einem kleinen Café. "Wir haben doch gerade erst bei deiner Mutter Kuchen gegessen?" Auch wenn Beomgyu der Meinung gewesen war, dass er sich schon an der obersten Grenze des Superlatives von verwirrt, wuchs seine Verwirrung noch weiter, als Taehyun sein Handy auspackte, kurz darauf blickte und ihm dann ein Riesenstück Torte und eine heiße Schokolade kaufte.
"Ach, ich darf meinem Freund jawohl auch mal was Gutes tun und ihn verwöhnen", war Taehyuns Antwort auf Beomgyus Halbfrage.
Er trug die Sachen zu einem kleinen Tisch und setzte sich hin. "Kommst du?", fragte er, als sich Beomgyu immernoch nicht rührte. Langsam setzte dieser sich in Bewegung. Das alles passte gar nicht zu Taehyun. Normalerweise war seine Laune nach dem Weihnachtskaffee bei seinen Eltern am absoluten Tiefpunkt und er wollte für den Rest des Tages in Ruhe gelassen werden. Und auch sonst ging er nie in ein Café. Warum sollte er auch, wenn er genauso gut mit Beomgyu etwas selbst backen könnte? Das war so auffällig, dass es fast schon "Hey, hier stimmt etwas nicht! Nimm das mal genauer unter die Lupe, Beomgyu!" rief.
Aber dieser Aufforderung konnte Beomgyu auch nachher noch nachkommen. Erstmal sollte er den Kuchen und die heiße Schokolade genießen, dann konnte er immernoch hinterfragen, warum sein Freund sich verhielt, wie er es nunmal gerade tat.
"Und, hat es geschmeckt?", fragte Taehyun lächelnd. Natürlich erst, nachdem er wieder auf sein Handy gesehen hatte. "Ja, danke."
Draußen war es schon lange dunkel, als sie das Café verließen und zurück zum Auto liefen.
Auf der Fahrt zur Wohnung war es still. Auch noch, als sie ausstiegen und zur Haustür liefen. Alle Wohnungen waren hell erleuchtet und an den Balkonen hingen Lichterketten. Ihre Wohnung viel in dieser Idylle unangenehm als schwarzes Loch auf. So wirkte es zumindest im Gegensatz zu den hellen, weihnachtlichen Zimmern.
Seufzend sah sich Beomgyu um, während Taehyun die Tür aufschloss. Seine Hände waren schon ganz kalt, als sie endlich in den Hausflur traten und dann zusammen die Treppen hoch stiegen. Bis zum dritten Stock. Sie lebten im dritten Stock auf der linken Seite.
Wieder wartete Beomgyu, bis Taehyun die Tür aufgeschlossen hatte. Dann trat er in den dunklen Flur und tastete nach dem Lichtschalter. Es klickte, dann war der Flur hell.
Nachdem er Schuhe und Jacke ausgezogen hatte lief Beomgyu ins Bad, um sich die Hände zu waschen.
Als er wieder in den Flur kam, war von Taehyun keine Spur. Beomgyu zuckte mit den Schultern und lief ins Wohnzimmer. Er schaltete das Licht an und was er sah, ließ seinen Atem stocken.
"Überraschung!", riefen Kai und Taehyun.
Aber nicht das schockte Beomgyu, nein. Es war die Tatsache, dass da mitten in ihrem Wohnzimmer ein geschmückter Weihnachtsbaum stand. Dazu stand auf der Fensterbank eine Krippe und im Fenster hing ein Stern, der gerade von Taehyun, der in einem Weihnachtspulli steckte, angeschaltet wurde.
Als das getan war, drehte sich Taehyun mit einem schiefen Grinsen im Gesicht zu ihm um. "Gefällt es dir?", fragte er nervös und auch etwas hoffnungsvoll.
"Natürlich gefällt es mir! Danke, danke, danke!", quietschte Beomgyu, der sich aus seiner Schockstarre gelöst hatte, und fiel seinem Freund um den Hals.
"Ich will ja nichts sagen, aber ich habe das alles aufgebaut", schaltete sich nach einer Weile ein grinsender Kai ein.
"Natürlich, dir auch ein ganz besonders herzliches Dankeschön!", grinste Beomgyu seinen besten Freund an und schloss ihn fest in die Arme.
"Sollte ich als dein fester Freund eifersüchtig sein?", fragte Taehyun wohl wissend, dass er Kai nicht als Konkurrenz einschätzen musste.
"Nein, denn du weißt, dass ich nur dich liebe", lachte Beomgyu daraufhin und warf sich wieder in die Arme seines Freundes.
"Danke", hauchte er, bevor er seine Lippen mit denen von Taehyun verband.
Hier ist der Oneshot mit mehr Verspätung als die Deutsche Bahn...