Zitternd zog Seonghwa seine Jacke enger um sich. Es war Sonntag, unverschämt früh, einfach nur kalt und Seonghwa hatte die geniale Idee bekommen, einfach mal zu Hongjoong zu gehen, um dann pünktlich um zwanzig nach sechs bei ihm auf der Matte zu stehen. Er wusste wirklich nicht, was ihn in diesem Moment geritten hatte. Denn er lief schon seit fünfzehn Minuten durch die Kälte und bereute unter anderem, dass er weder eine Taschenlampe noch eine Mütze dabei hatte. Es war nämlich stockdunkel und seine Ohren hatten kein Gefühl mehr. Dazu wurden seine Haare ganz schneeig und er war sich sicher, dass, wenn er endlich in Hongjoongs Wohnung war und der Schnee schmelzen würde, er seine Haare nicht mehr waschen brauchen würde.
Als goldene Krönung merkte er, dass seine Handschuhe und seine dicke Winterjacke irgendwie viel zu dünn und seine Stiefel nicht wasserabweisend waren. Das war weniger gut, vorallem da es seit dem Vortag schneite und schon eine ordentliche Schneedecke die Straße bedeckte.
So stapfte er die Zähne zusammenbeißend die Straße zu Hongjoongs Wohnung hinunter.
Plötzlich blieb er wie festgefroren stehen. Dann drehte er sich um neunzig Grad nach links. Dort stand es. Hongjoongs Auto. Es war von Schnee bedeckt, auch die Windschutzscheibe. In Seonghwas Kopf nahm eine Idee Form an. Schnell trat er an das Auto heran, nicht, dass er doch noch am Boden festfror.
Er sah sich noch kurz um, dann malte er mit einem Finger ein Herz in den Schnee und schrieb S+H hinein, sah sich noch einmal um und lief schnell weiter.
Als er sich wenig später dem Haus näherte, in dem seine Zielperson lebte, blieb er wieder stehen, aber dieses Mal aus Überraschung. Dass das Auto dort stand wusste er ja schon, aber in Hongjoongs Küche brannte Licht. Außerdem meinte Seonghwa ihn herumwuseln zu sehen. Ausgerechnet Hongjoong! Genau der Hongjoong, der am Wochenende und in den Ferien nicht vor zwölf zu erreichen war. Und nun stand er sonntags um kurz nach sechs in der Küche. Irgendetwas war da ganz gewaltig faul. Zumal Hongjoong die Küche immer nur betrat, um aus dem Kühlschrank oder Gefrierschrank etwas zu holen und anschließend in die Mikrowelle zu packen. Er schaffte es nämlich nicht einmal Nudeln zu kochen, ohne dass etwas anbrannte oder explodierte.
Aber da Seonghwa kalt war und er immernoch nicht am Boden festfrieren wollte, beschloss er, einfach weiter zu gehen, da er sich in Hongjoongs Wohnung Gedanken darüber machen konnte. Etwas Gutes hatte die Sache: Seonghwa würde nicht warten müssen, bis er Hongjoong wach geklingelt hatte.
"Oh, hallo Seonghwa! Was machst du denn hier?", fragte ein überraschter, mehlbedeckter Hongjoong, als er die Tür öffnete und den unangekündigten Gast sah.
"Och, ich dachte, ich komme einfach mal vorbei und schau, was du so machst", war Seonghwas Erklärung, in der Hoffnung, dass er nicht fragen müsste, warum Hongjoong schon wach war und was er in der Küche machte.
"Ach so...", murmelte Hongjoong, "Ähm, willst du dann vielleicht reinkommen? Es wird langsam kalt..." Natürlich nahm Seonghwa dieses Angebot gerne an, denn er fühlte sich wie Anna ziemlich am Ende von Frozen.
Hongjoong war schon wieder auf dem Weg in die Küche, in die er sonst keinen Fuß setzte. "Du weißt ja, wo alles ist. Fühl dich wie zu Hause!", rief er noch über die Schulter, dann schloss er mit einem lauten Knall die Küchentür.
"Okaaay...", murmelte Seonghwa verwirrt und begann zu versuchen, mit seinen steifen Fingern seine Schuhe zu öffnen, was nicht sonderlich gut klappte.
Währenddessen nahm Hongjoong in der Küche wieder seine Arbeit auf und schaltete die Musik wieder an, weshalb er auch nicht hörte, wie Seonghwa nach ihm rief.
Seonghwa hatte es aufgegeben, seine Schuhe ausziehen zu wollen, und stand nun im Bad am Waschbecken, um seine Hände wiederzubeleben. Dabei dachte er darüber nach, ob er auch seine Ohren unter das warme Wasser halten sollte, verwarf diese Idee aber wieder.