Part 1

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„Herrgott nochmal Maya, was hast du jetzt schon wieder gemacht?", ich höre die Stimme meiner Mutter, zucke automatisch zusammen und ziehe meinen Kopf ein. Dabei fällt mein Blick auf mein jetzt nicht mehr ganz so weißes Kleid. Dabei wollte ich nur dem kleinen Hasen hinterher, der eben über unsere Wiese gehoppelt ist. Der war so klein, süß und flauschig. Und ich wollte doch wirklich nur mit ihm kuscheln. Betreten schaue ich zu Boden und werde keine Sekunde später an einem Arm herum gerissen. „Was du jetzt schon wieder gemacht hast, will ich wissen, junges Fräulein?! Du weißt doch, dass wir Besuch bekommen. Warum kannst du dann nicht einmal ruhig auf der Terrasse sitzen bleiben und warten bis alle da sind. Nimm dir mal ein Beispiel an deiner Freundin Lilly. Sie sitzt immer noch da oben und ist ein wirklich braves kleines Mädchen. Aber du? Du siehst schon wieder aus, als hättest du im Dreck gewühlt. Machst du das mit Absicht?"

Ruckartig hebe ich meinen Blick und schüttele vehement den Kopf. Ich will doch nicht, dass Mama böse auf mich ist. Aber einfach nur da sitzen ist so langweilig und das Kleid kratzt außerdem total am Hals. Ich will lieber wie die anderen Kinder auf dem Spielplatz spielen, im Sand buddeln oder im Garten etwas umgraben, mit dem Häschen kuscheln oder wild über die Wiese toben. Nicht bloß da oben sitzen, wie eine der Puppen in meinem Zimmer. Die sind übrigens genauso blöd, wie das olle still sitzen. Denn wirklich mit denen spielen darf ich auch nicht. Die waren teuer sagt Papa und er will nicht, dass ich sie kaputt mache. Das habe ich nämlich schon mal. Aber das war keine Absicht. Wir wollten doch bloß die Treppe runter Schlitten fahren. Wie die im Fernsehen. Dabei hat Püppi dann aber einen Arm verloren. Der Papa von Marie aus meinem Kindergarten hätte sie bestimmt wieder reparieren können. Das hat er nämlich schon mal mit  einer Puppe von ihr gemacht, aber mein Papa kann sowas nicht. Er hat Püppi weggeworfen und das obwohl ich ihn gebeten habe, sie wieder heil zu machen. Aber das hat er nicht. Dafür hat er ganz doll mit mir geschimpft, genau wie Mama jetzt.

Marta, meine Nanny, geht kurz darauf vor mir in die Knie. „Na komm kleine Prinzessin, wir machen dich sauber und ziehen dir was anderes an", flüstert sie leise und hält mir ihre Hand hin. Ich starre immer noch vor mir auf die Wiese und traue mich nicht hoch zu sehen. Sie ist bestimmt genauso enttäuscht von mir wie Mama. Aber als ich dann meinen Blick vorsichtig hebe, lächelt sie mich liebevoll an und ich bin komplett verwirrt. „Bist du nicht böse auf mich?", frage ich sie kleinlaut. Als Antwort schüttelt sie nur mit dem Kopf und wirft einen kurzen Blick über ihre Schulter, bevor sie sich wieder mit zuwendet. „Ich hätte den Hasen auch fangen wollen und jetzt komm, wir ziehen dich um", sie zwinkert mir verschwörerisch zu und ich lächle zum ersten Mal, seitdem Mama mich mit dem dreckigen Kleid erwischt hat.

Sie nimmt mich auf den Arm, ich lege meine kleinen Hände an ihren Hals und meinen Kopf auf ihre Schulter. „Marta?", frage ich sie leise, während sie mich durch den Garten und in Richtung Haus trägt. „Ja Prinzessin?" „Kannst du mir ein Kleid aussuchen was nicht nicht kratzt?", frage ich sie vorsichtig. Ich weiß, dass Mama die bequemen Sachen für solche Tage wie heute nicht mag. Aber vielleicht findet Marta ja etwas was nicht ganz so komisch ist auf der Haut. Meine Nanny lacht leise und drückt mich etwas fester an sich. „Ich kanns versuchen kleine Prinzessin." Ergeben seufze ich und drücke mein Gesicht an ihren Hals. Marta riecht unglaublich gut und ich hab sie so unglaublich lieb. Ich hoffe, dass sie niemals weg geht.

Ich lege kurz vor dem Anstieg noch einmal etwas an Tempo zu. Eigentlich bin ich zu schnell, aber das ist mir heute morgen wirklich vollkommen egal. Ich muss diesen Traum loswerden, dieses Gesicht und diese Augen. Für nichts anderes laufe ich.

Meine Füße berühren im schnellen Tempo den Boden und ich bemühe mich nicht auf dem Schotter des Waldweges auszurutschen. Aber langsamer laufen kommt nicht in Frage. Auf gar keinen Fall. Ich habe so lange dafür gekämpft dieses Gesicht zu vergessen und dieses Gefühl was ich mit ihm verbinde. Da werde ich nicht zulassen, dass er mir jetzt wieder alles kaputt macht. Auf gar keinen Fall! Nicht jetzt.

Forever us?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt