Part 28

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Das warten kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit in der ich nur aus dem Fenster starre und meinen Gedanken nachhänge. Wir sind hier in einem Privatzimmer, dass mehr nach einem Hotel aussieht, als nach einem Krankenhaus und ich... will das alles nicht mehr. Wie kann ich von dem Leben mit meiner Familie wegkommen, wenn ich jetzt... jetzt hier bin... Als Marius und ich uns kennen gelernt haben, da hatte er nichts bzw. wenig und das war gut so. Für mich jedenfalls. Jetzt... hier... gerade.... ist es genau umgekehrt. Das Leben, dass Marius lebt, dass... möchte ich nicht mehr. Eine Erkenntnis, die ich unbewusst, die ganze Zeit mit mir herum getragen habe, aber ich weiß, dass sie schon irgendwo ganz tief vergraben war. Und diese Erkenntnis macht mich so unglaublich traurig, dass ich auf der Stelle losweinen könnte, wenn sich nicht in diesem Moment die Tür öffnen würde.

Julian und Jannis springen sofort von ihren Stühlen auf, während zwei Schwestern ein Krankenbett durch die Tür schieben. „Alles gut gelaufen?", fragt Jannis leise in den Raum hinein und die ältere der beiden Frauen nickt. „Er ist auf dem Weg hierher wieder eingeschlafen, also geben Sie ihm etwas Zeit sich zu erholen. Er braucht den Schlaf", flüstert sie den beiden Jungs leise zu, während ihre Kollegin Marius Bett an seinen Platz schiebt. Nachdem sie die Bremsen festgestellt und Marius Medikamente an den Infustionsständer befestigt hat, verlassen die beiden Schwestern den Raum und geben somit das Bild auf den Mann frei, dem mein Herz gehört. Auch das ist eine weitere Erkenntnis, die mir jetzt deutlich bewusst wird. Meine Gefühle für ihn haben niemals aufgehört, ich hatte sie nur weggeschlossen. Immernoch in Gedanken merke ich gar nicht, dass ich aufgestanden bin und auf das Bett zugehe. Erst als meine Oberschenkel das Bett berührigen komme ich zu mir.

Marius lange Haare liegen wirr auf dem Kopfkissen und erinnern mich an eine Löwenmähne. Wer ihn kennt weiß, dass der Vergleich gar nicht so abwegig ist, aber Marius... mag lieber den Vergleich mit einem Wolf. Er meinte mal, dass das Tier eher seinem Naturell entsprechend würde und vielleicht hatte er Recht... Wölfe sind soziale Tiere mit starken Bindungen. Sie leben in einer Art Familienverband, ihrem Rudel. Marius ist dem Wolf also tatsächlich ähnlich. Er hat auch eins und das war ihm schon immer sehr wichtig. Im Gegensatz zu mir. Ich wollte immer aus dem Rudel weg, in das ich hineingeboren wurde. Mein Rudel war Marius, aber er... er will mehr. Braucht mehr... Wo ich nur meine Ruhe haben möchte, steht Marius furchtbar gern in Mittelpunkt und ist rund um die Uhr mit anderen Menschen zusammen. Das... brauche ich absolut gar nicht. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger kann ich verstehen, wie das mal mit uns funktionieren konnte. Natürlich war da Liebe, aber... das alleine reicht mir jetzt nicht mehr.

Mir schießen Tränen in die Augen und ich kann dem Schmerz der sich gerade in meiner Brust festsetzt kaum noch ertragen. Ich will nicht gehen, aber ich weiß auch, dass ich nicht bei ihm bleiben kann. Das... geht nicht mehr, nicht nach all dem was war. Ich realisiere erst, dass ich zittere, als ich Jannis Hand an meinem Rücken spühre. „Er wird schon wieder, Maya. Er ist Marius, weißt du noch... Unkraut vergeht nicht...", er lächelt mich furchbar verständnisvoll an und jetzt weine ich endgültig einfach los. „Oh... das... ich wollte nicht...", Jannis weiß nicht, was er mit dem aufgelösten Häufchen Elend vor sich tun soll, weswegen sein Bruder einspringt. Und er versteht sehr genau, warum ich gerade so reagiere: „Ich glaube nicht, dass sie sich deswegen Sorgen macht, Brüderchen. Ich glaube Maya hat gerade etwas verstanden und das...", er schluckt kurz und sein Blick wandert traurig zu Marius, „... das wird beiden sehr weh tun, aber ich denke es ist der richtige Weg."

Überrascht schaue ich in Julians Augen und er lächelt vorsichtig, nickt dann und zieht seinen Bruder, der immer noch keine Ahnung hat, was gerade los ist, protestierend aus dem Zimmer. Tränen strömen immer noch über Gesicht, als die Tür hinter den beiden ins Schloss fällt und ich zusammen zucke. Erst will ich zurück ans Fenster gehen, aber Marius verzieht im Schlaf schmerzhaft das Gesicht und seine Hände wandern unruhig über die Bettdecke, was mich... einfach nur reagieren lässt. Ich krabbele ungelenk auf das Bett, lege mich an seine Seite und meine Hand wandert zu seiner. Ich umschließe sie, drücke vorsichtig zu, bevor ich sie anhebe und auf seinen Oberkörper lege. Meine Hand hält seine, während ich die Stirn an seine Schulter lege mich vorsichtig an ihm festhalte. Ich weiß, dass ich nicht mehr wiederkommen werde, wenn dieser Tag vorbei ist und ich... will alles aufsaugen was ich kann.

Forever us?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt