Konzert

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Das leise Gemurmel, das zuvor zu ihnen gedrungen war, verstummte, als sie auf die Bühne traten. Dann setzte es wieder ein und brach ab, als Magnus sie mit seinem Mikrophon ankündigte. Alea sah mit weichen Knien in die dunkle, bedrohliche Masse, während sie ihre Gläser richtete, aber sie konnte keine Gesichter genau erkennen, dafür war es zu dämmrig. Als Magnus jedoch laut sagte: „The Alpha Cru!", ging von allen Seiten das Licht an und Alea stand plötzlich im Mittelpunkt.

Und jetzt konnte sie sehen, wie viele es waren.

Hunderte, tausende Augenpaare waren auf sie gerichtet, und jedes einzelne von ihnen schüchterte sie ziemlich ein, aber der Elvarion-Modus setzte sogleich ein und brachte Alea dazu, nicht gleich vor Angst ins nächste dunkle Loch springen zu wollen. Lennox lächelte sie an und sie versuchte den Blick zu erwidern. Zumal wurde er dadurch fürs Publikum sichtbar, andererseits war es das einzige, an das sich Alea im Moment festhalten konnte.

Dann begann er die ersten Töne von When the water calls on you zu spielen. Alea war froh, dass sie bei diesem Lied nicht allein sang. Sie wollten anfangs noch ihre eigenen Lieder singen und später die Hymnen der Ocean knights, da sie mehr als genug Zeit hatten für sechs, sieben Songs.

Sogleich fing Tess an zu singen und ihre Rockröhre wurde durch das Mikro und zwei großen Lautsprechern an den Seiten der Bühne perfekt eingefangen und in den Raum geworfen. Alea bekam wie immer eine Gänsehaut, und als sie in die Masse blickte, sah sie, dass es den meisten anderen Leuten genauso ging. Tess war einfach ein geborener Star, das wurde jedem hier nach ein paar Versen bewusst. Ein Haufen Lichter von Smartphones blinkten auf und Alea versuchte zu lächeln, bevor sie im Refrain mitsang. Aber sie sang ganz gut. Den ersten Refrain hatte sie schon hinter sich und bisher hatte Alea sich noch kein einziges Mal verspielt!

Sammy warf Alea einen Blick zu, als könnte er ihre Gedanken lesen. „Genieß es lieber hier zu stehen, als die ganze Zeit nur dem Ende entgegenzufiebern", sagten seine Augen und Alea seufzte innerlich. Sie sandte ihm ein nonverbales „Versuch ich ja" zu und Sammy funkelte sie vergnügt an, bevor er sich für den zweiten Refrain bereit machte. Auch Lennox lächelte und fiel lautstark mit ihnen in den Refrain ein.

Bald hatten sie When the water calls on you beendet und stimmten ins nächste ein: Sealights. Alea wappnete sich innerlich und begann zu singen. Sie wusste, dass nun alle Blicke an ihr hafteten. Als Lennox einsetzte und sich gleich darauf einmal verspielte, war Alea für einen Moment irritiert, aber sie fing sich noch gerade so, bevor sie sich verhaspeln konnte. Es kam nicht oft vor, dass Lennox sich verspielte, aber es war ein gewisser Trost, dass er genauso aufgeregt war wie sie.

Dieses Lied spielte die komplette Alpha Cru mit, wobei nur Lennox und Alea sangen. Beim nächsten, Fünf, würden wieder alle singen. Dank der Sprachtauscher konnten sämtliche Anwesenden hier den Text verstehen – aber würde er sich in ihren Ohren auch reimen? Es schien so und Alea wurde mit jeder Minute entspannter und begann tatsächlich zu genießen. Sie stand hier vor den tausend von Landgängern, sie inspirierte sie und hatte eine womöglich einmalige Chance etwas vor so vielen Menschen zu vermitteln.

Ocean's heart", flüsterte Lennox Alea zu, als das Lied geendet hatte. Sie nickte und atmete tief durch in der Erwartung, gleich Lennox' Gitarrenspiel zu hören. Jedoch kam aus den Lautsprechern genau die Keyboardbegleitung, die sie auf der Crucis eingeübt hatten! Alea warf Lennox einen überraschten Blick zu, dann wandte sie sich an das Publikum, ging einen Schritt nach vorne und begann zu singen.

Nach dem ersten Refrain fühlte Alea eine Hitze im Gesicht aufsteigen, die von der Aufregung und Freude kommen musste. Würde Ocean's heart etwas in den Menschen verändern? Würde jeder von ihnen heute nach Hause gehen und könnte sich an genau dieses Lied noch erinnern?

Sie schmetterte gerade aus voller Brust das Take me down... vom Refrain heraus, als plötzlich die Lichter ausgingen. Ocean's heart verstummte und im Publikum machte sich Unruhe breit. Es war stockfinster in der großen Halle.

Alea fuhr zu den anderen herum. „Was ist los!?" Sie hörte Schritte und sogleich tauchte Siskas Silhouette neben ihr auf.

„Darkoner!", brachte sie panisch hervor.

„Was!?" Lennox fluchte lautstark. „Wir müssen sofort verschwinden."

Siska nickte. „Ich hab die Stromzufuhr unterbrochen, aber lange kann es nicht dauern, bis die Lichter wieder angehen."

„Wie viele sind es?"

„Mindestens zwanzig", kam die Antwort nun aus einer anderen Richtung. Siska hatte sich in Bewegung gesetzt.

Laut sagte sie: „Wir gehen zu den Umkleiden!" Mit einer Reihe von Gesten bedeutete sie ihnen jedoch, in genau die andere Richtung zu gehen und ihr zu folgen. Alea wurde ganz flau im Magen, als sie so schnell wie möglich blind umhertappte, aber Siska war sich ihrer Sache sicher und konnte in der Dunkelheit wohl auch mehr sehen.

Sie passierten einen schmalen Korridor und stießen nach einer Weile auf eine Tür, die sie nach draußen brachte. Siska und Lennox scannten augenblicklich die Umgebung ab, aber kein Darkoner war zu sehen. „Zum Auto", sagte Lennox knapp und schulterte seine Gitarre. Im nächsten Moment wurde Alea siedend heiß bewusst, dass sie ihre Gläser hatte stehen lassen. Aber sie verdrängte den Gedanken und folgte Lennox durch die Gassen Roms.

Plötzlich hörte Alea eine Stimme in ihrem Kopf. „Alea!"

Sie stolperte beinahe über einen Bordstein, aber Ben hielt sie gerade so fest und Alea rappelte sich auf. „Alea, kannst du mich jetzt hören?"

Thea hatte endlich wieder Kontakt zu ihr aufgenommen.


Mein Alea Aquarius 9Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt