Mein Alea Aquarius 9

Verfolgt

Alea gab Cassaras' Blick nach. „Tut mir leid", murmelte sie und wandte ihren Blick wieder auf das Meer. „Aber... wenn man Lennox nicht helfen kann, wie Sie gesagt haben, dann bringt doch alles eh nichts mehr!"

„Das stimmt so nicht." Cassaras hatte wohl Mühe, ruhig zu sprechen. „Lennox und ich, wir haben sehr lange geredet, als ihr geschlafen habt."

Das war noch eine Sache, die Alea wissen wollte. „Über was genau habt ihr gesprochen?"

„Erst hat er mir natürlich von den Dingen erzählt, die plötzlich bei ihm anders waren. Unter anderem, dass er nicht mehr übersehen wird und niemandem die Erinnerungen nehmen kann." Zum Beispiel dem Taxifahrer, fiel Alea ein. Lennox hatte ihn k.o. gehauen, nachdem er bemerkt haben musste, dass seine Gabe nicht funktioniert hatte. Dabei hatte er ihnen vorgemacht, er sei ein halber Meermann gewesen! „Dann hat Lennox mir sein Mal gezeigt. Am Nacken, wie du vermutlich schon gesehen hast, eine Mischung aus Muras Malen und Hajara-Zeichen, die die Wirkung des Fluches wiedergeben." Das Hajara musste Alea wohl übersehen haben. „Mura trägt dasselbe Mal auf ihrem Handgelenk, ähnlich wie bei den Brim", sprach Cassaras weiter.

„Darum hat sie immer diese Lederbänder getragen!", fiel Alea auf. „Dort war der Fluch mit Lennox verzeichnet... und der Fluch auf Orion." Alea runzelte die Stirn. „Orion muss auch so ein Mal am Nacken haben, oder? Kapuzenhoodies verdeckten das bestimmt gut..." Wieder war ein Rätsel gelöst worden. Dass Orion immer Hoodies trug – das lag daran, dass er seinen Fluch verdecken wollte! Alea dachte kurz darüber nach, bevor sie fragte: „Und dann habt ihr über etwas gesprochen, das mit der Heilung zu tun hat...?"

Cassaras nickte bestätigend. „Es ist jedoch nur ein fixer Gedanke, eine Idee, die gleich wieder verworfen würde. Zudem unmöglich durchzusetzen."

„Aber Sie waren doch deswegen im Meer, oder?", hakte Alea nach.

„Ich habe dir gesagt, dass man den Fluch nicht brechen kann. Ich meine es auch so."

„Aber ihr hattet doch irgendeine Idee!", rief Alea aufgebracht.

Cassaras funkelte sie an, jedoch war er diesmal derjenige, der zuerst wegsah. „Das geht dich nichts an", sagte er leise. Wenn er im Wasser gewesen wäre, hätte sie sicherlich die barrikadenähnlichen Flächen um ihn herum gesehen, die eindeutig sagten, dass er auf nichts mehr antworten würde. Aber auch so wusste Alea, dass sie bei diesem Thema nicht weiterkam.

„Kann ich denn hoffen, dass diese Idee klappt?"

Cassaras schwieg für eine Weile lang. „Das solltest du selbst entscheiden", sagte er schließlich.

Alea überlegte. Eine andere Hoffnung hatte sie nicht, wieso sollte sie die dann aufgeben? Und selbst wenn diese Idee... nicht klappen würde, dann hätte sie sich wenigstens schon davor daran festhalten können. „Dann hoffe ich, dass sie funktionieren wird", teilte sie Cassaras leise mit.

Er nickte und wechselte das Thema. „Von Thea hast du nichts gehört, oder? Vermutlich auch keine Wandererbotschaften."

„Nein... außerdem weiß Thea noch nicht einmal, dass so etwas existiert. Und wenn doch, dann weiß sie nicht, wie Wandererbotschaften funktionieren."

„Du könntest ihr eine schicken", sagte Cassaras.

„Stimmt!" Alea sah aufgeregt auf das Wasser. Ihrer Schwester eine zu schicken wollte sie unbedingt ausprobieren, aber nicht jetzt, mitten in der Nacht.

„Und gibt es Neuigkeiten über Orions Aufenthalt?", fragte der Nixenprinz weiter.

Da kam Alea wieder der Anruf in den Sinn und sie erzählte ihm davon. Was hatte der Doktor bei ihrem Gespräch herausgefunden, was er extra so betonte? Darauf hatte niemand in der Cru eine plausible Antwort gehabt, aber vielleicht hatte Cassaras eine.

„Du konntest nicht verstehen, was diese andere Person gesagt hat?", hakte er nach.

„Ja, und Siska war gerade zu weit entfernt, um ihn zu verstehen."

„Aber was es auch war, es beinhaltete die Information, die Orion die ganze Zeit haben wollte." Cassaras rieb sich über seine Nixenmale. „Du kannst ihm also nichts verraten haben, nur diese andere Person."

„Aber was könnte das sein?"

Cassaras dachte nach und Alea wartete ungeduldig auf irgendeine Reaktion. Aber er starrte einfach nur stumm auf das Meer.

„Siska hatte eine vage Vermutung...", sagte Alea zögerlich. „Sie sagte, Orion könnte das Telefonat zurückverfolgt haben."

Nun sah Cassaras sie endlich an. „Ja, das glaube ich auch. In Sachen elektronische Geräte beschatten lassen, ist er Profi. Ich denke, eine Zurückverfolgung könnte er durchaus schaffen. Nur - wenn das wahr ist, dann habt ihr ein Problem. Ein großes Problem."

„Wir sind nicht mehr durch Skorpionfische getarnt...", murmelte Alea. Seitdem sie auf die Crucis gegangen waren, hatte Lennox keine Skorpionfische gerufen. Und nun fiel ihr siedend heiß die Folge davon auf.

„Ihr müsst wenigstens darauf vorbereitet sein, dass er kommt", sagte Cassaras. „Falls er bald hier ist, solltet ihr oder Zeirus' Tochter schon mal einen Plan entwickelt haben, so schnell wie möglich zu verschwinden – oder anders gegen Orion vorzugehen."

„Wir haben die Obsidianperle!", bemerkte Alea. „Eine Lafora hatte uns bei der Audienz mit der Talassiopa gesagt, wir könnten Orion mit der Perle zu ihr bringen und ihn dort richten."

„Wirklich? Dann ist die Lage vielleicht doch nicht so aussichtslos."

„Orion schießt sich selbst ins Knie, wenn er kommt..." Alea zog die Brauen zusammen. „Allerdings wird er nicht allein da sein, er kommt bestimmt mit seiner vollen Darkonerarmee im Schlepptau."

„Ihr solltet zusammen einen Plan entwerfen, nicht bloß du", unterbrach Cassaras sie bei ihrem Gedankengang. „So viele Köpfe dein Elvarion-Hirn auch ersetzt, du brauchst die Meinungen der anderen."

„Ja, natürlich werden wir gemeinsam darüber reden", sagte Alea etwas verwirrt. Wieso betonte Cassaras das so?

„Gut. Übrigens hab ich vorhin ein Schiff gesehen, das in eure Richtung fuhr. Du solltest wieder ans Steuer."

Sobald er ihr dies mitgeteilt hatte, ertönte der automatische Annäherungsalarm. Alea wich dem Kutter schnell aus und brachte die Crucis wieder auf ihren Ursprungskurs.

Als sie sich umdrehte, war Prinz Cassaras verschwunden.