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Hello, ich habe am Ende wieder eine kurze Frage an euch. Wäre lieb, wenn ihr kurz eure Meinung dazu da lassen könntet. Auch über einen kleinen Stern würde ich mich sehr freuen. Aber jetzt erst mal viel Spaß beim Lesen.

„Hey, kann ich dich vielleicht kurz etwas fragen?" Überrascht drehe ich mich auf der Stelle um und stolpere fast einen Schritt zurück, wenn ich merke, wie nah ich der anderen Person eigentlich bin. Ich war mitten in der Laufbewegung gewesen, weshalb der plötzliche Stopp mich ein wenig aus der Bahn geworfen hatte. Ich drehe mich zu der Stimme um und schaue direkt in ein paar blaue Augen. Aber es waren nicht einfach irgendwelche blauen Augen, sondern die intensivsten, die ich bisher je gesehen habe. Es ist, als könnte ich plötzlich so viel weiter sehen als einfach nur auf einen blauen Fleck mit einem schwarzen Punkt in der Mitte. Es geht so viel weiter ins Innere. Als würde ich in die unendlichen Weiten des blauen Himmels schauen, der aber nie endet. „Kannst du mir vielleicht sagen, wo ich hier das Sekretariat finde?" Wieder im Hier und Jetzt angekommen, wende ich meinen Blick sofort ab, muss aber einige Male blinzeln, um meine Umgebung wieder im vollen Maße wahrzunehmen. Was war gerade passiert? Es war als wäre ich für einen Moment nicht hier gewesen, sondern ganz woanders. Plötzlich höre ich auch wieder all die anderen Stimmen, die durch den langen Gang schallen. „Ja ... klar", spucke ich die beiden Worte fast schon aus und laufe einfach in die entsprechende Richtung los. Ich drehe mich kurz darauf wieder um, um zu sehen, ob mir das fremde Mädchen auf folgt. Das tut sie nicht. Auch sie schaut für einen Moment ein wenig verloren, bis sie sich wieder gefangen hat und mir mit schnellen Schritten entgegenläuft. Ich hatte sie wahrscheinlich mit meiner plötzlichen Bewegung überrascht. Einfach loszulaufen, ohne etwas zu sagen, war schon etwas komisch gewesen. Wahrscheinlich dachte sie, ich hätte sie einfach ignoriert. „Kommst du?" Erst jetzt nehme ich auch den Rest ihres Erscheinungsbildes wahr und lasse meine Augen einmal von ihren Haaren bis zu ihren Schuhen wandern. Passend zu ihren blauen Augen hat sie blonde Haare, die sie jedoch ein wenig unter einer gelben Mütze versteckt hat. Sie ist ein gutes Stück größer als ich, weswegen sie auch ohne sich anzustrengen, mit mir Schritt halten kann. Ein wenig ungeschickt versuche ich mich jedoch durch die anderen Schüler durch den leeren Gang zu quetschen, der vor allem so kurz vor dem Unterricht, am besten gefüllt war. Alle stehen einfach im Weg herum und machen keine Anstalten, den Weg freizumachen. „Ich bin übrigens Laura", stellt sich das blonde Mädchen bei mir vor und bringt mich erneut in die Realität zurück. „Ich bin Maeve", mache ich es ihr gleich und streiche mir eine lästige rote Haarsträhne hinter mein Ohr. „Wow, ein wirklich schöner Name", erwidert sie darauf und ich kann ein kleines Grinsen nicht unterdrücken. Erst jetzt fällt mir jedoch auf, dass sie einen deutlichen Akzent hat. Auch wenn sie ziemlich fließend spricht, ist leicht herauszuhören, dass Englisch nicht ihre erste Sprache ist. „Bist du neu hier hergezogen?", frage ich sie verwundert, erwähne jedoch nichts in Bezug auf ihre Aussprache. „Ich komme eigentlich aus Deutschland", erklärt sie mir und ich nicke verstehend. Ich hatte sowas in der Art bereits erwartet, spreche ich selber auch ziemlich fließend Deutsch. Mein Vater kommt ursprünglich aus München und war eigentlich nur wegen der Arbeit für ein paar Monate hier gewesen. Dann hat er jedoch meine Mutter kennengelernt, die in der Firma gearbeitet hat, mit der mein Vater in Kontakt getreten ist. Nach dem Auftrag ist er dann immer wieder hier hergekommen, um sie zu besuchen, bis er schlussendlich ganz hier geblieben ist. So kam es aber auch, dass ich zweisprachig aufgewachsen bin. „Cool, mein Vater ist ebenfalls aus Deutschland", erkläre ich auch Laura und ihr Gesicht hellt sich augenblicklich auf. „Heißt das, wir können auch Deutsch miteinander sprechen, ohne dass uns jemand anderes versteht?", möchte sie von mir wissen und ich kann bei ihrer Aufregung nicht anders, als anfangen zu lachen. „Ja, das können wir, auch wenn vereinzelt ein paar andere hier Deutsch sprechen." „Na das kann ja witzig werden mit uns beiden." Ja, das Gefühl hatte ich auch. An der Tür zum Sekretariat angekommen, trete ich ein wenig unschlüssig von einem Bein auf das andere. Soll ich mit ihr hereingehen oder doch lieber zu meinem eigenen Unterricht? Laura, die meine Unsicherheit zu bemerkten scheint, lächelt mir sanft zu. „Geh doch schon mal zu deiner Klasse. Danke für deine Hilfe, ich bin mir sicher wir werden uns sehr schnell wieder über den Weg laufen", fordert sie mich auf und ich nicke mit dem Kopf. Während sie hinter der Tür zum Sekretariat verschwindet, schaue ich ihr noch einen Moment nach, bevor ich wirklich ihren Vorschlag, zu meinem Unterricht zu gehen, nachkomme. Doch während ich im Klassenraum sitze, frage ich mich, wann und ob wir uns noch mal sehen. Mit großer Wahrscheinlichkeit war sie älter als ich und in einer anderen Klasse. Durch unsere unterschiedlichen Stundenpläne wird es wahrscheinlich schwer werden, uns einfach wieder über den Weg zu laufen. Ich hatte sie bisher nur ein mal getroffen und ich konnte trotzdem nicht verhindern an sie zu denken und darüber zu grübeln, wann und ob wir uns wieder treffen werden. Da wusste ich noch nicht, was uns beideerwarten würde.

Vom weiten kann ich genau die gleichen blauen Augen ausfindig machen, die mich damals so verzaubert haben. Diesmal schauen sie jedoch nicht direkt durch mich durch, sondern nehmen mich nicht mal richtig wahr, was auch deutlich besser ist. Seit dem Tag ist schon sehr viel Zeit vergangen und auch sehr viel passiert. Sie so nochmal wiederzusehen, habe ich nicht erwartet.

Ein Arm auf meiner Schulter lässt mich meinen Blick wieder zur anderen Seite wandern und direkt in das Gesicht von Lena Oberdorf schauen. „Ich hoffe es dauert diesmal nicht so lange, wie die letzte Besprechung, die wir am Einführungstag hatten", stöhnt sie auf und lehnt ihren Kopf theatralisch in den Nacken. Ihr Dutt kippt dabei ein wenig nach hinten, bleibt aber trotzdem noch in Form. Wir haben uns nach einer kurzen Pause in unserem Zimmer schon wieder auf den Weg zu einem der Seminarräume gemacht. Martina hatte die erste Besprechung bevor der Lehrgang wirklich beginnt, mit Absicht noch an den ersten Tag gelegt, um gleich am ersten Tag klarzumachen, worum es hier geht. So hatte es mir meine Zimmerkollegin und Sitznachbarin erklärt. In dem Raum waren mehrere Stühle nebeneinander aufgestellt und an einem Ende eine weiße Leinwand aufgebaut. Der Beamer war bereits angeschaltet und wirft das schwarz weiße Loge der deutschen Nationalmannschaft auf den weißen Stoff. Lena hatte sich sofort neben mir niedergelassen, mit der Begründung, dass Jule ihr immer zu viel mit den Beinen zappelt, wenn man mal zu lange auf einem Stuhl sitzt. Daraufhin hatte Jule nur lachend mit dem Kopf geschüttelt und sich auf den anderen Platz neben mir fallen gelassen. „Wird schon werden. Mein Trainer hat mal 5 Stunden durchgängig damit verbracht ein Spiel mit uns durchzugehen und zu analysieren, kurz nachdem das Spiel abgepfiffen wurde", versuche ich sie ein wenig zu besänftigen. Sie schaut mich daraufhin erschrocken an und hat auch ihren Kopf wieder nach oben gehoben. „Also da wäre ich auf jeden Fall einschlafen", stellt sie klar und ich kann ein Lachen nicht unterdrücken, erinnere ich mich noch allzu gut an diesen Abend. Auch daran wie die ein oder anderen fast vom Stuhl gefallen ist, weil sie für einen Moment die Augen geschlossen hatte. „Also, ich war definitiv nicht weit entfernt." Jetzt beginnt Lena ebenfalls zu lachen, hält sich aber relativ schnell wieder zurück, weil in dem Moment die Bundestrainerin den Raum betritt und alle auffordert ein wenig ruhiger zu sein. Unauffällig schaue ich mich ein wenig in unserem Raum um, weil ich das Gefühl nicht loswerde, dass mich jemand beobachtet. Ein blaues Paar Augen findet kurz darauf meine, aber verschwinden genauso schnell wieder wie sie aufgetaucht waren. Hatte Laura mich beobachtet?
Martina wartet nicht lange und beginnt sofort uns alle zu begrüßen. Sofort zieht sie alle Aufmerksamkeit auf sich. Jeder folgt ihren Lippen. Keiner wirkt gelangweilt oder abgelenkt. Genauso wie ich saugen sie alle jedes ihrer Worte auf. Sie spricht laut, aber schreit uns nicht an. Ihre Sätze sind klar und prägnant. Durch ihre Tonlage ist deutlich, wie wichtig auch dieser Lehrgang ist, auch wenn er keine direkte Vorbereitung für ein großes Turnier ist. Trotzdem trägt sie ein einfühlsames und freundliches Lächeln auf den Lippen, dass einen nicht gleich abschreckt. Ich glaube, Lena hat recht. Diese Trainerin wird mich unfassbar weit bringen.

Die erste Ansprache war wirklich etwas lang. Nachdem Martina uns alle begrüßt hat, begann sie ziemlich schnell uns den Plan für die nächsten Tage vorzustellen. Sie zeigte uns schon jetzt auf, welche Hintergründe manche Trainingseinheiten oder Besprechungen haben. Auch ging sie auf Dinge ein, die dem Anschein nach wohl von anderen Spielerinnen im letzten Lehrgang geäußert wurden und was verbessert werden sollte. Es war wirklich interessant, aber jetzt bin ich auch absolut fertig. Der ganze Tag ist wirklich schon sehr lange und mein Körper schreit nach der weichen Matratze, auf der er vorhin schon liegen durfte. Das frühe Aufstehen heute Morgen, weil ich meinen Koffer noch packen musste. Der Flug und die direkt darauf folgende Zugfahrt. „Also ich freue mich jetzt auf mein Bett", verkündet Lea und ich kann nicht anders, als zustimmend zu nicken. Doch dann kommt mir etwas ganz anderes in den Sinn. Etwas, dass ich in den letzten Stunden erfolgreich verdrängt hatte, oder eher jemand. Lena steht ebenfalls von ihrem Stuhl auf und streckt sich erst mal. „Also ich bin auch bereit fürs Bett, vor allem wenn ich daran denke, wann wir morgen wieder für das erste Training aufstehen müssen", verkündet sie und auch die anderen schauen nicht wirklich begeistert. Ich kann noch gar nicht wirklich daran denken, was morgen ansteht. Eigentlich freue ich mich jetzt schon auf den Moment, weil ich weiß, ich habe das mir bevorstehende Gespräch schon hinter mir. Unschlüssig darüber, ob ich erst noch mal in mein Zimmer gehen soll, oder Laura gleich mit mir reden will, folge ich erst mal dem Beispiel der anderen. Aufstehen und strecken und dann auf den Weg zur weißen Tür machen, die uns vom langen Gang mit roten Teppichen trennt. Gerade als ich aus dem Raum treten will, höre ich eine Stimme hinter mir, die mich augenblicklich gefrieren lässt. Auch die braunhaarige Wolfsburgerin, die wenige Schritte von mir entfernt steht, dreht sich überrascht um. „Ich hoffe, du hast unsere Verabredung nicht vergessen", begrüßt mich Laura und bringt mich damit sofort in eine unangenehme Situation. Lena schaut nämlich mehr als verwirrt zwischen uns beiden her und versucht gerade wahrscheinlich irgendwie zu verstehen, wann wir uns kennengelernt und verabredet haben. „Ne habe ich nicht. Wir haben nur nicht ausgemacht, wo wir uns treffen, um uns besser kennenzulernen." Jetzt ist es die Frankfurterin, die verwirrt schaut, aber ihr scheint deutlich schneller ein Licht aufzugehen. Auch Lena schaut nun um einiges verständnisvoller, aber der Ausdruck von Verwunderung ist noch nicht ganz wieder verschwunden. „Ich komme heute ein wenig später zurück. Geh du doch mit den anderen schon mal vor", versuche ich die Dutt-Trägerin aus ihrer Starre zu befreien. Für einen Moment schaut sie noch unschlüssig, dreht sich dann jedoch auf dem Absatz und geht durch die Tür, die noch von Lea aufgehalten wird. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie auch noch da war. „Mach aber lieber nicht so lange. Morgen wird ein anstrengender Tag." Ich nicke verstehend, was Lena dazu bewegt, mit den anderen in Richtung Zimmer zu verschwinden. Mir entgeht trotzdem nicht, dass sie sich deutlich noch mal zu uns umdreht. „Willst du ihr noch länger nach schauen, oder wollen wir dann?", reißt Laura mich aus meinen Gedanken und ich lenke meine Aufmerksamkeit wieder auf sie. Sofort bleiben meine Augen an ihren haften. Von Nahen erkenne ich exakt das gleiche Blau wie damals. „Wollen wir eigentlich einfach hier bleiben oder woanders hingehen?", frage ich sie und schaue ein wenig unsicher durch den mittlerweile vollkommen leeren Raum. „Naja, es gibt unten auch ein kleines Café im Hotel, das noch aufhat. Ich dachte, da sitzen wir deutlich angenehmer." Ich erwidere nichts sondern folge ihr einfach, wenn sie den gleichen Weg ansetzt, den die anderen vor wenigen Minuten bereits gegangen waren.
Schweigend laufen wir nebeneinander her, während ich meinen Blick in alle Richtungen, außer in ihre wandern lasse. Zu meiner Überraschung schweigt auch die Frau neben mir, von der ich so viel Ruhe gar nicht gewohnt war. Erst als wir bei dem Café angekommen sind, unterbricht sie die Stille. „Wo wollen wir uns hinsetzten?", wendet sie sich an mich und ich schaue mich unsicher im Raum um. Das kleine Café sieht wirklich sehr süß aus. Überall waren kleine Tische mit roten Sesseln aufgestellt. Auf ihnen steht jeweils eine weiße Kerze, die neben ein paar dimmbaren Lampen den kleinen Raum ein wenig erhellen. Dadurch wirkt es unfassbar gemütlich und ich kann nicht verhindern, dass ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen erscheint. „Vielleicht dort hinten in die Ecke?", schlage ich ihr mit leiser Stimme vor und sie stimmt mir augenblicklich zu. Ohne uns groß abzustimmen, wählt jeder einen der zwei Plätze aus und lässt sich entspannt auf den Sesseln fallen. Wir schweigen wieder. Ich weiß nicht wirklich, was ich sagen soll oder ob ich überhaupt etwas zu sagen habe. Eigentlich will ich nur in mein Bett und schlafen, der bequeme Sessel und das dunkle Licht machen es mir aber auch nicht wirklich einfacher. Nicht wirklich überraschend ist es dann, dass Laura das Gespräch beginnt. „Du siehst gut aus. Deine Haare sind deutlich länger geworden", beginnt sie und ich versuche nicht geräuschvoll auszuatmen. „Hab es lange nicht geschnitten", erwidere ich kurz und mein gegenüber kann sie ein Lachen nicht verkneifen. „Klingt logisch."
Erneute Stille. Beide lassen wir unseren Blick durch den Raum wandern und schauen erschrocken weg, wenn sich unsere Augen doch mal treffen sollten. Damals war es nie komisch zwischen uns. Egal in welcher Situation, ich habe mich eigentlich nie unwohl gefühlt oder komisch angespannt. Das Schöne bei Laura war es eigentlich immer, dass es in ihrer Nähe nie unangenehm wurde. Wenn wir reden wollten, redeten wir. Wenn wir schweigen wollten, schwiegen wir. Doch jetzt war es anders. Ich spüre deutlich die Veränderung zwischen uns, aber auch, dass das Gefühl von damals nicht verschwunden ist. Worauf habe ich mich hier bloß wieder eingelassen? Warum bin ich hier hergekommen und habe dann auch noch zugesagt mich alleine mit ihr zu treffen? Mit Xavier hatte ich eigentlich vereinbart, ihr aus dem Weg zu gehen.

Damit war ich wohl nicht wirklich erfolgreich.

So, ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Ich bin gerade auch wieder dabei, neue Oneshots zu planen. Mit wem denkt, ihr würde Lea Schüller gut zusammen passen? Ihr müsst euch dabei nicht auf deutsche Spielerinnen beschränken. Mit Spielerinnen aus Spanien, England oder den USA würde ich auch gerne mal etwas schreiben.
Euch eine gute Nacht und passt auf euch auf!

2018 // laura freigangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt