twenty four

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„Du glaubst gar nicht, wie sehr ich das vermisst habe", höre ich die leise Stimme von Laura an meinem Ohr und ihr warmer Atem streift meine Wange. Ich hebe meinen Kopf von ihrer Brust, um ihr in die Augen zu schauen. „Oh doch, mir ging es nämlich nicht anders", mache ich der Frankfurterin klar und gebe ihr nochmal einen kürzen Kuss, bevor ich es mir wieder in ihren Armen gemütlich mache. Ich weiß nicht, wie lange wir hier schon Arm in Arm liegen, aber wir brauchen das gerade einfach. Diese Nähe und das Gefühl von Geborgenheit. 

Gedankenverloren starre ich an die Decke und realisiere in den Armen von Laura, was in den letzten Tagen eigentlich alles passiert ist. Vor ein paar Wochen hätte ich im Traum nicht daran gedacht, dass ich die deutsche Nationalspielerin noch einmal wiedersehen würde. Geschweige denn daran geglaubt ihr noch einmal so nahe zu kommen. Egal wie sehr ich mich auch dagegen gewehrt habe, ich kann mich einfach nicht von ihr fernhalten. Wir sind einfach wie zwei Magneten, die man nicht voneinander trennen kann. Sobald sie in Reichweite sind, kann nichts mehr sie auseinanderhalten. Sie finden immer zueinander, egal was sich ihnen in den Weg stellt. Genauso wie meine Eltern. Ich kann mich von ihnen nicht weiter aufhalten lassen. Laura ist es, was ich will und wenn sie das nicht akzeptieren können, kann ich ihnen dabei auch nicht weiterhelfen.

Bei dem Gedanken spüre ich wieder das leichte Pochen an meiner Wange, das mich unweigerlich an die letzten Stunden erinnert. Meine Mutter hatte klargemacht, was ihre Meinung zu dem Thema war. Doch denkt mein Vater auch so? Er hat nie wirklich ein Wort gesagt. Weder hat er seine Frau in ihren Ansagen unterstützt, noch hat er sich gegen sie und somit auf meine Seite gestellt. Er hielt sich raus, wie die Schweiz. Würde ich ihn auch verlieren? Wenn ich Laura und mir eine Chance geben und somit bei ihr bleiben würde. Verliere ich dann beide meine Eltern? Auch wenn sie mir viel auf die Nerven gingen und meine Mutter mich mit ihrer Reaktion sehr verletzt hat, sind sie trotzdem noch meine Eltern. Die Menschen die mich großgezogen haben. Würden sie mich einfach so ziehen lassen? Kann ich sie einfach so verlassen? Ein Gedanke folgt dem nächsten, bis mich plötzlich weiche Lippen an meiner Schläfe wieder in das hier und jetzt zurückbringen. „Wenn du so weiter grübelst beginnt dein Kopf noch zu dampfen", flüstert die blonde Frau neben mir und ich merke, wie sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen schleicht.

Laura hat schon früher immer bemerkt, wenn es in meinem Kopf einfach wieder zu laut wird. Sie versteht mich manchmal besser als ich selbst. Ich spüre wie sie mit ihren weichen Fingern über meine Arme fährt, wie ihr warmer Atem gegen meine Stirn schlägt und ihr gleichmäßiger Herzschlag eine beruhigende Wirkung auf mich hat. Ich schaue zu ihr nach oben und direkt in ihre blauen Augen, die mich bereits eindringlich mustern. „Ich habe mich nur gefragt, wie es jetzt mit meinen Eltern weitergeht", erkläre ich ihr ehrlich und wende meinen Blick wieder ab. Es bringt nichts sie anzulügen, würde sie es mir sofort von der Nasenspitze ablesen. Ich sehe es zwar nicht, merke jedoch wie Laura ihren Kopf zu einem Nicken bewegt. „Das verstehe ich, aber versuch dich nicht darauf zu verkrampfen. Lass ihnen einfach ein wenig Zeit das Ganze zu verarbeiten", fordert sie mich auf, wird jedoch von einem leisen Vibrieren unterbrochen. Ihr Handy klingelt. Ich kann nicht erkennen, wer die Frankfurterin anruft, deswegen schweige ich und warte bis beide zu sprechen beginnen.

Da das Handy nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt ist, erkenne ich ziemlich schnell die Stimme von Klara. Das Abendessen hat bereits begonnen und sie fragt, ob wir auch noch kommen. Laura und ich schauen uns für einen kurzen Moment an und ich nicke einfach. Auch wenn ich noch Ewigkeiten mit ihr im Bett liegen könnte, habe ich auch ziemlich Hunger. Ich muss nach dem anstrengenden Spiel schließlich meine Reserven wieder auffüllen. Sie scheint es zu verstehen, weshalb sie der Münchnerin schnell versichert, das wir schon auf dem Weg sind. Ziemlich übertrieben dafür, dass wir noch vollkommen eingekuschelt im Bett liegen. Der schwerste Teil wird es sein, diese Umgebung zu verlassen und wieder aufzustehen. „Bereit wieder in die Zivilisation zurückzukehren", fragt Laura mich schließlich und greift sachte nach meinem Kiefer. Ich schaue ihr in die Augen und muss wieder anfangen zu grinsen. Genau das ist meine Laura. „Ausnahmsweise", erwidere ich und gebe ihr noch einen schnellen Kuss bevor ich von der weichen Matratze aufstehe und eine schmollende Fußballerin zurücklasse.

2018 // laura freigangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt