twenty two

691 24 8
                                    

„Lass sie nicht vorbei", höre ich die Stimme von Merle hinter mir und nickte, ohne den Blick von meiner Gegenspielerin abzuwenden. Im schnellen Tempo läuft sie auf mich zu und versucht an mir vorbeizukommen, während ich nur auf den richtigen Moment warte, ihr den Ball zu stehlen. Rückwärts laufend und den Blick immer auf den Ball gerichtet, beobachte ich jeden Schritt von ihr und greife schließlich an. In dem Moment, wo sie kurz nach einer Mitspielerin Ausschau hält, schlage ich zu und mache mich jetzt mit dem Ball am Fuß auf den Weg nach vorne. So gut es geht, versuche ich den Kopf oben zu halten und eine gut platzierte Mitspielerin zu finden. Lena hebt die Hand und ich erkenne den freien Raum hinter ihr, wo ich den Ball schließlich auch hin spiele. Er kommt genau dorthin, wo ich ihn wollte. Stolz lasse ich mich wieder ein wenig zurückfallen, dass ich mit den anderen dreien eine Kette bilde. Dabei befinden sich Feli und Giuli schon einige Schritte weiter vorne. „Sehr stark Maeve", ruft Sara mir zu und ich kann nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf meinen Lippen bildet.

Das Spiel läuft mittlerweile schon 70 Minuten und bei uns steht hinten immer noch die Null. Bisher haben wir der gegnerischen Mannschaft noch keine Chance gelassen, an uns vorbeizukommen, auch wenn sie es uns nicht immer leicht gemacht haben. Es war unser erstes Spiel in dieser Konstellation und mein erstes Spiel mit dieser Mannschaft, da kann nicht immer alles perfekt laufen. Ich war bisher auch nicht fehlerlos, aber dafür haben wir auch eine der besten Torhüterinnen bei uns im Kasten stehen. Trotzdem bin ich bisher echt zufrieden mit meiner Leistung und Martina scheint das auch zu sein, denn sie hat bisher noch keine Anstalten gemacht mich auszuwechseln. Sara spielt mir schließlich den Ball zu, um einen neuen Angriff zu starten. Bisher haben wir es einfach noch nicht geschafft, die Abwehr der Portugiesen zu brechen. Ich spiele einen langen Ball zu Giuli, die diesen auch annehmen kann und sofort versucht Jule anzuspielen, doch ein Bein kommt dazwischen. Einwurf.

Durch einen lauten Pfiff wird das Spiel dann unterbrochen. Wir wechseln. Ich bin schon fest davon überzeugt, dass ich jetzt den Platz verlassen muss, doch dann erkenne ich Laura am Spielfeldrand. Sie wird eingewechselt und Sydney verlässt das Spielfeld. Innerlich freue ich mich wirklich für sie und hoffe, dass sie endlich den Unterschied machen kann. Jetzt muss ich mich jedoch erstmal wieder auf die nächste Situation konzentrieren. Da ich vollkommen frei stehe, wirft Giuli den Ball erstmal zu mir nach hinten und ich sehe erneut den freien Raum vor mir. Sofort startet Jule über die Außen, doch ich sehe auch Laura, die mir mit der rechten Hand einen Laufweg anzeigt. Früher haben wir dadurch immer versucht den Gegner zu verwirren, da ich einen ganz anderen Ball spiele, als die anderen erwarten und Laura auch einen ganz anderen Laufweg macht, wie sie ihn anzeigt.

Ich sehe, wie meine Gegenspielerin schon auf mich zuläuft und höre, wie Sara mir zuruft. In dem Moment entscheide ich mich, den Ball zu spielen und einen weiten Ball mit meinem Außenriss über die Kette spiele. Laura die genau im richtigen Moment ihre Gegenspielerin durch eine Bewegung verwirrt hat, läuft frei mit dem Ball aufs Tor zu. Den wird sie machen. Und ich behalte recht. Laura bleibt vollkommen cool und schiebt den Ball an der Torhüterin vorbei. 1:0. Alle springen auf und rennen auf Laura zu, um mit ihr den Treffer zu feiern. Auch ich renne auf sie zu und lande schließlich in ihren Armen. „Schön, dass man sich auf deinen Linken noch verlassen kann", flüstert sie mir zu und deutet dabei auf meinen linken Fuß, mit dem ich normalerweise nicht sonderlich viele Pässe spiele. „Schön, dass du noch genauso lässig vor dem Tor bist", erwidere ich und löse mich dann von ihr, um wieder auf meine Position zu gehen.

Der Rest des Spiels zieht nur so an mir vorbei und ich spiele auch wirklich die 90 Minuten durch. Martina scheint wirklich zufrieden mit meiner Leistung zu sein. Wenn der Schlusspfiff ertönt, schließe ich die Augen und versuche den Moment so gut es geht zu genießen. Mein erstes Spiel für die Nationalmannschaft und dann auch noch so ein gutes. Ich höre die Fans immer noch laut rufen, werde jedoch von einem Arm auf meiner Schulter aus der Situation gerissen. „Also das nenne ich mal ein Debüt", höre ich die Stimme von Lena hinter mir. Ich öffne die Augen und sehe sofort ihr schiefes Grinsen. „Danke Oberdorf", erwidere ich und ernte dafür sofort einen leichten Schlag. „Ich hoffe wir sehen uns jetzt öfters bei der Nationalmannschaft", führt sie noch an und zieht mich dann zu den anderen, die schon bei den deutschen Fans stehen und sich für den Sieg ein wenig feiern lassen. In dem Moment trifft auch mein Blick auf Laura, die mich bereits ansieht und strahlt über beide Augen. Es wird alles gut zwischen uns werden. Davon bin ich fest überzeugt.

2018 // laura freigangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt