twenty five

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Aufgeregt stehe ich vor der noch geschlossenen Tür und überlege, ob ich wirklich den Raum betreten soll. Meine Hände schwitzen leicht und ich ziehe bestimmt schon zum dritten Mal meinen Zopf zurecht. Ein wenig bereue ich, dass ich meine Eltern gleich heute um ein Gespräch gebeten und nicht noch ein paar Tage gewartet habe. Vielleicht wäre es doch besser, ihnen die Möglichkeit zu geben, nochmal über alles nachzudenken und zu verarbeiten. Doch ich weiß, dass ich es brauche. Ich muss es mir jetzt von der Seele reden, sonst werde ich in nächster Zeit einfach nicht ruhig schlafen können. Also hebe ich schließlich meinen Arm und klopfe gegen die Tür. Ich fühle mich ein wenig zurückversetzt an dem Tag, als ich ihnen eigentlich von meinem Plan erzählen wollte, mit Laura nach Deutschland zu gehen. Damals hatte ich meine Unsicherheit gewinnen lassen und mich nicht meinen Eltern widersetzt. Jetzt bin ich an einem ganz anderen Punkt in meinem Leben und werde nicht mehr zurücktreten. Diesmal werde ich mit der Fußballerin gehen, auch wenn es bedeutet, dass ich meine Eltern verlieren könnte.

Mit leichtem Zögern betrete ich den Raum und erkenne sofort meine Eltern, die sich gegenüber an einen der langen Tische gesetzt haben. „Da bist du ja endlich", verkündet meine Mutter mit leicht genervtem Unterton und knüpft sich dabei ihr Jackett wieder richtig zu. Durch den Besprechungsraum und ihre Kleidung wirkt es eher, als hätten wir einen Termin vereinbart, anstatt dass Eltern und Tochter miteinander sprechen wollen. „Setz dich doch", schlägt sie vor und deutet auf den Stuhl am Kopf des Tisches. Ich schüttle jedoch mit dem Kopf und bleibe einfach wenige Meter vor ihnen stehen. Wenn ich mich auf diesen Stuhl zwischen ihnen setzen würde, würde ich mich sofort wieder klein fühlen und das ganze Selbstbewusstsein, das jetzt noch in mir steckt, wäre sofort um einiges geschrumpft. „Ich bleibe lieber stehen", erkläre ich ihr und kann sofort den unzufriedenen Blick auf dem Gesicht meiner Mutter erkennen. Sie sagt jedoch nichts dazu und auch mein Vater schweigt. So, wie er es die ganze Zeit über schon macht.

Ich atme nochmal tief durch und wiederhole kurz in meinem Kopf, welche Worte ich mir vorhin noch zurechtgelegt habe. Danach straffe ich meine Schulter und schaue dann beide für einen kurzen Moment in die Augen. „Ich habe mich dazu entschieden, nach Deutschland zu gehen." Mehr sage ich erstmal nicht. Angespannt warte ich darauf, dass sie reagieren, doch es passiert zunächst nichts. Stille. Keiner sagt ein weiteres Wort. Das Einzige, was ich höre, ist mein Atem, mein viel zu stark klopfendes Herz und hin und wieder jemand, der durch den Gang zu gehen scheint. Ich beobachte meine Mutter genau und sehe, wie sie einige Male die Augen auf und zu schlägt. Sie schaut immer wieder zu meinem Vater, bevor ihr Blick schließlich auf mir liegen bleibt. „Das ist ein schlechter Scherz, oder?", fragt sie mich schließlich und ich atme nochmal tief ein. Genau das ist die Reaktion, die ich auch von ihr erwartet habe. „Nein, das ist kein Scherz", erwidere ich trocken und schaue ihr weiterhin direkt in die Augen. „Ich werde mir in den nächsten Tagen neue Jobangebote anschauen, in eurer Firma kündigen und dann nach Deutschland ziehen. Ich gehe, so wie ich es damals schon hätte machen sollen", stelle ich klar und verschränke die Arme vor der Brust.

Es ist erneut still im Raum und es scheint, als sei meine Mutter zum ersten Mal in ihrem Leben vollkommen sprachlos. Mittlerweile bin ich deutlich weniger angespannt als noch zuvor. Ich habe endlich meinen Standpunkt klargemacht und ich werde mich nicht davon abbringen lassen. „Ich wusste, dass das irgendwann passieren würde. Dass sie ihre Krankheit irgendwann wieder einholen würde", spricht meine Mutter schließlich die Worte aus, die mich einfach nur mit dem Kopf schütteln lassen. „Ich werde sofort Pfarrer Baustian anrufen und fragen, ob er noch einen Platz in seiner Einrichtung hat", führt sie fort und holt ihr Handy aus ihrer Tasche. Ich will schon ansetzen und etwas sagen, da ist mir ausgerechnet mein Vater ein paar Sekunden voraus. „Das wirst du nicht tun." Zum zweiten Mal wird es in diesem Raum unfassbar still, und meine Mutter schaut diesmal meinen Vater mit aufgerissenen Augen an. Das Handy liegt einfach in ihrer Hand, ohne dass sie die Tasten drückt, die sie gerade noch im Sinn hatte. „Wie bitte?"

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 16 ⏰

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2018 // laura freigangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt