four

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So gut es geht, versuche ich mit meiner Tasche auf dem Arm, der Schlüsselkarte in der Hand und dem Koffer in der anderen die Tür zu öffnen. Es stellt sich, als deutlich schwerer als gedacht heraus, die Schlüsselkarte vor das Lesegerät zu halten und gleichzeitig die Klinke nach unten zu drücken. Entweder funktioniert das eine oder das andere, beides zusammen, will mir noch nicht wirklich gelingen. „Kann man behilflich sein?", höre ich plötzlich eine etwas tiefere Stimme von der rechten Seite auf mich zukommen. Dabei zucke ich leicht zusammen und wende meinen Blick in die Richtung, in der ich die Stimme vermute und schaue direkt in braune Augen, die gar nicht so weit von mir entfernt sind, wie ich zuerst vermutet hatte. „Ehm ... ja, das wäre nett", befreie ich mich allmählich aus meiner Starre und trete einen Schritt zur Seite. Neben mir steht Lena Oberdorf. Natürlich wusste ich, wer sie war. Lena war eine derjenigen, die bei der EM neben Alex Popp und ein paar anderen wirklich herausgestochen hat. Obwohl sie noch sehr jung ist, sieht man wie sie immer den ganzen Platz unter Kontrolle hat. Sie taucht immer da auf, wo man sie am wenigsten erwartet, spielt Pässe, mit denen keiner gerechnet hat. Auf sie kann sich auch die Abwehr immer verlassen und sie schreckt nie davor zurück, im richtigen Moment zu einer Grätsche anzusetzen. Vor allem letzteres beeindruckte mich sehr. Auch ich setzte gerne zu einer Grätsche an, konnte jedoch durch meine Schnelligkeit auch gerne mal darauf verzichten. Ich liebte es immer alles reinzuwerfen und niemanden an mir vorbeizulassen, auch wenn es nicht immer nötig war. „Kommst du?". Erneut werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Lena hatte bereits die Tür geöffnet und wartet, bis ich ihr in den Raum folge. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie auch meinen Koffer bereits mitgenommen hat und im Zimmer abstellt. Ich bedanke mich kurz bei ihr und sehe mich einen Augenblick um. Es war ein wirklich schönes Zimmer und vor allem sehr groß. Hier werden schließlich auch vier Mädchen auf einmal wohnen. Sofort fällt mein Blick auf das große Bett, welches mitten im Raum steht. Es ist ein Doppelbett. Zwar ziemlich groß, aber immer noch ein Doppelbett. Das heißt, ich werde mir mit einem von den dreien ein Bett teilen. Sofort wird die Nervosität in mir wieder um einiges deutlicher und ich beiße mir für einen Moment auf die Unterlippe. Relativ nah bei der Zimmertür war eine weitere Tür, hinter der sich wahrscheinlich das Bad befindet, aber das konnte ich mir ja später noch einmal genauer anschauen. Lena war schon ein paar Schritte weiter in den Raum gegangen, was mich dazu veranlasst ihr zu folgen. Erst dann erkenne ich, dass sich in einer Ecke noch ein weiterer Zimmerteil versteckt, indem ebenfalls ein Doppelbett steht. Ein Koffer war bereits auf der linken Seite platziert und auch ein grünes Kissen war auf der Bettdecke platziert worden. Anscheinend hat sich einer von ihnen schon für eine Seite entschieden. Jetzt wo ich das Zimmer so im Ganzen sah, würde ich das hintere Bett deutlich mehr bevorzugen. Ich musste nicht immer in nächster Nähe zur Tür sein, sondern war lieber etwas mehr abgeschottet.
„Also ich hoffe, es ist in Ordnung, dass du dir das hintere Bett mit Jule teilst", meldet sich plötzlich Lena wieder zu Wort, was mich ein wenig zusammenzucken lässt. Sie deutet mit ihrem Finger genau auf das Bett, auf dem bereits das Kissen platziert war, was mich ein wenig ausatmen lässt. „Sollte es ein Problem sein, sag einfach Bescheid, wir tauschen auch gerne", fügt sie noch hinzu und ich nicke einfach nur schnell. Selbst wenn ich nicht damit einverstanden wäre, hätte ich wahrscheinlich nichts gesagt. „Wo sind die anderen eigentlich?", möchte ich von der Mittelfeldspielerin wissen, während ich erstmal meinen Rucksack abstelle. „Also die meisten sind unten im Gemeinschaftsraum und manche wahrscheinlich schon dabei ihre Koffer auszupacken", erklärt sie mir und lässt sich auf ihr gemachtes Bett fallen. „Sollte ich vielleicht auch erstmal machen", überlege ich laut und kratze mich ein wenig im Nacken, dabei streiche ich mir auch die roten Haare aus dem Gesicht, die mir schon den ganzen Tag über ins Gesicht fallen. Ich laufe zu meinem Koffer, den Lena für mich in den Raum getragen hat und ziehe am Reißverschluss. „Wie du möchtest. Lass dir Zeit. Heute Abend haben wir ab 18 Uhr Abendessen und um 20 Uhr unsere erste Besprechung", klärt Lena mich auf und ich nicke verstehend, während ich versuche mir die einzelnen Uhrzeiten zu merken. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und stelle fest, dass wir noch gut zwei Stunden Zeit haben, bis es Essen gibt. Im Stillen beginne ich dann vereinzelt die Klamotten aus der Tasche zu räumen, die Xavier noch vor ein paar Stunden ordentlich darin platziert hatte. Ich muss schon ehrlich zugeben, er hat sich wirklich Mühe gegeben, alles fein säuberlich zu falten und sortiert zu verstauen. Ich werfe immer wieder einen Blick zu der anderen, die sich etwas bequemer auf dem Bett platziert und auch ihr Handy mittlerweile aus der Hose gezogen hat. Mir entging jedoch nicht, dass auch sie mir immer wieder einen Blick zuwirft. Dass sie wahrscheinlich ein paar Fragen an mich hat und auch näher kennenlernen möchte, war mir schon klar, aber ich traue mich nicht wirklich ein Gespräch zu beginnen. Ich war noch nie wirklich gut darin, auf andere zuzugehen. Meistens kenne ich bereits jemanden, an den ich mich dann einfach dran hängen kann und der mich dann seinen Freunden vorstellt. So war es auch bei mir und Xavier gewesen. Er hat mich an meinem ersten Arbeitstag einfach sofort aufgenommen und jedem vorgestellt, den er kannte. Xavier war jemand, der immer offen auf jeden zugeht und sich nichts daraus machte, was andere von ihm denken.

2018 // laura freigangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt