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Es hat mich wirklich unglaublich beruhigt, wie gut das vergangene Abendessen verlaufen war. Laura wurde direkt von ihren Freundinnen an einen anderen Tisch gezogen, weshalb ich mir darüber erst mal keine Gedanken machen musste. Lena hat mich gleich bei ihrer Gruppe mit aufgenommen, ohne eine große Sache daraus zu machen. An unserem Tisch saßen neben meinen Zimmerkameraden auch ein paar von den anderen, die mit mir in den kommenden Tagen für die Abwehr zuständig sind. Sara Doorsoun und Feli Rauch. Auch die beiden haben mich sofort gut in ihre Gespräche mit aufgenommen und mich gleich ein wenig ausgefragt. Wie lange ich schon spiele, auf welcher Position ich mich in der Abwehr am ehesten wohlfühle und was ich bisher so von den anderen halte. Ich mochte beide wirklich auf Anhieb. Beide verfügen sie übe eine angenehm ruhige Art, sind sich aber zu keinem Witz zu schade und sticheln immer wieder gegeneinander. Der beste Moment war jedoch, als feststand, dass es zum Nachtisch Kuchen gibt. Das große und breite Strahlen, das auf Saras Gesicht aufgetaucht ist, war ein Zeichen wahrer Liebe. Mittlerweile war das Abendessen vorbei und ich mache mich mit meinen Mitbewohnerinnen zurück auf den Weg in unser Zimmer. Dort wollen wir die Pause abzuwarten, bis wir zur ersten Besprechung für diesen Lehrgang müssen. Mit der Hand versuche ich während dem Laufen mein Handy aus der Hosentasche zu ziehen. Xavier hat mir mittlerweile bestimmt schon wieder geschrieben und will alles wissen, was bisher schon passiert ist. Ich suche alle Taschen ab, aber kann es nicht finden. Panik kommt in mir auf. Habe ich es wirklich schon am ersten Tag verloren? Verzweifelt gehe ich in meinem Kopf alle Momente durch, in denen ich mein Handy noch hatte. Im Zug. Auf dem Weg zum Hotel. Im Zimmer. Dann kommt es mir wieder in den Sinn. Ich habe es in unserem Gemeinschaftsraum vorhin auf dem Tisch liegen lassen. „Ist alles in Ordnung?", fragt mich Lea von der Seite, die wahrscheinlich mein hektisches Suchen bemerkt hat. Um noch mal alle meine Taschen zu kontrollieren, bleibe ich in dem langen Gang stehen. Vielleicht habe ich es ja doch eingesteckt, aber ich bleibe erfolglos. Auch Lena und Jule haben sich mittlerweile zu mir umgedreht. „Ich glaube, ich habe mein Handy liegen lassen. Geht ruhig schon mal vor, ich gehe es schnell holen", erkläre ich ihnen und Lena macht sofort ein paar Schritte auf mich zu. „Soll ich mitkommen?", bietet sie mir an, aber ich lehne dankend ab. Ich glaube mal ein paar Minuten für mich alleine, in der ich alles kurz realisieren kann, ist gar nicht so schlecht. „Schon gut, es dauert ja nicht lange." Lena schaut zwar noch ein wenig unsicher, folgt dann aber den anderen beiden in Richtung unseres Zimmers. Es dauert einen kurzen Augenblick, bis ich mich wieder in den vielen langen und gleich aussehenden Gängen orientiert habe. Vorhin war ich Lena einfach hinterhergelaufen und hatte nicht wirklich darauf geachtet, wo wir eigentlich lang gehen. Der Gemeinschaftsraum, war aber nicht sonderlich weit von unserem Zimmer entfernt, weshalb auch der Weg zum Gemeinschaftsraum kein sonderlich schwerer sein sollte. Schlussendlich finde ich ihn auch, nur dass die Tür diesmal geschlossen ist und man keine Stimmen hört. Es muss aber genau dieser Raum gewesen sein. Mit schnellen Schritten öffne ich die Tür und suche mit den Augen gleich den Tisch ab, an dem wir vorhin gesessen haben. Dabei entgeht mir, dass in dem Raum noch ein paar Leute sitzen. Schnell laufe ich zu dem runden Tisch und greife nach meinem Handy, was ich vorhin genau dort abgelegt hatte. Erleichtert darüber, dass es wirklich noch da war, atme ich erst mal tief durch. Das Gefühl der Erleichterung verschwindet jedoch sofort wieder, wenn ich meinen Namen hinter mir höre. Etwas erschrocken drehe ich mich um und entdecke erst jetzt drei Frauen, die sich an einen der Tische gesetzt haben. „Maeve gut, dass ich dich sehe, wir sind heute ja noch gar nicht ins Gespräch gekommen." Laura Freigang steht dort mit ihrem berühmten Laura lächeln und schaut mich mit abwartenden Augen an. Es hätte mir klar sein müssen, dass die Frankfurt Spielerin nicht wie ich versucht einem Gespräch aus dem Weg zu gehen, sondern direkt auf mich zugehen wird. Bisher hatte ich nur Glück, dass sie noch nicht wirklich die Möglichkeit hatte, mit mir zu sprechen. Die Betonung liegt auf bisher. Die anderen, die bei ihr sitzen, schauen ein wenig überrascht. Wahrscheinlich haben sie nicht erwartet, dass Laura mich schon kennt. Sie sagen aber nichts weiter dazu, sondern beobachten einfach weiter unsere Interaktion. „Ja, war viel los heute", versuche ich mich ein wenig herauszureden und laufe wieder in die Richtung des Ganges, von dem ich eben gekommen war. „Hast du später vielleicht kurz Zeit. Ich glaube, wir haben ein bisschen was zu besprechen", kommt sie diesmal direkt zum Punkt. Am liebsten würde ich direkt ablehnen, aber ich kenne auch Laura. Sie wird wahrscheinlich in den nächsten Tagen nicht locker lasse, denn wenn sie etwas will, dann macht sie alles dafür, um es auch zu erreichen. Dass Laura für Dinge kämpft, die ihr wichtig sind, hat man alleine bei der EM gesehen. „Können wir machen", stimme ich ihr schlussendlich zu, gehe dann aber aus dem Raum ohne ein weiteres Wort zu sagen. Zu meiner Überraschung erwidert auch die Blondine nichts weiter und lässt mich gehen. Was sich wohl die anderen Beiden gedacht haben? Was hat Laura ihnen erzählt? Und was denken sie jetzt über mich? Wieder bei meinem Zimmer angekommen atme ich noch mal tief durch, bevor ich das Zimmer tatsächlich betrete. Heute war ein wirklich anstrengender Tag und das Schlimmste stand mir erst noch bevor. Langsam öffne ich dann doch die Tür und alle Augen sind sofort auf mich gerichtet. „Hast du dein Handy gefunden?", befragt mich Lena innerhalb weniger Sekunden und ich hebe meine Hand, in der ich es immer noch halte, nach oben. Sie nickt lächelnd und schaut dann wieder zu Lea, die gerade dabei ist ihre Tasche auszupacken. Anscheinend hatte sie, aber auch Jule das noch nicht gemacht, denn auch die Mittelfeldspielerin hatte ihre Klamotten mittlerweile auf unserem Bett ausgebreitet. „Da ist man keine fünf Minuten weg und das ganze Zimmer sieht aus wie ein Schlachtfeld", erwidere ich belustigt, was Jule dazu bringt, ein wenig peinlich berührt von ihren Klamotten aufzuschauen. „Tut mir leid, ich beeile mich so schnell wie möglich alles in den Schrank zu räumen", entschuldigt sich die Wolfsburgerin sofort und beginnt hektisch ihre Sachen in ihren Fächern zu verstauen. Ich lasse mich auf der Fensterbank fallen und winkte ab. „Mach dir mal kein Stress. Solange ich heute Nacht in dem Bett schlafen kann, ist alles gut." Jule nickt erleichternd und macht deutlich ruhiger weiter. Ich werfe währenddessen ein Blick auf mein Handy, auf dem mittlerweile schon einige Nachrichten eingegangen waren. Mein E-Mail-Postfach war mittlerweile fast schon am Platzen und ich hatte jetzt schon keine Lust mich mit all den Aufträgen und Fragen zu beschäftigen. Schnell schließe ich die App wieder und blende die Benachrichtigungen aus. Damit kann ich mich auch morgen noch beschäftigen. Viel interessanter finde ich hingegen, dass Xavier mir geschrieben hat und das auch nicht nur einmal.
>>Und wie ist es bisher so?<<
>>Mit wem bist du in einem Zimmer?<<
>>Was steht heute so an? Ich habe jetzt schon keine Lust mehr auf die Arbeit.<<
>>Hast du, du weißt schon wen, schon gesehen?<<
>>Kannst du mir mal antworten und mich nicht so auf die Folter spannen Frau Profisportlerin?<<
Ich kann mir bei den ganzen Nachrichten ein Lachen nicht verkneifen. Das war so typisch er. Dieser Junge war einfach viel zu neugierig und konnte es nicht ausstehen, wenn man ihn warten ließ. Schnell schreibe ich ihm auf die ersten drei eine Antwort und sehe wie sich sein Status sofort in online ändert. Auf die andere Frage antworte ich ihm erst mal nicht, auch wenn mir klar ist, dass ihn diese Antwort wahrscheinlich am meisten interessiert. „Und, was hältst du bisher so von den Mädels?", beginnt Lena ein Gespräch und ich lege mein Handy erst mal zur Seite. Xavier wird sich wahrscheinlich wieder mega aufregen. Aber der kann auch noch ein bisschen länger warten. „Also bisher sind alle mega nett. Es gab jetzt noch niemanden, mit dem ich nicht zurechtkam." Die eine Person ignorieren wir jetzt einfach mal. „Na, das klingt doch schon mal vielversprechend", mischt sich jetzt auch Lea ins Gespräch ein, während sie ihre Hosen noch mal ein wenig ordentlicher zusammenfaltet. „Sag mal, machst du neben dem Fußball noch einen anderen Beruf?", fragt nun auch Jule quer durch den Raum. Die anderen beiden schauen auch interessiert, weshalb ich tief durchatme. „Ja, ich bin ja in keinen besonders starken Club, deswegen muss ich auch arbeiten", erkläre ich den anderen. Für mich war das Fußballspielen eher ein Nebenjob, wenn man mal die Arbeitszeit und das Gehalt betrachtet. Zum einen war es gut neben der Arbeit, die wirklich anstrengend werden kann, einen so guten Ausgleich zu haben. Neben den ganzen Trainingseinheiten und Spielen, blieb mir jedoch nur selten wirklich Zeit, in der ich mal nichts zu tun hatte. „Ich arbeite in der Firma von meinen Eltern und bin da Teil der Personalabteilung", führe ich noch aus, lasse dabei aber den Teil aus, indem ich eigentlich die einzige bin, die sich momentan wirklich um das Personal und dessen Angelegenheiten kümmert. Vielleicht merkt meine Chefin jetzt wo ich nicht da bin, was ich eigentlich alles schaffen muss. „Klingt spannend, aber auch mega anstrengend. Beides gleichzeitig könnte ich glaube ich gar nicht." Lena schaut in gewisser Weise wirklich beeindruckt davon, dass ich beides irgendwie unter einen Hut bekomme. „Also es gibt auch Zeiten, da bin ich auch absolut fertig", gebe ich zu und richte mich ein wenig auf. Die Fensterbank sieht deutlich bequemer aus, als sie es wirklich ist. Hoffentlich ist das nicht auch so bei der Matratze, die Jule mittlerweile auch wieder leer geräumt hatte. Ich merke, wie mein Handy mehrmals in der Tasche vibriert und kann mir fast schon bildlich vorstellen, wie Xavier auf seine Tastatur hämmert. Ich stehe von der Fensterbank auf und setzte mich auf das nun wieder freie Bett. Es ist deutlich bequemer. Fast fühlt es sich so an, als könnte ich einfach in den weichen Federn versinken und nie wieder davon auftauchen. Durch das frühe aufstehen und den Flug, merke ich erst jetzt, wie müde ich eigentlich bin. Am liebsten würde ich mich einfach für einen Moment nach hinten fallen lassen und kurz die Augen schließen. Ich kenne mich mittlerweile aber auch ziemlich gut, weshalb ich genau weiß, dass ich da heute Abend nicht noch mal aufstehen und zu einer Besprechung gehen könnte. Stattdessen setze ich mich an das Kopfende und lehne mich an der Wand an. „Wenn du in der Firma deiner Eltern arbeitest, kennst du dich da bestimmt auch schon bestens aus, oder?" Mit der Frage hatte ich nicht gerechnet und wusste schon gar nicht, wie ich auf diese antworten soll. Ich kannte die Firma vorher noch nicht, weil sie nur eine von vielen ist, die meine Eltern besitzen. Wenn ich ihnen das jetzt erzähle, dann sehen sie mich jedoch gleich als ein verwöhntes Elternkind, dass für nichts in ihrem Leben richtig arbeiten musste. „Tatsächlich nicht. Ich kannte außer meiner Chefin niemanden und auch von ihr kannte ich vorher nur den Namen." Es war nichts gelogen. Lena nickt zufrieden und hackt zu meinem Glück nicht nochmal weiter nach. Zusammen in Ruhe genießen wir einfach noch ein wenig unsere Pause, bevor wir wieder aus dem Zimmer müssen. Wir unterhalten uns über Kleinigkeiten, aber nichts wirklich Wichtiges. Die Zeit vergeht wie im Flug und das verursacht ein unglaublich schlechtes Gefühl in meiner Magengegend. Auf der einen Seite war ich wegen der ersten Besprechung unglaublich aufgeregt. Ich bin mehr als gespannt über was Martina alles sprechen wird und was auch in den nächsten Wochen auf mich zukommen wird. Ob sie verlangt, dass ich mich noch mal vor allen vorstelle? Wahrscheinlich nicht, oder? Ich hoffe es einfach nicht. Auf der anderen Seite verursacht mir das Gespräch danach viel mehr Bauchschmerzen. Worüber Laura wohl mit mir reden will? Ob sie damals ansprechen wird? Ich versuche nicht daran zu denken. Später werde ich schon sehen, worüber sie mit mir reden möchte. Mich jetzt schon verrückt zu machen bringt mir rein gar nichts. Am Ende laufen solche Gespräche sowieso immer ganz anders, als man erwartet hat. Aber natürlich funktioniert auch das nicht so einfach, wie man sich das immer wünscht. „Na, schon am Kopf zerbrechen?", unterbricht Lena meinen Gedankengang und schaut mich mit ihrer entspannten Art an. Wir beide waren gerade alleine im Raum, da Jule schon mal mit ein paar anderen vorgehen wollte und Lea gerade auf der Toilette war. Wie sie von der anderen Seite des Raumes erkannt hat, dass ich zu viel nachdenke, ist mir ein Rätsel. War ich wirklich so auffällig? „Ein bisschen. Ist alles so neu", erkläre ich ihr. Lena steht von ihrem Bett auf und kommt auf mich zu. Sie fragt mich mit einem kurzen nicken, ob sie sich hinsetzten kann, was ich natürlich sofort zulasse. „Ich war bei meinem ersten Lehrgang auch mega aufgeregt", öffnet sie sich und ich höre interessiert zu. „Durch die Bundesliga kannte ich die meisten zwar schon, aber die A-Nationalmannschaft ist einfach eine ganz andere Liga", spricht sie die Gedanken aus, die mich in den letzten Stunden schon begleitet haben und einfach nicht loslassen wollen. „Aber ich kann dir sagen, hier ist keiner, der dich nicht hier haben will. Noch nie habe ich so einen Mannschaftszusammenhalt erlebt wie hier." Unsicher schaue ich auf meinen Schoß, lasse sie aber weiter sprechen. „Martina ist außerdem eine unfassbar gute Trainerin, die das Beste aus dir herausholen wird. Glaub mir." Sie legt einen Arm auf meine Schulter und schaut mich mit einem unfassbar entspannten Gesichtsausdruck an. Es ist, als würde sie mit ihrer Berührung ein wenig ihrer Ruhe auf mich übertragen. Ich merke, wie meine Schultern sich ein wenig entspannen und auch meine Finger nicht mehr ganz so schwitzig anfühlen. Von meinen anderen Sorgen wusste sie natürlich nicht, aber wenigstens an eine Sache ein wenig entspannter heranzugehen, ist wirklich eine große Hilfe. „Sollte trotzdem irgendetwas sein, du weißt ja, wo du mich findest", beendet sie ihre Ansprache lachend und deutet auf ihr Bett auf der anderen Zimmerhälfte. Wir lachen ein wenig zusammen. „Danke Lena. Das wird alles schon werden und wenn nicht, komme ich mal rübergelaufen." Wieder beginnen wir zu lachen und beruhigen uns erst wieder, wenn die Tür zur Toilette aufgeht und Lea uns verwundet anschaut.


So ich habe es auch mal wieder geschafft ein Kapitel zu veröffentlichen. Wie findet ihr es und was denkt ihr, wie es weiter gehen wird?

2018 // laura freigangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt