Sechsundfünfzig

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—Ivana—

Izán war vieles, nur kein Gentleman. Als wir das Anwesen betraten hielt er mir nicht die Tür auf, nahm mir nicht den Mantel ab oder fragte mich ob ich was trinken wollte, bevor der Sturm in ihm losging und alles Stabile in diesem Haus achtlos zerstören und umwerfen würde.

Um ein wenig Distanz zu ihm zu gewinnen, begab ich mich ins Wohnzimmer, wo ich mich auf eines der Sessel setzte und geduldig darauf wartete, dass er mir in den Raum folgte. „Erzähl. Was liegt dir auf dem Herzen?", begann ich die Konversation, auf die ich die ganze Fahrt lang gewartet hatte, nachdem er nicht wollte, dass ich sprach.

Izán hatte sein Jacket ausgezogen und stand nun mit diesem perlweißen Hemd und den hochgekrempelten Ärmeln vor mir.

„Wie ich im Auto erlebt habe, fällt es dir nicht sonderlich schwer still zu sein" Izáns Ton ließ mich innerlich erzittern. Worauf wollte dieser Mann hinaus? In welche seiner unfassbar gut koordinierten Spiele bin ich reingeraten?

„So ruhig solltest du auch bleiben, wenn fremde Männer dich betrunken in einer Bar ansprechen" Izán verschränkte seine Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Wand gegenüber von dem Sessel, auf dem ich saß und der plötzlich ganz ungemütlich wurde.

„Mein Alter und meine Erfahrungen haben mir beigebracht, wie ich mit solchen Männern umgehe. Das werde ich nicht von dir lernen", entgegnete ich. Vor Izán war ich regelmäßig in Bars, in denen kein einziger Mann jemals betrunken war, denn das wäre nicht deren Niveau und Klasse gewesen. Das Lilée gehört zwar zu den nobleren Clubs und egal wie reich sich die Leute kleiden wollten — am Ende vom Tag war es ein Club und keine süße Bar, wie die in die ich früher gegangen war, bevor ich nichts anderes tat, als an dem Bellucci Fall zu arbeiten.

„Die Erfahrungen, die du erlebt hast, bevor du ein Teil dieses Kreises wurdest, kannst du vergessen" Izáns Blick war fest und streng. So wie sein ganzer Charakter. „Du bist nicht mehr nur die Kommissarin" Ich nickte, da mir das offensichtlich sehr stark bewusst war. „Sollten dich Männer provozieren, schwächt es dich drauf eingehen zu wollen"

Izán ließ mich mit Hilfe seiner Worte wissen, dass der Vorfall im Lilée vor einer halben Stunde durch mich ausgelöst wurde, denn ich habe dem seltsamen Mann geantwortet und hätte ich es nicht getan, dann wäre er mir nicht gefolgt und widerliche Pläne in seinem Kopf zusammengestellt. Jedoch werde ich mir nicht von einem Mann sagen lassen, dass das Fehlverhalten und die Unverschämtheit eines Mannes letztendlich durch mich erst provoziert wurde.

Ich werde mich nicht verstummen lassen, nur um bloß keine Belästigung zu kassieren, denn dann hören sie nie auf — diese Schweine.

„Sagst du, dass es meine Schuld ist, dass der Mann mir gefolgt ist?" Meine Augen ließen ihn wissen, dass ich mindestens genau so kontrolliert war, wie er. „Du bist eine Frau, die nicht auf Männer, wie ihn eingehen sollte"
Neben meiner ganz leichten beginnenden Wut baute sich plötzlich eine Verlegenheit auf. Er sieht mich als eine Frau mit Klasse und Überlegenheit, die ihre Aufmerksamkeit keinen Männern und vor allem keinen widerlichen ekelerregenden Typen schenken durfte.

„Ich werde antworten, wenn ich in dem Moment etwas zu sagen habe, Izán" Die Antwort gefiel ihm nicht. Sein Blick bewies mir, weshalb ihm alle gehorchen und er in den jungen Jahren an die höchste Spitze des Kartells kommen konnte. Wäre sein Vater nicht Nadal Bellucci, wäre Izán trotzdem auf eine kranke Art und Weise an eine Position gekommen, die es ihm gewährt hätte über Menschen zu herrschen und sie anzuleiten. Männer, wie er, ließen sich nicht brechen und genau deshalb passten sie so gut an die Spitze.

IZANWo Geschichten leben. Entdecke jetzt