Kapitel 9

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„Oh mein Gott Alice.Du bist in Ohnmacht gefallen,wahrscheinlich weil du so wenig isst.Wir wollten schon die Rettung rufen.",sagte Zoey empört als ich wieder zu mir gekommen war.
Ich hatte mich am Boden aufgesetzt und mir war immer noch sehr schwindelig,der ganze Raum drehte sich um mich wie ein Karussell.
Nein,ich durfte jetzt auf keinen Fall nochmal das Bewusstsein verlieren,ich musste mich zusammenreißen.Ich blinzelte ein paar Mal,damit die schwarzen Punkte vor meinen Augen endlich verschwanden.Langsam stabilisierte sich mein Kreislauf und ich konnte wieder klar sehen.
Zoey und die anderen hatten einen Kreis um mich gebildet und starrten mich besorgt und zugleich hilflos an.
„Geht's wieder?",fragte mich Tristan schließlich.
Seine scharfen blauen Augen schienen sich in mein Inneres zu bohren.Da war er wieder dieser Schmerz,ich hatte das Gefühl etwas verloren zu haben ,was mir eigentlich nie wirklich gehört hatte.
„Ja,mir geht's gut.",murmelte ich,stand vorsichtig auf und taumelte Richtung Ausgang.
„Hey warte Zoey,du kannst doch unmöglich in diesem Zustand alleine Nachhause gehen.",rief mir Zoey hinterher.
Ich drehte mich um,dann sagte ich nochmal: „Ich hasse dich,Zoey."
Es tat weh das meiner einzigen Freundin die mir geblieben ist so etwas ins Gesicht zu sagen,vor allem als ich merkte das ich log.
Ich hasste sie ja nicht,ich war einfach nur extrem wütend auf sie.Warum auch musste sie mir auch so etwas antun?Zuerst redete sie mir solange ein wie gut ich und Tristan zusammenpassen würden,bis ich es irgendwann glaubte und mir Hoffnungen zu machen begann und dann knutschte sie mit ihm ohne mich vorzuwarnen vor meiner Nase.
Ein Schluchzer entglitt meiner Kehle und ich merkte,dass meine Beine wieder zum Nachgeben drohten.Schnell ließ ich mich gegen eine Hauswand sinken,um nicht erneut umzukippen.
Verdammt wie konnte ich nur denken,dass ich mit dem bisschen was ich abgenommen hatte eine Chance bei Tristan haben könnte?
Es war einfach zu wenig gewesen,46 Kilo .In Bio hatten wir mal gelernt,dass 10 Prozent des Körpergewichts Fettreserven sind,dass würde dann heißen,dass ich aus 4.6 Kilo fett bestehe.
Einfach nur ekelhaft,kein Wunder dass Tristan lieber mit einem Mädchen wie Zoey zusammen war,als mit mir Fettkloß.
Man ich musste unbedingt noch mehr abnehmen,mindestens fünf Kilo,ich musste noch schlanker werden als Zoey.Damit würde ich sie sicher eifersüchtig machen können.Sie war ja jetzt schon extrem wütend dass ich abgenommen hatte,und versuchte mir ständig davon abzubringen,indem sie mir vorwarf magersüchtig zu sein.
So ein Quatsch,ich bin doch nicht magersüchtig,dass sind doch nur diese abgemagerten Models,nicht ich.Außerdem kann ich jederzeit mit dem abnehmen aufhören und wieder normal essen.
Ich hatte keine Ahnung wie lange an dieser Hauswand lehnte und vor mich hin schluchzte.
Irgendwann fand mich dann dieser Alex aus der Zehnten.Ich fand ihn echt nett,aber in diesem Moment wollte ich einfach nur alleine sein.

„Alice?Du bist ja total fertig,kann ich dir irgendwie helfen?"
„Nein,niemand kann mir helfen.Lass mich bitte einfach nur in Ruhe",schluchzte ich,während ich mein Gesicht in meine Knie vergrub.
„Es ist wegen Tristan,du liebst ihn oder?"
„Kann dir wirklich egal sein."
„Ja du hast Recht,dass geht mich nichts an.Tut mir leid."
„Schon okay.Aber könntest mich jetzt einfach alleine lassen."

„Nein,nicht in diesem Zustand,du bist kalkweiß,wenn ich jetzt gehen würde und du zusammenbrichst,wäre ich wahrscheinlich für deinen Tod verantwortlich."
„Darf ich dir eine Frage stellen,Alex?"
„Klar doch."
„Warum kümmert dich das eigentlich?Warum gehst du nicht einfach zurück zu Zoey und feierst weiter?"
„Weil ich dich mag.",sagte er und lächelte mich an.
„Du lügst.Keiner mag mich."
„Natürlich,weißt du ich mag dich sogar sehr."
„Wie geht das?Wie kann mich jemand mögen,wenn ich mich selbst so sehr hasse."
„Warum hasst du dich?"
„Weil ich immer so still bin,ich hasse mich dafür.Ich will nicht immer nur still und schüchtern sein.Außerdem bin ich dick und fett.",sagte ich und hätte mich dafür am liebsten geohrfeigt.Wenn ich genug Kraft gehabt hätte,wäre ich wahrscheinlich aufgestanden und weggerannt.
„Alice,ich weiß du willst das nicht hören,aber du bist magersüchtig."
Ich schwieg und er redete weiter.
„Weißt du meine Schwester war magersüchtig.Sie konnte einfach nicht mehr mit ihrer Diät aufhören,irgendwann hat sie dann gar nichts mehr gegessen und musste in einem Krankenhaus künstlich ernährt werden.Zum Glück hat sie danach eine Therapie gemacht und hat ihre Krankheit besiegt.Verstehst du mich?Ich meine es ernst,meine Schwester wäre fast gestorben,du musst dir so schnell wie möglich Hilfe holen Alice.Du darfst es nicht zu lassen,dass du den Kampf gegen die Magersucht verlierst.Ich bitte dich,rede mit deinen Eltern,sie werden sicher was für dich finden.Vielleicht eine Klinik oder eine Therapeutin."
Lange Zeit sagte keiner was,irgendwann fragte mich Alex,ob er mich nach Hause bringen sollte.
Ich willigte ein,da ich einfach keine Kraft mehr hatte und ich Angst hatte nochmal ohnmächtig zu werden.

Engel müssen HungernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt