Kapitel 13

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<Aus der Sicht der Mutter>

„Alice, warum antwortest du nicht." ,fragte ich und klopfte nochmal. Nichts. Leise öffnete ich die Tür und blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Der Anblick der sich mir bot stockte mir den Atem.
Alices Zimmer glich einem Schlachthof. All ihr Sachen lagen verstreut am Boden. Entsetzt starrte ich auf den sperrangelweit offenen Kleiderschrank, mein Gott, mindestens die Hälfte ihrer Anziehsachen fehlte. Sie hatte es also tatsächlich getan, sie war abgehauen.
Nein, dass durfte verdammt noch mal nicht wahr sein, sowas würde mein liebe Alice mir nicht an tun. Doch leider bestätigte mir der Anblick ihres leeres Bettes, dass ich nicht träumte. Verzweifelt rang ich nach Luft und ein kieksiger Schluchzer drang aus meiner Kehle Was ist nur aus meinen fröhlichen, kleinen Mädchen geworden?
Es kommt mir Ewigkeiten vor, als ich sie das letzte Mal so richtig glücklich gesehen habe, als sie sich noch für andere Sachen interessiert als Essen und nicht wie eine Verrückte Kalorien gezählt hat. Mir war schon lange klar, dass es sich um eine schwere Essstörung handelt. Ich hab es nicht daran erkannt, dass sie ihre Nahrung einschränkte, nein und auch nicht daran dass sie immer mehr Sport machte, so etwas ist nichts Ungewöhnliches für ihr Alter. Jeder Teenager hat mal so eine Phase, in der er sich als zu dick empfindet und eine Diät beginnt. Nein, es war etwas anderes was die Alarmglocken in meinen Kopfe schrillen ließ. Ich konnte es in ihren Augen lesen, ihre Augen, die voller Entschlossenheit und Sehnsucht sprühten. Sie wollte immer weniger und weniger, immer leichter und leichter werden. Sich in Luft auflösen und nicht mehr da sein. Warum? Ich werde es nie verstehen.Wie kann jemand den inneren Wunsch haben immer mehr abzunehmen und dabei bei vollen Bewusstsein, seinen Körper schädigen, sich in Lebensgefahr aussetzen und seiner Mutter schreckliche Sorgen bereiten. Nein, ich kann diese Krankheit, Alices Krankheit , Anorexie, einfach nicht begreifen. Das einzige was mir klar war, war das Alice besessen war, irgendein böser Geist hatte sich bei ihr eingenistet. Er gab ihr ständig Befehle, wenn sie sich ihm unterwarf und hungerte lobte er sie und doch wenn sie etwas aß, beschimpfte er sie und redete ihr ein schlechtes Gewissen ein.
Ich hab sie versucht ihr diesen Dämon auszutreiben. Ich hab mich für sie zusammengerissen, mit dem Trinken aufgehört und ihr jeden Tag ihr Lieblingsessen gekocht. Aber egal wie lecker das Essen war, egal wie lange ich auf sie einredete, sie solle doch wenigstens ein paar Happen machen, nein das geht nicht, dann kam sie immer mit diesen Bemerkungen warum quälst du mich mit Essen, lass mich in Ruhe, du kannst mich nicht zwingen. Ja, wo sie Recht hatte, da hatte sie Recht, ich konnte sie nicht zwingen, ich konnte nichts gegen ihre Sturheit machen. Ich musste einfach zu schauen und akzeptieren, dass sich meine einzige Tochter sich langsam in den Tod hungerte.
Ich wünschte ich könnte die Zeit zurückdrehen und sie in ein Krankenhaus stecken. Dort hätte sich keiner mit dem Argument zufrieden gegeben „Ich hab wirklich keinen Hunger". Man hätte sie an so ohne ihre Einverständnis an einen Schlauch gehängt und sie von früh bis spät bewacht. Ja, dass wäre das Beste gewesen.
Aber dafür war es jetzt zu spät, jetzt ist sie von Zuhause ausgebrochen. Was hat sie sich nur dabei gedacht? In ihrem Zustand kippt sie doch mindestens drei Mal am Tag um.
Ich spürte wie die Angst ihre Klauen ausfuhr und sie an mein Herz festkrallte.
Plötzlich sprang mir ein kleines Kuvert in die Augen.
Für die beste Mutter die ich je hatte, stand in Alice's sauberen Schrift auf dem Umschlag.
Mit zittrigen Händen öffnete ich den Brief und begann zu lesen.

Liebe Mama,
wenn du das hier liest, werde ich schon lange am Weg nach England sein, darum denk nicht mal dran die Polizei einzuschalten.
Ich weiß, dass ich dir mit meinen Verhalten in den letzten Monaten, einigen Kummer bereitet habe,und tut mir alles sehr, sehr Leid. Glaub mir, du brauchst dir keine Sorgen machen, ich bin auf den Weg an einen Ort und wo ich wieder gesund werde.
Eines Tages, wann auch immer der sein mag, komm ich wieder zurück zu dir und alles wird wieder wie früher sein. Bitte hab Verständnis, ich brauche einfach etwas Abstand von meiner Umgebung.
Tausend Küsse & Umarmungen
deine Alice

Im selben Moment, als ich die letzte Zeile fertig gelesen hatte, klingelte es an der Tür. Mein Herz machte einen Sprung. War das Alice? Vielleicht hatte es sich Alice anders überlegt und hatte eingesehen, dass es keinen Sinn macht von Zuhause wegzurennen. Ja, es musste so sein. Wer zum Henker würde sonst in dieser Herrgotts frühe an läuten?
Mit einem Satz sprang ich von Alice's Bett auf und war innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde unten.
Ohne zu zögern, öffnete ich die Haustür. Ein Polizist mittleres Alters stand mir gegenüber und schenkte mir ein kleines, schiefes Lächeln.
„Gute Tag, ich komme von der Polizei, es geht um ihre Tochter."
Mir stockte der Atem. Ich versuchte Luft einzusaugen, doch irgendwas in mir, war wie gelähmt.

Tut mir leid das es diesmal so lange gedauert hat, in zwei Wochen habe ich Sommerferien und dann denke ich werden die Kapitel häufiger kommenSchönes Wochenende euch allen

ElenasWorld

Engel müssen HungernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt