Kapitel 12

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„Mama,nein.Das mach ich nicht mit.Wenn hier jemand einzieht,bin ich weg und du wirst deine Tochter nie wieder zu Gesicht bekommen.",schrie ich meine Mutter an und rannte rauf in mein Zimmer.
Ich warf mich auf mein Bett und überlegte und überlegte.Als ich alle Möglichkeiten durch gegangen war,stand fest dass es nur einen Ausweg für mich gab.Verschwinden.
Ich musste weg von zu Hause.Weit weg.Irgendwohinwo ich alles vergessen konnnte und ein ganz neues Leben anfangen konnte.
Entschlossen stopfte ich ein paar Klamotten in den Rucksack und machte mich am Abend auf den Weg zu meinen besten Freund Alex.

„Alice?Was ist passiert,weißt du eigentlich wie spät es ist?"
„Alex,es ist mir einfach alles zu viel.Meine Mutter hat einen Mann kennengelernt und will das er und sein Sohn nächste Woche einziehen.Sein Sohn ist niemand andere als Tristan."
„Was?Das tut mir wirklich leid für dich.Aber trotzdem was machst du um diese Uhrzeit hier.Das hättest du mir auch morgen erzählen können.Und jetzt komm erst mal rein,du bist ja klitschnass."

Gemeinsam gingen wir hoch in sein Zimmer und machten es uns auf dem Sofa gemütlich.Der Regen prasselte gegen die Fensterscheibe und hin und wieder erhellte ein Blitz den Nachthimmel.
Echt romantisch,dachte ich als Alex einen Arm um mich legte.Schade dass wir nur Freunde sind,naja an Gefühlen lassen sich halt nicht ändern.

„Alice,träumst du?Ich hab dich was gefragt",riss mich Alex aus meinen Gedanken und gab mir einen sanften Stoß.
„Oh sorry",für einen kleinen Moment hatte ich doch wirklich vergessen warum ich gekommen war.
„Ich will abhauen.Nach London,einfach weit weg von Zuhause.Ich bin immer nicht ganz über Tristan hinweg,ich brauch ihn nur zufällig ihn mit Zoey am Gang sehen und mir ist zum Heulen zu Mute.Wie soll das erstmal werden,wenn er bei uns wohnt?Er weiß doch,dass ich ihn liebe.Zoey hat es ihm sicherlich erzählt.Ich glaub ich würde sterben vor Peinlichkeit.Außerdem würde er mit Sicherheit sehr schnell mitbekommen,dass ich Probleme mit dem Essen habe.Verstehst du mich?Ich muss einfach weg,irgendwohin wo keiner davon weiß.Genau deswegen bin ich zu hier.Naja ich wollte fragen ,ob du mitkommen willst."
Er schwieg einen Moment.
„Ich würde ja gern.Aber du musst doch auch mal nachdenken, von was willst du dir bitte dein Lebensunterhalt verdienen?Du bist gerade mal sechzehn Jahre alt und hast keine abgeschlossene Berufsausbildung.Außerdem wo um alles in der Welt willst du wohnen.Ich hab mal in einem Buch gelesen,dass viele Jugendliche die abhauen auf der Straße enden."
„Man Alex.Für wie doof hältst du mich eigentlich?Glaubst du wirklich ich bin so naiv?Ich hab mir natürlich alles genaustens überlegt.Also hör zu.Meine Oma ist vor einem Jahr gestorben und hat mir eine Menge Geld hinterlassen.Das reicht locker für die Zugtickets nach London und die ersten paar Monate.Wohnen können wir vorerst bei meiner Cousine.Sie ist mega nett und hat eine kleine Wohnung.Ich hab auch eine Idee wie wir Geld verdienen können,du spielst doch Keyboard,oder?"
„Ja,schon seit ich klein bin."
„Wir könnten doch eine Band gründen.Du am Keyboard,ich auf der Gitarre und meine Cousine als Sängerin.Sie hatte eine Hammerstimme und schreibt extrem schöne Songs.Man stell dir,dass doch mal vor.Wir könnten Konzerte in Clubs oder Bars geben,unser eigenes Album rausbringen,berühmt werden.Davon hab ich schon immer geträumt."
„Das klingt ja wirklich alles sehr schön.Aber ganz ehrlich,Alice ,dass sind doch nur Tagträume.Selbst wenn ,dass mit der Band klappen sollte,was ist mit meinen Eltern und deiner Mutter?"
„Meine Mutter ist selbst Schuld.Ich hab ihr deutlich gesagt,dass ich abhaue wenn jemand einzieht.Aber nein,sie hat mich nicht ernst genommen.Und überhaupt halt ich,dass sowieso nicht mehr lange mit ihr aus.Zuerst hat sie denn ganzen Tag gesoffen und sich ein Piep für mich interessiert,und jetzt macht sie sich ständig sorgen und zwingt mich zum Essen."
„Wenn du normal essen würdest,würde sie dich auch nicht zwingen,oder?Das ist doch logisch,dass eine Mutter nicht will das ihre Tochter stirbt?"
„Ja ich versteh schon,dass sie sich Sorgen macht,aber wenn sie mich ständig kontrolliert,fällt mir das Essen nur noch schwerer.Genau deswegen will ich auch woandershin,irgendwohin wo keiner von meiner Essstörung weiß.Dann würde mir das Essen auch so viel leichter fallen."
„Alice,du hast doch gerade selbst zugegeben,dass du magersüchtig bist.So eine Essstörung geht nicht einfach von heute auf morgen weg,die meisten Magersüchtigen haben bis zu ihren Lebensende mit dem Essen und den Tod zu kämpfen.Es wäre viel zu gefährlich für dich so eine lange Reise zu machen,überhaupt in deinem Zustand."
„Wie du meinst,dann bleib halt hier.Ich komm auch gut ohne dich zurecht.",fauchte ich und ging Richtung Tür.
„Nein,warte Alice.Warum bist du denn immer gleich so eingeschnappt?"
„Ich bin nicht eingeschnappt,du hast einfach nicht verstanden,dass ich das mit London ernst gemeint habe.Du kannst mich nicht aufhalten,ich werde so oder so fahren.Es ist jetzt deine Endscheidung,ob du mitkommst oder nicht."
Er schaute mich eine Weile an.
„Okay ich komm mit.Aber nur wenn du mir versprichst alles zu tun,um aus deinem lebensgefährlichen Gewicht zu kommen."
„Okay ,versprochen!"

Engel müssen HungernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt