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Es gab einen Moment.
Vor acht Jahren, als Riley noch lebte und bei uns war. Genau sechs Wochen nach unserer Flucht vor Hydra. Exakt zweiundvierzig Tage nachdem Riley für immer erblindet ist.
Hydras Selbstzerstörungsmechanismus setzte ein. Sie wäre beinahe gestorben und lag zwei Tage im Koma.
Diese Zeit war der Horror für mich. Noch nie in meinem Leben hatte ich solche grauenhafte, alles zerfressende Panik verspürt. Nicht einmal bei Hydra.
Nicht als sie mich mit den Avengers ein weiteres Mal entführten.
Nicht als sie mich 1945 brachen.
Selbst nicht in dem Jahr zuvor oder danach als Winter Soldier.
Nicht einmal, als Riley ihr Augenlicht verlor.
Aber sechs Wochen später verspürte ich sie. Die Angst, die mich nur um Haaresbreite nicht den Verstand kostete. Und ich wüsste, ich würde nicht mehr leben können, wenn ich sie verlor.

Nur einen Monat später passierte es dennoch. Riley wurde brutal aus dem Leben gerissen. Sie wurde mir genommen.
Die eineinhalb Jahre Aufenthalt in der Nervenklinik und in der geschlossenen Psychiatrie sprechen wohl für sich, was meine psychische Gesundheit danach anging. Und irgendwie habe ich das Gefühl ich könnte nach dieser Mission wieder dort landen.
Immerhin weiß ich nun, wie es passiert ist. Jedenfalls in Ungefähr.

Sam sitzt noch immer, an die Tür gelehnt, bei mir im Zimmer. Obwohl es längst über Mitternacht hinaus ist. Aber er scheint nicht daran zu denken, mich allein zu lassen.
Er sitzt schweigend vor der Tür und ist in seinen eigenen Gedanken verschwunden. Mit matten Augen beobachte ich ihn.
Sam hat mit Veteranen gearbeitet. Er hat selbst einen engen Freund verloren. Mit seinem Wissen hat er Aaron so gut geholfen, wie er konnte.
Ob Aaron auch noch lebt? Bis jetzt habe ich ihn noch nicht angetroffen, nur Alec und Liam. Doch die Experten gingen davon aus, dass die Tode der beiden Aaron umbringen würden. Aber beide leben noch. Er also womöglich auch?

Aber Riley lebt nicht mehr. Und wieder einmal denke ich an die Gedanken, die ich mir in der Therapie für ihre Beisetzung hatte zurechtlegen müssen. Einer der schmerzhaftesten Teile der Therapie:
Die junge Frau, die mit einem Lachen meinen ganzen Tag aufheitern konnte. Ihr helles Strahlen und das Kichern , dass sie ausstieß, wenn sie dazu in der Lage war, war ein Traum.
Manchmal brachte sie damit alle Anwesenden zum Lächeln und Mitlachen. Jeder mochte sie und alle haben sie verstanden. Sie war der Sonnenschein der Avengers. Trotz ihrer düsteren Vergangenheit.
Es war für alle hart, als die Kinder flohen. Und die Avengers brachen wohl beinahe auseinander, als Rileys Tod ans Licht kam. Das hat mir Steve jedenfalls nach ein paar Jahren Therapie anvertraut.
Riley war eine großartige junge Frau. Sie war wundervoll und trotz ihrer Geschichte eine unglaublich starke Persönlichkeit.
Ihr Tod hinterlässt Löcher. In allen Bereichen meines Lebens. Das tiefste davon in meinem Herzen.
Aber ich hoffe, dass sie nun in den Sternen ist und die Welt wieder sehen kann. Und diesmal nicht die Grauenhaftigkeit, mit der sie die Welt kannte.
Sondern die Schönheit, wie ich sie kennen darf.
Ich hoffe sie kann die Wunder der Welt und die zauberhaften Momente, die sich auf diesem Planeten abspielen, sehen und mit einem Lächeln betrachten.
Ich hoffe, sie kann endlich die Magie dieser Welt bestaunen.
Und immer auf mich hinuntersehen.

Neues Schluchzen bricht aus mir heraus. Verletzt und gleichzeitig beschämt drücke ich meine Augen auf die angezogenen Knie. Zitternd drücke ich meine Lippen aufeinander, um weitere Klagelaute zu verhindern.
Doch sie brechen nur noch mehr aus mir heraus. Je stärker ich es zu unterdrücken versuche, desto mehr bricht aus mir heraus.
Wieder einmal wird mir klar, wie gebrochen ich bin. Mir ist bewusst, dass es okay ist auch als Mann zu weinen.
Aber der Schmerz, der mir bewusst macht, wie sehr ich Riley vermisse kann nur als gebrochen beschrieben werden. Meine Brust ist so eng, dass sie mein Herz zerquetscht und in die Größe von einem Spielwürfel presst.
Meine Beine sind so schwach, dass ich zusammenbrechen würde, wenn ich nur versuchen würde aufzustehen. Selbst meinen Metallarm scheint jegliche Energie verlassen zu haben.
Ich habe keinen Antrieb mehr. Alles will herunterfahren und loslassen. Ich will hier in diesem Raum bleiben, nie mehr heraustreten müssen und für immer weinen dürfen.
So lange bis ich vertrockne und mich zu Riley geselle. Bis ich wieder mit ihr zusammen sein kann.
Ihr so wunderschönes Lächeln und ihre Augen strahlen sehen. Ich möchte sie in den Arm nehmen und nie mehr loslassen.
Meine Träume sollen wieder zur Realität werden. Sie soll bei mir sein, mit mir kuscheln und sprechen.
Ich will zu ihr.

„Ich weiß, es ist hart, Mann. Aber willst du versuchen zu schlafen? Morgen wird es nicht besser, aber vielleicht wieder einfacher", durchbricht Sam die Stille, die nur von meinem Weinen durchbrochen wird.
Mühsam hebe ich meinen Kopf und sehe zu ihm. Sam hat seinen Schädel gegen die Tür gelehnt und sieht mich mitleidig aus den Augenwinkeln an.
Ich schlucke und senke beschämt den Kopf als ein neuer Schwall Tränen über mich rollt. Schluchzer zerreißen den Rest meiner Brust und ich wimmere hilflos.
„Na komm, wir gehen Zähne putzen und bringen dich ins Bett", schlägt Sam vor.
Mit einem Seufzen steht er auf und kommt auf mich zu. Blamiert drehe ich mich ein wenig von ihm weg und lege meine Arme über den Kopf.
Ich will allein sein. Ich will allein sein und einfach nur in meinen Tränen ertrinken. Warum kann er nicht einfach gehen und mich in Ruhe lassen?
„Na komm. Nur Zähne putzen, dann bin ich auch gleich wieder weg", beteuert Sam.
Ich presse den Kiefer zusammen und rede mir gut zu. Zähne Putzen. Drei Minuten. Danach darf ich endlich ins Bett und mich in meinen Gedanken herumwühlen.

Vier Minuten später kann ich mich endlich in mein Bett fallen lassen. Sam versichert sich noch einmal, dass ich bis morgen lebe und verschwindet, dann. Ich bleibe allein zurück.
Mühselig drehe ich mich auf die Seite und sehe zum Fenster. Wie jeden Abend leuchten die Lichter und ich kann das Treiben auf den Straßen von High-Town beobachten.
Unwillkürlich frage ich mich, ob Alec und Liam hier unterwegs sind. 

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Hi Zusammen ^^

Bin doch nicht tot ;)

Alpha - New MissionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt