22

50 2 2
                                    

Mit quietschenden Rädern hält der Wagen abrupt an. Aus dem Gleichgewicht geworfen, spicken Alec und ich nach vorne. Die Frau rutscht ebenfalls ein wenig herum. Aber sie ist noch immer nicht wach.
Sich den Kopf schüttelnd richtet sich Alec wieder auf und sieht zur Tür. Ich habe die Schritte davor ebenfalls gehört.

In der nächsten Sekunde werden die Türen aufgestoßen und Licht fällt in den Wagen. Es blendet und ich muss die Augen zusammenkneifen.
Ich höre Alec zischen und unterdrückt kämpfen, bis ich etwas an meinem Hals spüre. Erschrocken reiße ich die Augen auf und sehe, wie sich Ivanic wieder von mir entfernt. Seine Maske hat er inzwischen abgelegt.
Um meinen Hals spüre ich ein dickes Halsband. Langsam wende ich mich Alec zu, welcher wohl dasselbe anhat, wie ich. Ein Schockhalsband, das uns garantiert unter Kontrolle halten soll.

Alec scheint es bereits zu kennen, denn er kniet steif auf in dem Auto und sieht hasserfüllt zu Ivanic auf. Dieser lacht schäbig und jagt mir damit kalte Gänsehaut über den Rücken.
Zwei breite Männer steigen in den Wagen. Der eine schnappt sich Alecs Oberarm und zerrt ihn aus dem Wagen. Der andere tut gleich darauf dasselbe mit mir.
Vor dem Wagen sehe ich zu, wie Ivanic die Frau hochhebt. Er spaziert mit ihr an uns vorbei und ich kann Alec knurren hören. Auch mein Blick ist deutlich unfreundlicher geworden.
Der Mann hinter mir stößt mich an der Schulter an und ich folge Ivanic. Alec hinter mir führt denselben Befehl aus.

Wir werden in eine große, leerstehende Lagerhalle geführt. Sie ist geräumig und außer einem Campingtisch und vier Feldbetten befindet sich nichts darin.
In einer Ecke werden Alec und ich angewiesen uns hinzuknien. Als wir auf dem Boden sitzen tritt Ivanic vor uns und legt die Frau ab. Er fesselt sie ebenfalls und stellt sich dann breitbeinig vor uns hin.
Alec und ich wetteifern darum, wer ihn zuerst mit seinem Blick tötet. Ivanic zaubert es jedoch ein Lächeln ins Gesicht.
„Es freut mich euch beide wohlauf zu sehen. Jedoch hätte ich es lieber, wenn ihr auch meinen Befehlen gehorchen würdet. So wie es euch beiden beigebracht wurde."
Alec schnaubt abfällig. Ich spanne nur meinen Kiefer an. In Gedanken rede ich mir gut zu, dass die Worte nicht mehr funktionieren. Es wurde mehrfach getestet, ich reagiere nicht mehr auf sie.
„Was willst du?", schafft es Alec zu fragen.
Ivanic lacht und beugt sich zu ihm nach vorne. Alec lässt sich davon jedoch nicht einschüchtern und starrt ihn geradewegs zurück an.

Ohne Vorwarnung reißt Ivanic Alec das T-Shirt vom Leib. Ich zucke bei dem Ratsch zusammen. Doch Alec bleibt regungslos.
Zum Vorschein kommen einige tiefe Narben auf Alecs Oberkörper. Völlig unterschiedliche Narben zum Teil, welche von verschiedenen Kommandanten und Methoden zeugen.
Ivanic streicht über eine Narbe, welche von Peitschenhieben zu stammen scheint. Alec malmt mit dem Kiefer und verkrampft sich unter den Händen des Russen.
„Ich weiß noch, wie ich damals versucht habe dir höchst persönlich beizubringen, die Göre zu ignorieren. Wie alt warst du damals, nochmals?", grinst er, während seine Augen in die Ferne schweifen.
Alecs Kiefer knirscht, während das Heben seiner Brust schneller wird. Zieht Ivanic ihn ebenfalls in die Vergangenheit? Zurück zu diesem Moment voller Schmerzen?
„Siebzehn", murmelt Alec nachgebend.
„Ah ja, das waren noch Zeiten", seufzt Ivanic theatralisch.
Alec schnaubt und duldet die Hand unseres Entführers weiterhin auf der Narbe. Sein Blick zeigt jedoch deutlich auf, dass in der Sekunde, in der Alec sich befreien kann, Ivanic durch den gesamten Raum fliegt.

„Ich habe deine Frage beantwortet, also beantworte meine", fordert Alec ihn auf.
Ivanic lacht auf und nimmt endlich seine Hand von Alec weg. Dieser entspannt sich auch sogleich wieder ein wenig. Verkrampft bleibt er trotzdem, immerhin ist die Lage noch lange nicht sicher.
„Ich will den Power Broker. Immerhin hat er die Jagd auf mich eröffnet. Aber das werde ich nicht auf mir sitzen lassen. Aber wenn wir schon die Regierung hier haben, können die ja auch gleich antraben."
Ich schlucke und spanne mich nun selbst an. Er weiß, dass der Staat mich geschickt hat? Und er weiß, wer der Power Broker ist? Oder weiß er es nicht und will ihn enttarnen?
Verwirrt versuche ich den Überblick über die Lage zu bekommen. Wer weiß wie viel und was wird von wem gefordert? Was trage ich zu der Situation bei?
Und ich darf auch nicht meine eigene Mission vergessen.
„Wo ist Agent Hunter?", fasse ich den Mut zu fragen.
Ivanic verdreht die Augen und sieht zu mir. Ich schlucke und versuche den Blickkontakt zu ihm aufrechtzuerhalten.
Ivanic beginnt zu grinsen. Mit dem ausgestreckten Daumen fährt er sich langsam über die Kehle.
Mir wird kalt, als ich die Bedeutung der Geste verstehe.
Tiefer durchatmend stelle ich mich dem Gedanken, dass wir zu spät sind, während die Umgebung beginnt sich zu drehen.
Der Agent ist tot.
Die Mission ist gescheitert.

„Lebt euch ein und ruft mich, wenn die kleine wieder aufwacht. Vielleicht kann sie mir ja ein paar Informationen über den Power Broker geben", verabschiedet Ivanic sich.
Belämmert sehe ich ihm hinterher, während er zu dem kleinen Lager zurückkehrt. Uns lässt er in der Kälte allein zurück.

Alec seufzt auf und rutscht so weit nach hinten, bis er sich an die Wand lehnen kann. Ich folge ihm nur mit meinem Blick. Dann jedoch sehe ich zu der Frau, um welche ich mir langsam Sorgen mache.
Wie gesund war das Mittel, das Ivanic ihr verabreicht hat, dass sie jetzt so lange bewusstlos ist?
„Irgendwelche Ideen, wie wir hier rauskommen, Barnes?", murmelt Alec.
Verunsichert sehe ich zu ihm und durchwühle meine Gedanken. Mit Fesseln zu kämpfen wäre zwar etwas knifflig, habe ich aber auch schon tun müssen. Und Alec wurde von Hydra sicherlich auch auf solche Situationen vorbereitet.
Aber die Schockhalsbänder... Die müssen wir erst abbekommen, wenn wir nicht, wie Fische auf dem Trockenen, am Boden liegen wollen.
„Nein, leider nicht", flüstere ich deprimiert zurück. „Mir fällt nichts ein."
Alec nickt verstehend und richtet seinen Blick nach oben an die Decke. Nachdenklich kaut er mit dem Kiefer, wahrscheinlich auf seiner Zunge.
Kennst du sie?", frage ich vorsichtig bei ihm nach.
Mit gehobenen Augenbrauen sieht er zu der Frau. Trauer beginnt sich in seinen Augen zu zeigen.
Sieht er Riley in ihr? So wie ich?
„Es ist ihre Tochter", offenbart er zerknirscht.
Baff blicke ich zu ihr zurück. Aber natürlich, jetzt erkenne ich sie auch. Sie verschwand kurz nach der Flucht der Kinder und niemand konnte sie finden. Es galt der allgemeine Verdacht, dass Rollins sie holte, um Riley anzulocken.
Was völlig dämlich ist, weil Riley sie nicht einmal als ihre Tochter anerkannte.
Aber Jean blieb auch nach dem Tod ihrer Eltern verschwunden. Bis irgendwann die Suche nach ihr eingestellt wurde.
Hat Alec sie hierhergebracht? Wollte er die letzte Hinterlassenschaft von Riley – in Form ihrer einzigen Tochter – bei sich behalten?
„Jean..." 

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Und hier ein neues Kapitel :D

Ich hoffe es hat euch gefallen und ihr freut euch auf das nächste.
(Wann auch immer es kommt...)

Angenehmen Wochenstart und bis bald.

Gruss Jas_Barnes

Alpha - New MissionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt