Kapitel 9

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!Trigger Warnung!
[angedeutete Panikattacken; Depression]

POV Hyunjin

Gähnend streckte ich die Arme in die Luft und lehnte mich auf meinem Schreibtischstuhl zurück.

Die letzten sieben Tage hatte ich damit verbracht ein Museum nach dem anderen zu besuchen und zu jeder Kunstausstellung in der Nähe zu fahren, die ich finden konnte. Jedoch ohne Erfolg. Sobald ich vor einer Ausstellung stand versteiften sich meine Gelenke. Egal wie sehr ich meinem Körper befahl weiterzugehen, kein Fuß bewegte sich in die Richtung der Ausstellung.

Dieses Theater von meinem Körper ging mir langsam aber sicher auf die Nerven. Ich musste mich weiterbilden. Ich musste vorankommen. Das alles war essenziell.


Ich hatte versucht mit verschiedenen Alltagsszenen mein Skizzenbuch zu füllen. Die Zeichnungen waren nicht schlecht, dass wusste ich. Beinahe Fehlerfrei waren sie ausgeführt.

Und doch merkte sogar ich wie emotionslos diese Bilder waren. Wie eine Kopie ohne jeglichen Aufwand.

Kunst ist eine Bindung zu Emotionen. Sie stellt die Gefühle und Gedanken des Erschaffers dar. Gibt einen Einblick in die Seele eines Menschen und seine Verletzlichkeit. Auch wenn die Bedeutung eines Kunstwerkes von jedem anders Interpretiert werden kann, so kann man jedoch  genau sagen, welche Werke mit wahren Gefühlen verbunden waren und welche nur eine schön verpackte Lüge sind.


Ich war noch nie ein Freund von vielen Worten, drückte meine Gefühle lieber mit einem Pinsel und Farben auf der Leinwand aus.

Zumindest bis jetzt, denn mir wurde mit jedem Tag ein bisschen mehr bewusst, wie sehr ich die Bindung verloren hatte. Der Faden wurde mit jeder Zeichnung dünner und dünner, bis er nur noch so dünn wie Seide war. Bis er letztendlich riss.

Ich konnte weder sagen, wann er angefangen hat dünner zu werden noch wann er gerissen ist.

Alles was ich wusste war der Zeitpunkt an dem ich diese Tatsache realisiert habe.


Als diese wunderschönen Augen mein Blick festhielten, versuchten in meine Seele zu schauen, ein Stück mehr von mir zu erfahren. Die Präsenz von purer Hilfsbereitschaft lag in dem Gesicht des Älteren.

Ich wusste, dass Chan mir ehrlich helfen wollte. Dafür wollte er keine Gegenleistung oder ähnliches, er wollte einfach nur Helfen.


Das hat er auch.

Seine Worte öffneten mir die Augen und zeigten mir auf eine sanfte Art, dass mein Faden gerissen war, vielleicht sogar gar nicht mehr existierte.

Er hat mir wirklich geholfen.


Und doch fühlte es sich an, als hätte die Wahrheit meinem schlagenden Herz in der Brust einen riesigen Sprung verpasst.

Es war nun an mir den Schaden zu reparieren. Den Faden zu finden und ihn wieder anzunähen. Meine Gefühle mit dem Pinsel und der Farbe einzufangen und auf der Leinwand zu verewigen.


Das Problem war nur, dass ich nichts fühlte.

Ich lachte wenn Jeongin einen Witz machte. Es ist immerhin ein Witz, da lacht man für gewöhnlich. Doch tief in mir fühlte ich nicht, ob es lustig war oder nicht. Es war halt einfach ein Witz.

In den Nachrichten haben sie von einem Feuer berichtet, welches ein ganzes Haus niedergebrannt hat. Die Familie hat überlebt, das ist ja immerhin gut. Leider sind ihre Besitztümer vernichtet, das war traurig aber sowieso nicht mehr zu ändern.

Draw my love, little boy | ChanJinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt