Kapitel 37

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POV Hyunjin

„Hyunjin, leiste mir doch noch ein bisschen Gesellschaft bevor ihr fahrt."

Jess steht an den Sessel gelehnt und lächelt mich mit zusammengekniffenen Augen liebevoll an. Dabei erinnert sie mich an einen süßen Hundewelpen. Nur dass sie eine Mutter war und diese meistens eher zu bissigen Wölfen werden - zumindest wenn es um ihre Kinder geht.

Ich weiß genau, dass das eigentlich übersetzt heißt ,Hyunjin, lass uns malen und zeig mir die dunkelsten Ecken deiner Seele'. Doch das stört mich eigentlich nicht. Im Gegenteil, seit gestern brennen mir einige Fragen auf der Zunge und ich warte nur sehnlichst auf eine passende Gelegenheit, um sie zu stellen. Eine bessere als jetzt werde ich nicht bekommen.

Also nicke ich und schenkte ihr ebenfalls ein freudiges Lächeln.

„Channie, deine Mutter macht dir wirklich Konkurrenz. Du solltest aufpassen.", kommentiert der Grauhaarige nüchtern und setzt seine Kaffeetasse wieder an. Seit heute morgen ist er komischerweise noch streitlustiger als sonst und das auch nur bei Chan. Wer weiß was da schon wieder vorgefallen ist.

Meine Chance nachzufragen wird mir genommen, denn Chans Mutter schleift mich schon mit sich.

„Hopp, hopp, Zeit ist kostbar und die sollten wir mit etwas schöneren verbringen als diese sinnlosen Neckereien."

Innerlich stimme ich ihr lautstark zu. Nach außen dringt lediglich ein bestimmtes Nicken durch.

Wenige Augenblicke später befinde ich mich also wieder im traumhaften Atelier der Mutter Chans. Genauso wie gestern und auch den Tag davor herrscht hier wenig Ordnung. Bei mir sieht es meistens nicht anders aus und als Minho sich irgendwann mal beschwert hat, habe ich ihm eine ganze Stunde erklärt, dass das künstlerisches Chaos ist und für mich sehr wohl eine Ordnung hat. Danach hat er nie wieder versucht mir da reinzureden.

„Wenn ich mich hier so genau umsehe, merke ich erst wie unpersönlich mein Atelier irgendwie ist.", überlege ich laut und lenke die Aufmerksamkeit auf mich.

Mir wird auf jeden Fall klar woher Chan diesen intensiven tiefgrabenden Blick hat. Jess sieht mich öfter mit eben diesen an als mir lieb ist. Gleichzeitig erinnert er mich so sehr an den Schwarzhaarigen, dass es mich weniger stört als normalerweise.

„Dann sollte deine erste Aufgabe wenn du wieder zurück fährst sein, dein Atelier zu deinem Wohlfühlort zu machen. Du erkennst an der Einrichtung sehr genau wie es in dem Menschen aussieht, der dort seine Stunden verbringt." Mit glänzenden Augen sieht Jess sich in ihrem Raum um.

Für mich wirkt sie auf einmal wie ein junges kleines Mädchen, vielleicht acht oder neun Jahre alt. Die Freude und Aufregung, die in ihren Augen glänzen, spiegeln sich in ihrer Mimik und Haltung wieder. Wie ein hell funkelndes Licht versprüht sie ihre Gefühle und bildet die Quelle einer märchenhaften Atmosphäre.

Mein Atem stockt für einen Augenblick. Zum ersten Mal wird mir bewusst, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt. Vor meinen Augen sehe ich nicht einfach eine Situation, ganz nüchtern, wie sie ist, sondern habe ein lebendiges Bild. Wie als wenn mein Leben bisher ein leeres Ausmalbuch gewesen ist und es jetzt von einem fröhlichen Kind kunterbunt ausgemalt wird.

Es muss nicht perfekt sein. Niemand erwartet das von einem Kind, also warum sollte man es von dem Leben erwarten?

Zustimmend nicke ich und steure von ganz allein auf die leeren Leinwände zu. Bevor meine Hand nach einer greift zögere ich jedoch und werfe einen prüfenden Seitenblick zu der Besitzerin dieser Materialien. Ein aufmunterndes Lächeln bestätigt mir, dass ich mir nehmen kann was ich brauche. Sie selbst huscht in ihrem Raum herum und sucht ihre eigenen Materialien zusammen.

Draw my love, little boy | ChanJinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt