Ich wachte mit Schmerzen auf. Mein Rücken tat höllisch weh und mein Nacken fühlte sich steif an. Doch dies nahm ich in Kauf, um zu verhindern verheiratet zu werden.
Es wurde bereits hell, die ersten Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch den Wald. Trotz der fehlenden Matratze hatte ich in einem fest Durchgeschlafen. Langsam stand ich auf, ich durfte keine Zeit verlieren. In wenigen Stunden würde der Hof von Tikum mitbekommen, dass ich verschwunden war.
Ich griff in den Stoffbeutel und holte eine Scheibe Brot heraus, die Edith eingepackt haben muss. Ich hoffte sie war im Schloss sicher und niemand kam auf die Schliche, dass sie mir zur Flucht verhalf. Besorgt blickte ich in meine Hand. Ich hoffte es geht ihr gut.
Als ich von dem Brot abbiss zauberte es mir jedoch wieder ein Lächeln ins Gesicht. Es war mein liebstes Brot, welches Edith immer backte, wenn es mir schlecht ging.
Mein eher mageres Frühstück rundete ich mit einem kräftigen Schluck Wasser aus einer ledernen Feldflasche ab. Doch zu viel konnte ich auch nicht trinken, schließlich musste ich mir alles gut einteilen.
Bevor ich weiterzog, trat ich die mittlerweile kühle Asche der Feuerstelle in den Boden und verteilte die darum liegenden Steine möglichst natürlich im Wald. Hoffentlich hatte ich die Spuren gut genug verwischt, sodass die Wache woanders nach mir suchen würde.
Ich fuhr meine Reise schließlich fort, durch den Wald etwas abseits des Weges, aber dennoch nah genug, um mich orientieren zu können wohin ich denn ging. Wenn ich eins von Edith gelernt hatte, dann das jeder Weg irgendwann zu einem Dorf führte.
Als ich klein war kam es öfter mal vor, dass ich mich zu Hause aus dem Schloss schlich und auf den umliegenden Feldern spielte. Meine Mutter hielt mir danach immer einen mehrstündigen Vortrag wie gefährlich es denn sei und das es nicht angebracht war für ein Mädchen meines Standes die Kleidung dreckig zu machen. Mein Vater bekam davon nie etwas mit, was auch besser war, sonst wäre ich vermutlich in unserem Schloss eingesperrt worden. Was mich nicht wunderte, da er genauso streng war, wie meine Mutter.
Falls ich mich jemals verlaufe, solle ich nach dem nächsten Weg Ausschau halten, das sagte Edith mir immer, mit dem Wissen ich würde mich sowieso erneut raus schleichen. Doch ich verlief mich nie.Ich lief weiter über einige Äste und bemoosten Boden. Auf den Pflanzen lag eine dünne Schicht tau, welche durch die Sonne den gesamten Wald zum Glitzern brachte. Es sah soviel schöner aus als es das edelste Schmuckstück der Welt je könnte.
Doch in ein paar Stunden würde die warme Sommersonne das Wasser zum Verdunsten bringen.Stattdessen konzentrierte ich mich darauf weiter zu laufen. Jeder Schritt brachte mich ein Stück weiter weg vom Hof von Tikum. Ob sie mittlerweile wohl bemerkten, dass ich geflohen war? Mir wurde umgehend mulmig, ich lief noch ein wenig zügiger.
Meine Wanderschaft durch den Wald verlief weitestgehend ruhig. Zwischendurch nahm ich das Traben von Pferden war, welche eine Kutsche zogen. Doch sehen konnte ich sie nicht, dafür war der Wald zu bewachsen.
Nach mehreren Stunden machte ich Halt. Ich kam fast um vor Durst. Die Sonne stand mittlerweile im Zenit und prasselte unerbittlich auf die Erde ein. Erschöpft ließ ich meinen Stoffbeutel zu Boden fallen. An einem großen Stein, im Schatten, setzte auch ich mich hin.
Das Gestein war angenehm kühl.Ich griff in den Stoffbeutel und bekam meine Flasche zu fassen. Mit schwitzigen Händen löste ich den Korken und führte die Öffnung an meinen Mund. Das Wasser war wie Balsam für meine Kehle. Ich schloss die Augen und hätte vor Erleichterung laut aufstöhnen können.
Doch so gern ich auch alles ausgetrunken hätte, musste ich sparsam mit dem Wasser umgehen.Einen Moment blieb ich sitzen, mir wurde plötzlich bewusst wie riskant die Flucht eigentlich war. Wenn mich die Wache finden würde, wäre ich bestimmt einer Strafe ausgesetzt. Würden sie mich sogar dafür umbringen? War ich vielleicht schon längst dem Tode geweiht?
Schnell wischte ich die Gedanken zusammen mit dem Schweißfilm auf meiner Stirn fort.Noch immer trug ich mein Kleid. Auch wenn es ein Sommerkleid war, begann ich höllisch darin zu schwitzen. Mein Blick wanderte zurück zu meinem Stoffbeutel. Darin hatte ich gestern Abend neben dem Brot ein Taschenmesser gesehen. Vielleicht könnte ich damit mein Kleid kürzen.
Ich durchtrennte die untere Partie des Kleides. Dieser Teil war ohnehin bereits von Rissen geprägt und mit Dreck versehrt. An den Armen schnitt ich den Stoff ebenfalls kürzer, bis zur Schulter. Mit einem kleinen Stück des Stoffes band ich meine Haare zu einem Zopf zusammen. Es fühlte sich gleich viel besser an.
Sorgfältig sammelte ich die Stoffreste auf und stopfte sie in den Beutel. Als ich mir sicher war auch nichts liegen gelassen zu haben, lief ich weiter.
Die Angst erwischt zu werden trieb mich weiter voran, aber auch eine immer wachsendere Neugierde. Zu Hause hatte ich selten das Schloss verlassen dürfen. Einmal waren meine Eltern und ich gemeinsam zu Besuch in einem anderen Königreich. Doch auch dort hatte ich mehr Speise- und Ballsäle gesehen, als Bäume und Feldwiesen. Noch nie fühlte ich mich so lebendig wie jetzt.
Jeder Strauch und noch so kleinstes Insekt faszinierte mich. All das konnte ich vorher nicht wahrnehmen, zumindest nicht ohne den Hintergedanken zurück zum Schloss kehren zu müssen.
Mehrere Kilometer musste ich bereits unterwegs gewesen sein, als sich ein Bachlauf vor mir auftat. Erleichtert machte ich Halt, um meine mittlerweile leere Flasche aufzufüllen. In den letzten Stunden war es wirklich ein Kampf gewesen genug Wasser zu trinken, um weiterlaufen zu können und dennoch ausreichend übrig zu lassen, um durch den Tag zu kommen.
Doch jetzt war es nicht mehr so heiß wie zuvor. Die Dämmerung setzte bereits an und tauchte den Wald in ein Farbspiel aus rot-orangenem Licht.
Ich ließ ein wenig Wasser in meine Hände fließen, um mir damit über das Gesicht zu fahren. Sauberer fühlte ich mich danach zwar nicht wirklich, aber es war eine nette Abkühlung.Lange hielt ich mich nicht an dem Bach auf. Stattdessen lief ich weiter, um nach einem geeigneten Ort zum Schlafen zu suchen. In der Nacht würde es vermutlich in Wassernähe zu kalt werden.
Die Sonne ging so schnell unter, dass ich mich anstrengen musste in der Dunkelheit genug zu sehen. Als ich in der Ferne eine perfekte Stelle für meine Rast fand lief ich näher, doch plötzlich hörte ich ein Knacken. Augenblicklich gab der Boden unter meinen Füßen nach.
Bevor ich begriff was passierte, fiel ich auf der Stelle tiefer. Meine Umgebung verschwamm vor mir. Als ich mit meinem Kopf auf etwas hartes stieß, wurde schlagartig alles schwarz.
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Meer aus Lügen
RomanceAls Prinzessin Elira von Andell zwangsverheiratet werden soll flieht sie, nur um wenig später von Piraten festgenommen zu werden. Um zu überleben, verstrickt sie sich in ein Meer aus Lügen. So gut es geht passt sie sich an die Piraten auf dem Schif...